Gesundheitsreform: Gelingt die Umsetzung? Logo of esanum https://www.esanum.de

Gesundheits-Krisengipfel: Ideen jetzt mit Inhalt füllen!

Dr. Petra Sandow ist am Jahresbeginn vorsichtig optimistisch. Einige Pläne der Gesundheitspolitik gehen aus Sicht der Berliner Hausärztin in die richtige Richtung.

Wegfall der Budgets: Eine lang ersehnte Veränderung

Es tut sich, so scheint es, gerade sehr viel in der Gesundheitspolitik. Wohin es für uns Niedergelassene allerdings genau geht, kann man noch nicht sagen. Jede Menge Ankündigungen stehen im Raum. Was uns in der Hausarztpraxis natürlich enorm helfen würde, wäre der Wegfall der Budgets. Das wünschen wir uns seit langem. Jetzt ist es tatsächlich geplant. Die Fachärzte stehen etwas anders da. Dort werden im Regelfall Termine gemacht. Manche Patienten warten deswegen monatelang, bis ihnen geholfen werden kann. Das ist natürlich auch kein guter Zustand.

Arbeitsverteilung und Patientenwahl: Auswirkungen in der Praxis

Doch bei uns stehen die Menschen einfach leibhaftig in der Praxis und man muss sich ihnen widmen - oftmals auch ohne Bezahlung, wenn das Budget es nicht mehr hergibt. Etwa ein Drittel unserer Leistungen haben wir in der Vergangenheit unentgeltlich erbracht. Wenn sich das nun ändert, werden viele Kollegen nicht mehr so oft zum Monatsende schließen und in Kurzurlaub gehen, weil sie dann ganz normal arbeiten und abrechnen können. Davon gehe ich jedenfalls aus. Somit wird sich die Arbeit besser auf alle verteilen. Es wird vermutlich auch wegfallen, dass sich Kollegen gern jene Patienten aussuchen, die nicht so anstrengend sind. Denn unter den veränderten Rahmenbedingungen sind auch wieder Patienten interessant, die mehr Arbeit machen - denn es wird ja dann alles bezahlt, was tatsächlich geleistet wird. Ich erwarte auch, dass wir das Personal allmählich wieder aufstocken können, wenn etwas mehr Geld fließt. Das wäre eine große Entlastung. Wenn man vernünftig zahlen kann, wird es auch wieder Personal geben, davon bin ich überzeugt.

Zusätzliche Pauschale für Chroniker

In dieselbe Richtung geht auch die angedachte extra Pauschale für Chroniker. Da kommt es allerdings sehr auf die Höhe der Pauschale an. Unter 50 Euro pro Patient pro Quartal brauchen wir eigentlich gar nicht zu reden, damit es einen spürbaren Effekt gibt. Einen Zuschuss für eine Hitzebratung, wie vom Minister angekündigt, brauche ich persönlich nicht. Das machen wir bei gefährdeten Patienten ohnehin immer mit. Das gehört routinemäßig dazu. Natürlich nehmen wir gern, was angeboten wird. Aber den Alarm, dass alles wegen der Hitze ganz furchtbar gefährlich wird, brauche ich eher nicht. 

Die Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung finde ich super. Das gute alte Überweisungsprinzip kann helfen, einen Teil der Patientenbewegung aus dem System zu nehmen. Mit Halsschmerzen muss in der Regel keiner zum HNO-Arzt. Der erste Blick des Hausarztes auf die verschiedensten Erkrankungen hilft in ca. 90 Prozent der Fälle. Und nur, was wir nicht lösen können, muss weiter zum Facharzt geschickt werden. Eigentlich ganz einfach, aber lange Zeit nicht praktikabel.

Kritische Perspektiven

Skeptisch sehe ich den Plan, die Landschaft der Privatversicherungen durch Vorgaben an die Hersteller zu verändern und den Wechsel von PVS zu PVS zu erleichtern. Da sollte sich der Staat eigentlich nicht unbedingt einmischen. Das können Privatpatienten ganz gut selbst überblicken und entscheiden.

Die Einführung einer Bagatellgrenze bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen hingegen wird hilfreich sein, weil eine Menge Bürokratie zurückgefahren wird, wenn nicht mehr jedes 20-Euro-Rezept im Zweifel geprüft werden muss.

Es wäre auch wunderbar, wenn, wie angekündigt, bei der digitalen Aus- und Umrüstung der Praxen Zuschüsse fließen würden. Wir werden zu all den elektronischen Leistungen wie E-Rezept und E-AU verpflichtet, müssen turnusmäßig Tools aufrüsten und aktualisieren - eigentlich sehe ich gar nicht ein, dass ich das selbst bezahlen muss. Das klingt vielleicht radikal, scheint mir aber logisch, wenn es eine Verpflichtung dazu gibt. Zumal die digitalen Abläufe nicht wirklich reibungslos funktionieren und viele Patienten das auch gar nicht mögen. Sie wollen weiter wie eh und je ihr Papier-Rezept und keine App auf dem Handy. Seit es das E-Rezept gibt, wollten es in meiner Praxis vielleicht fünf Patienten haben. Aber immerhin ist es ein Anfang, wenn die regelmäßigen IT-Anpassungen bezuschusst werden.

Nun muss die Politik noch gucken, woher sie das Geld für all die Vorhaben nehmen kann. Höhere Beiträge? Staatszuschüsse? Das ist noch offen. 

Es sieht am Anfang des Jahres so aus, aber es gibt diverse Fragezeichen. Es gibt Begriffe, die nicht mit Inhalt gefüllt sind. Siehe beispielsweise die Chronikerpauschale. Meine Zusammenfassung zu all dem lautet schlicht: Schauen wir mal!