- Jennet Conant. https://jennetconant.com/.
- Air raid on Bari. Wikipedia https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Air_raid_on_Bari&oldid=999201618 (2021).
- Lokody, I. The Great Secret: chemotherapy’s fiery birth. The Lancet Oncology 22, 437 (2021).
* aktualisiert am 14.03.2024
Alles begann mit einem Überraschungsangriff der Deutschen Luftwaffe auf den Hafen von Bari (Italien) im Dezember 1943. Tausende Soldaten und hunderte Zivilisten kamen bei dem Luftangriff ums Leben, dutzende Schiffe wurden versenkt oder beschädigt. Unter diesen Schiffen befand sich auch die John Harvey, ein amerikanisches Liberty-Schiff mit einer streng geheimen Fracht: 2.000 Senfgasbomben, die als Vergeltungsmaßnahme gedacht waren, sollten die Deutschen ihrerseits einen Gaskrieg beginnen.
Durch die Beschädigung des Frachters gelangte flüssiges Senfgas (Schwefellost) aus den Bomben ins Wasser, das bereits voller Öl der anderen zerstörten Schiffe war. Viele Matrosen schwammen durch das ölige Gemisch, welches ein ideales Lösungsmittel für den Schwefellost darstellte. Ein Teil davon verdampfte und vermischte sich mit den Rauch- und Flammenwolken. Die Verwundeten wurden aus dem Wasser gezogen und in medizinische Einrichtungen in Bari gebracht, deren Personal nichts von dem Senfgas ahnte. Man konzentrierte sich auf Patienten mit Explosions- oder Brandverletzungen und schenkte denjenigen, die lediglich mit Öl bedeckt waren, wenig Aufmerksamkeit. Dabei hätten viele Folgen einer längeren Exposition mit dem Senfgas durch ein Bad oder einen Kleiderwechsel verringert werden können.
Innerhalb eines Tages zeigte das Senfgas bei 628 Patienten und medizinischem Personal seine Wirkung. Es traten die ersten Symptome einer Vergiftung auf. Die meisten Opfer litten unter atypischen Symptomen (hervorgerufen durch die Exposition von mit in Wasser und Öl verdünntem Senfgas, im Gegensatz zu dem in Luft). Diese rätselhafte Entwicklung wurde durch die Ankunft hunderter italienischer Zivilisten im Krankenhaus weiter verkompliziert, die durch eine über die Stadt wehende Wolke aus Senfgas-Dampf vergiftet worden waren, nachdem ein Teil der Ladung der John Harvey explodiert war.2 Viele Opfer verstarben, weshalb ein Mitglied des medizinischen Stabs des Alliierten Oberbefehlshabers General Eisenhower zur Untersuchung des Vorfalls nach Süditalien geschickt wurde. Obwohl der Militärarzt Dr. Stewart Francis Alexander nichts von der geheimen Fracht wusste, kam er relativ schnell zu dem Schluss, dass die Symptome die Folgen einer Senfgasvergiftung waren.
Da das Genfer Protokoll von 1925 den Einsatz chemischer und biologischer Kampfstoffe im Krieg untersagte, waren Churchill und Eisenhower entschlossen, die Beteiligung von Giftgas bei der Katastrophe zu vertuschen. Dr. Stewart Francis Alexander widersetzte sich den britischen Hafenbeamten und setzte seine Untersuchung heldenhaft fort. Obwohl er keine Zustimmung von seinen Befehlshabern erhalten konnte, überzeugte er die Ärzte, die Patienten auf Senfgasexposition zu behandeln und rettete dadurch viele Leben.
Dr. Stewart Francis Alexander konservierte auch viele Gewebeproben von obduzierten Opfern. In seinem Abschlussbericht notierte er seine bahnbrechenden Beobachtungen über die toxische Wirkung von Schwefellost auf weiße Blutkörperchen und andere sich schnell teilende Zellen. General Eisenhower billigte schließlich Dr. Stewart Francis Alexanders Bericht, Churchill ordnete jedoch an, alle britischen Dokumente zu bereinigen. Senfgas-Todesfälle wurden als "Verbrennungen durch Feindeinwirkung" beschrieben.
Bis 1959 blieb der Bari-Zwischenfall in militärische Geheimhaltung gehüllt, was zu verlorenen Aufzeichnungen, Fehlinformationen und erheblicher Unklarheit darüber führte, wie eine tödliche chemische Waffe für den medizinischen Gebrauch gezähmt werden konnte. Dann erregten Dr. Stewart Francis Alexanders Proben die Aufmerksamkeit des Arztes und Forscher Colonel Cornelius P. Rhoads. Er erkannte, dass das Gift Senfgas sowohl ein Killer als auch ein Heilmittel war und leitete eine neue Ära der Krebsforschung ein, die vom Sloan Kettering Institute angeführt wurde und zu einer frühen Form der Chemotherapie mit einer vom Schwefellost abgeleiteten Verbindung führen: Mustin.2