Wird das Primärarztsystem die Dermatologen entlasten und dazu führen, dass Patienten schneller einen Facharzttermin erhalten?
Ich halte dies für unwahrscheinlich. Zunächst werden die ohnehin überlasteten Hausärzte zusätzlich beansprucht. Es muss klar gesagt werden: Wenn ein Hautproblem vorliegt, das eindeutig von einem Dermatologen behandelt werden muss – und das auch ein Laie erkennen kann – ist der Hausarzt nicht notwendig, um lediglich eine Überweisung auszustellen. Ohnehin akzeptieren dermatologische Kliniken oftmals ausschließlich fachärztliche Zuweisungen. Solche administrativen Maßnahmen lösen das Problem nicht, führen aber zu erheblicher zeitlicher Verzögerung.
Fachärzte wünschen sich ein Vorscreening, damit nur relevante Fälle bei ihnen zur Vorstellung kommen. Das ist verständlich. Doch auch mit einer Überweisung vom Hausarzt dauert es für die Patienten oft weiterhin Wochen oder Monate bis sie einen Termin erhalten – weil es zu wenige Dermatologen gibt. Eine Triage ist immer nur dann sinnvoll, wenn eine zeitnahe fachliche Konsequenz folgt.
Hausärzte übernehmen bereits zahlreiche Facharztaufgaben und eignen sich zusätzliches dermatologisches Wissen an, weil sie ohne dieses in ihrem Praxisalltag nicht zurechtkämen. Das zugrunde liegende Problem bleibt jedoch: Es gibt zu wenige Fachärzte, und auch der Hausarzt kann diese Lücke nicht schließen, zumal er selbst Facharzt ist für Allgemeinmedizin oder Facharzt für Innere Medizin und seinen fachärztlichen Aufgaben nachkommen muss. Eben aufgrund der Facharztterminverknappung übernehmen Hausärzte schon jetzt viele fachfremde Aufgaben. Außerdem stellen Hausärzte auch jetzt schon routinemäßig Überweisungen aus.
Im Rahmen einer Umfrage von esanum, die sich mit meiner Kolumne zum Rückgang der Hautkrebsvorsorge beschäftigte, wurden verschiedene Lösungsvorschläge erörtert. 125 Kollegen stimmten für eine bessere Vergütung von Hautkrebsscreenings. 37 Kollegen hielten die Einführung eines digitalen Systems für Hautarzttermine für einen guten Lösungsansatz. 22 Kollegen befürworteten den Ausbau der telemedizinischen Beratung als Lösung, und 13 befürworteten eine verpflichtende hautärztliche Weiterbildung der Hausärzte.
Die Einführung eines digitalen Systems für Hautarzttermine halte ich jedoch für wenig sinnvoll. Es lässt sich nicht sinnvoll vermitteln, was nicht ausreichend vorhanden ist. Solche Lösungen erscheinen mir nicht zielführend. Telemedizin ist ebenfalls kein entscheidender Lösungsansatz, da diese nicht selten mit der Empfehlung endet, einen Hautarzt aufzusuchen. Telemedizin verursacht zumeist zeitlich nicht leistbaren zusätzlichen zeitlichen Aufwand und kann nicht dazu führen, dass gesetzlich versicherte Patienten privat für einen Telemedizin-Termin zahlen müssen. Der Hausarzt kann nicht verpflichtet werden, Telemedizin neben den regulären Sprechstunden zu leisten. Es bleibt zu betonen, dass es in erster Linie um Zeit geht – eine Ressource, die Hausärzte ohnehin nicht haben.
Die hausärztliche Vorabeinschätzung eines dermatologischen Problems stellt eine verantwortungsvolle Leistung dar, wenn es nicht nur darum gehen soll, dass der Patient wunschgemäß zum Facharzt „durchgewinkt“ wird. Eine mögliche Stellschraube ist dagegen die Vergütung. Eine angemessene Vergütung könnte Hausärzte motivieren, mehr Termine zu vergeben und mehr Screenings durchzuführen. Der Aufwand muss entsprechend honoriert werden.
Inzwischen kommt es häufig vor, dass schwerwiegende dermatologische Probleme vom Hausarzt erkannt werden. In diesen Fällen sollte es Dringlichkeitsmechanismen geben, die einen umgehenden Termin für die dermatologische Facharztbehandlung problemlos ermöglichen.
Zudem sollte weiterhin mehr dermatologische Fortbildung für Hausärzte angeboten werden, damit sie über entsprechende praxisorientierte Expertise verfügen. Ein Format wie „Dermatologie für Hausärzte“ wäre hier ein sinnvolles Angebot. Hausärzte wünschen sich solch ein Angebot, da es um die Fähigkeiten geht, Hautprobleme zu erkennen und die nächsten Schritte zu definieren – oftmals keine besonders komplexen Themen.
Der Schlüssel liegt weiterhin in der Vergütung – sowohl für Hausärzte als auch für Dermatologen. Hautärzte mit Kassensitz erbringen bis 75 Prozent ihrer Leistungen als Individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL). Dies geschieht nicht aus reinem Profitstreben, sondern weil die reinen GKV-Erlöse die Praxis ökonomisch nicht tragen. Wenn der Scheinwert steigen würde, würden sofort wieder mehr Ärzte schulmedizinische Leistungen erbringen. Derzeit erhalten Hautärzte in Berlin nur etwa 20 Euro pro Quartal und Patient. Für eine Laserbehandlung kann das vielfache privat abgerechnet werden. Zum Vergleich: In der Inneren Medizin liegt der Betrag pro Schein bei 60 bis 70 Euro.
Aus diesem Grund wechseln viele Hautärzte in die Privatmedizin. Zugleich sind Hautarztsitze rar und es gibt eine problematische inhomogene Verteilung. In einigen Regionen an Stadtgrenzen und im Flächenland gibt es keine Hautärzte mehr. Wir brauchen Anreize für unterversorgte Gebiete, was eventuell durch bessere Vergütung oder Steuererleichterungen erreicht werden könnte. Ohne IGEL-Leistungen ist eine dermatologische Praxis auch auf dem Land schwer wirtschaftlich zu betreiben, aber der IGEL-Bedarf ist hier wesentlich geringer.
Aktuell besteht wenig ausreichender Anreiz, dass Dermatologen hauptsächlich schulmedizinische Leistungen erbringen. Vielleicht könnten auch die dermatologischen Leistungen der Hausärzte besser honoriert werden, um einen Anreiz zu setzen, die Fachärzte zu entlasten.
Ein obligatorisches hausärztliches Primärarztsystem für die Dermatologie würde die Hausärzte überlasten und die dermatologische Terminproblematik nicht verbessern. Die Dermatologie hat sich in den letzten Jahren sowohl in Diagnostik als auch Therapie rasant entwickelt. Es bedarf einer höheren Zahl an Hautärzten, insbesondere außerhalb der städtischen Ballungszentren und die dermatologische Schulmedizin muss in der Abrechnung aufgewertet werden. Ein Hausarztscreening oder auch nur die Facharztüberweisung sind nur dann sinnvoll, wenn eine zeitnahe verlässliche Facharztversorgung gewährleistet ist. Verantwortungsvolle hausärztliche Facharzttätigkeit lässt wenig zeitliche Ressourcen übrig. Ein administrativer Mehraufwand für die Hausärzte muss angemessen vergütet werden.