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Ein seltener Fall von Gelbsucht bei einer Landwirtin

Eine 62-jährige Frau mit Müdigkeit, Gelbsucht, Fieber und Nierenverletzung. Können Sie die Diagnose erraten?

Eine Bäuerin in der Notaufnahme

Eines Morgens im September wurde eine 62-jährige Frau, die in einer ländlichen Gegend lebt und in der Landwirtschaft tätig ist, in die Notaufnahme eingeliefert. Die Patientin kam im Krankenhaus an und klagte über Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein seit mehreren Tagen, Übelkeit, Fieber und das Auftreten von Gelbsucht. Es gab keine Bauchschmerzen, Durchfall oder Veränderungen in ihrer üblichen Ernährung. In der vorangegangenen Zeit gab es keinen Gewichtsverlust.

Körperliche Untersuchung

Die Frau war 62 Jahre alt, ihr BMI lag im Normbereich. Die in der Notaufnahme durchgeführte körperliche Untersuchung ergab folgende Befunde:

Keine weiteren objektiven Befunde.

Anamnese

Die Patientin lebte auf dem Land und arbeitete auf den Feldern und im Kontakt mit Nutztieren. Die Patientin war verheiratet und hatte zwei Schwangerschaften hinter sich. Der Ehemann war noch am Leben und gesund. Die Patientin gab an, bis vor 10 Jahren geraucht zu haben (etwa 10 Zigaretten pro Tag). Zu den Mahlzeiten trank sie ein Glas Wein.

Frühere Erkrankungen:

Die Patientin nahm Medikamente ein, darunter Statine, Betablocker und Protonenpumpenhemmer.

Laborbefunde

Radiologie und instrumentelle Diagnostik

Klinischer und diagnostischer Pfad

  1. Akute Cholangitis – Gelbsucht und Fieber können auf eine Gallenwegserkrankung hindeuten; bei der Ultraschalluntersuchung des Abdomens wurden jedoch keine Gallengangsdilatation oder Gallensteine festgestellt.
  2. Akute Virushepatitis – Hyperbilirubinämie und der klinische Kontext könnten diese Diagnose stützen. Serologische Untersuchung erforderlich.
  3. Leptospirose (Weil-Syndrom) – Gelbsucht, Fieber, akutes Nierenversagen und Thrombozytopenie deuten stark auf diese Infektion hin. Zusätzlich sind anamnestische Informationen erforderlich.
  4. Thrombotische Mikroangiopathie - Petechien, Gelbsucht und akutes Nierenversagen sind vereinbar, aber das Fehlen von Anämie und Schistozyten im peripheren Blutausstrich macht dies weniger wahrscheinlich.
  5. Schwere Sepsis unbekannter Ursache - Erhöhte Entzündungsmarker stützen diese Hypothese, aber es wurde keine eindeutige Infektionsquelle identifiziert.

Es wurden weitere Informationen eingeholt. Die Serologie auf HAV, HBV und HCV war negativ. Es wurden Informationen über den Kontakt mit Tieren eingeholt. Die Patientin und ihr Ehemann berichteten, dass sich häufig Ratten in der Nähe ihres Hauses aufhielten.

Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?

Wir laden Sie ein, Ihre Lösungsvorschläge zu dieser Kasuistik mit uns zu teilen und zu kommentieren. In der Auflösung erfahren Sie, ob Sie richtig lagen und erhalten Details zur Diagnose sowie zum Therapieverlauf.

Auflösung 

Das medizinische Team der Abteilung für Innere Medizin stellte die Hypothese auf, dass es sich um Leptospirose handelte.

Behandlung und klinischer Verlauf

Anfangstherapie:

  • Fasten und intravenöse Hydrierung;
  • Antibiotika: Ampicillin/Sulbactam 3 g x 4/Tag.
  • Kaliumergänzung und Thrombozytentransfusion.

Nach einigen Stunden war die Patientin verwirrt und desorientiert. Ein Gehirn-CT-Scan schloss akute Ereignisse, insbesondere Blutungen, aus.

Die Patientin entwickelte Hyperpyrexie, Hypotonie und ein akutes Lungenödem. Das EKG zeigte Vorhofflimmern mit einer ventrikulären Frequenz von 160 Schlägen pro Minute. Nach der Verlegung auf die Intensivstation wurde sie erfolgreich mit parenteralen Antibiotika und intensiver Unterstützung behandelt.

Die Serologie bestätigte eine Leptospireninfektion.

Update zu Leptospirose

Leptospirose ist eine Infektionskrankheit bei Tieren und Menschen und die weltweit häufigste zoonotische Infektion. Diese Infektion wird leicht von infizierten Tieren über deren Urin übertragen, entweder direkt oder über infizierten Boden oder Wasser. Leptospirose kann entweder als mild verlaufende, grippeähnliche Krankheit auftreten oder eine deutlich schwerwiegendere Form annehmen. Diese Erkrankung ist als Morbus Weil bekannt und kann zu Multiorganversagen mit Todesfolge führen.

Die klassische Ausprägung des Weil-Syndroms, auch als „Gelbsucht-Leptospirose“ bezeichnet, umfasst Gelbsucht, hämorrhagische Diathese, akutes Nierenversagen und Atemnot. Zudem kann sie das Herz, das zentrale Nervensystem und die Muskulatur betreffen. Die Sterblichkeitsrate korreliert mit dem Vorhandensein eines veränderten mentalen Status, akutem Nierenversagen, Hypotonie und Arrhythmien. Klinische Manifestationen sind sekundär zur Vaskulitis (interstitielle Nephritis, hepatische zentrolobuläre Nekrose, alveoläre Blutungen, Muskelnekrose, Ödeme durch erhöhte Kapillarpermeabilität).

Während die meisten Leptospira-Infektionen beim Menschen asymptomatisch oder paucisymptomatisch verlaufen, können sie in einem kleinen Prozentsatz der Fälle zu schweren Infektionen und potenziell tödlichen Komplikationen führen.

Die Diagnose basiert auf serologischen und PCR-Tests, wie in diesem Fall hervorgehoben. Eine frühzeitige Antibiotikatherapie in Kombination mit einer sorgfältigen Überwachung ist entscheidend für die Senkung der Sterblichkeitsrate.

Schlussfolgerungen

Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung der Berücksichtigung seltener Infektionskrankheiten wie Leptospirose in passenden klinischen Kontexten. Auffällige Merkmale wie Dehydrierung und Petechien in der Mundhöhle können bei der Ausrichtung des diagnostischen Verdachts von entscheidender Bedeutung sein. Die rechtzeitige Behandlung von Komplikationen und eine präzise mikrobiologische Diagnostik sind unerlässlich, um ein positives Ergebnis zu gewährleisten

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