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ChatGPT: Tempo und Qualität – der Wahnsinn

Kontrovers diskutiert, doch Nutzermeinungen sind überwiegend positiv. Dr. Aymen Meddeb berichtet über seine eigene Erfahrung mit der Künstlichen Intelligenz ChatGPT.

Heiß disuktiert: Künstliche Intelligenz in der Medizin

Die KI ChatGPT wird kontrovers diskutiert, aber meine persönlichen Erfahrungen sind überwiegend positiv. Das Sprachmodell 3.5 von 2023 kann sehr beeindruckende Ergebnisse erzielen. Es ist auf enorme Datensätze und auf Texte trainiert. Das Modell hat kein eigenes Wissen, sondern greift auf reine Statistik zurück. Also ich gebe dem Programm ein Wort und es berechnet die Wahrscheinlichkeit, was das nächste Wort sein wird. Man kann derzeit nicht sagen, dass das der menschlichen Intelligenz in irgendeiner Weise nahekommt. Dennoch gibt es bereits sehr viele Anwendungsmöglichkeiten, auch für meine medizinische Tätigkeit. 

ChatGPT in der Recherche

Das geht los bei der einfachen Recherche. Statt etwas zu googlen, kann ich mich bei ChatGPT nach jeglicher Erkrankung erkundigen. Das gilt für alle Fachbereiche – sodass bereits viele Kolleginnen und Kollegen darauf zurückgreifen. Sie fragen also direkt: Was sind die Therapiemöglichkeiten bei dieser und jener Erkrankung. Das trägt zur Antwort auf bestimmte Fragestellungen bei – und zwar sehr schnell. Und Zeit ist ja bekanntlich immer ein knappes Gut in der Medizin.

Von der Computertomografie erhofft man sich in der Regel die Antwort auf die Frage: womit haben wir es hier zu tun, welche Krankheit liegt vor? Und wenn es die eine nicht ist, kann ChatGPT helfen, andere Differentialdiagnosen einzubringen. Aber man muss das Ganze natürlich auch mit Vorsicht genießen. Es kann sein, dass das Modell "konfabuliert" – so nennt man das in der Community. Es "erfindet" also mitunter Dinge, es spinnt dann sozusagen. Der Text an sich klingt logisch, aber es wird dennoch mitunter das Gegenteil der Wahrheit behauptet. Hier muss man als Arzt natürlich gut aufpassen und darf sich nicht allein auf die Technik verlassen.

ChatGPT in der täglichen Arbeit

Mir hilft ChatGPT bei der Kommunikation – also im täglichen Email-Austausch in dienstlichen Angelegenheiten oder in der Beratung mit Kollegen wie etwa Fallbesprechungen. Das Programm verfasst sehr schnell passende Emails. Das heißt, ChatGPT bekommt von mir ein paar Rahmenbedingungen zum Thema und dazu kann das Programm dann die passende Email schreiben. Das hilft zum Beispiel bei bestimmten Konflikten, die im Arbeitsumfeld entstanden sind, und bei anderen schwierigen Inhalten, sogar bei Tabu-Themen. Ich kann das Programm beispielsweise bitten, eine diplomatische Antwort zu verfassen. Sogar ein ironischer Text ist machbar. Die Nuancen sind hier wirklich vielfältig und beeindruckend. Ich kann ChatGPT dazu nutzen, eine motivierende Kritik zu erstellen, was im Klinikalltag ja manchmal sehr wichtig sein kann. Gerade bei derart sensiblen Themen habe ich sehr gute Erfahrungen mit ChatGPT gemacht.

Ich habe erlebt, dass der angebotene Text besser war, als ich ihn selbst hätte schreiben können. Auch wenn es etwa um knifflige Verhandlungen mit Vorgesetzten geht, zum Gehalt, zu Überstunden etc., habe ich ChatGPT schon nach Argumentationsstrategien gefragt. Und ich bekam tatsächlich sehr interessante Ansätze. Es ist Wahnsinn, was man mit ChatGPT erreichen kann. Die eigenen Argumente werden zielgerichteter, man kann dadurch diplomatischer auftreten, aber auch  durchsetzungsfähiger.

In vielen Situationen lasse ich ChatGPT formulieren, um zu gucken, wie ich mich optimieren kann. Oder ich formuliere selbst und lasse anschließend ChatGPT den Text auf Höflichkeit, Stringenz, Professionalität oder Ähnliches gegenchecken. Sie ist inzwischen so etwas wie ein Kommunikations-Coach geworden. Man erreicht auf diese Weise Ziele durch klare Forderungen und Vorstellungen, ohne jedesmal in nervenraubende Missverständnisse oder gar Konfrontation zu geraten. Viel Frust kann dadurch einfach vermieden werden.

Zeit sparen mit ChatGPT

Entspanntere, zielgenaue Kommunikation ergibt natürlich auch jede Menge Zeitersparnis. Abgesehen davon, dass das Programm viel schneller formuliert als ich. Ich kann also auch einfach nur Bullet Points vorgeben und ChatGPT schreibt daraus einen geschliffenen Text. Ich habe von Kolleginnen gehört, dass sie damit komplette Bewerbungen verfasst haben. Aus dem reinen Lebenslauf kann ein Motivationsschreiben verfasst werden. Manche Kollegen erstellen mit ChatGPT auch Konsile zu medizinischen Problemfällen. Wenn zum Beispiel ein Patient nach einer OP nicht wach wird, kommt etwa ein Neurologe dazu und versucht, die Ursache herauszufinden. Der Kollege, der den Konsildienst hat, rennt normalerweise den ganzen Tag von Station zu Station und verfasst dann seine Konsile. Das braucht oft Stunden. Und das kann ChatGPT erheblich abkürzen, indem man die wesentlichen Punkte eingibt, aus denen dann ein fertiges, gut strukturiertes Konsil entsteht - und zwar umgehend. Man muss natürlich immer noch gegenchecken, ob alles passt.

Forschung mit ChatGPT

Ich forsche selbst an Künstlicher Intelligenz in der Radiologie. Die Algorithmen, die ich dafür brauche, haben mich bisher manchmal sehr viel Zeit gekostet, bis ich ein optimales Ergebnis bekommen konnte. Mittlerweile übergebe ich das an ChatGPT und sage: Bitte finde den Fehler! Das funktioniert in Sekundenwelle. Das ist einfach der Wahnsinn! Ich kann mir auch einen Algorithmus erklären lassen, den ich nicht gleich verstehe. Das ist toll für mich, denn ich habe als Mediziner ja nur Grundkenntnisse in Informatik. ChatGPT ist hier wie ein Programmier-Coach, wenn es mir zum Beispiel sagt, welche Schritte ich jetzt als nächstes gehen muss.

Mein Fazit: Bis auf gelegentliche Fehler bei medizinischen Fakten, bei denen man vorsichtig sein muss, ist das Programm ein sehr positives Tool. Ich kann Kolleginnen und Kollegen insgesamt nur empfehlen, sich mit der neuen Technik zu beschäftigen und ihre Anwendungsmöglichkeiten im Alltag zu finden.


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