Dass grundsätzlich ein Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte besteht, ist weitgehend geklärt. Als Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch im Gesundheitswesen kommt sowohl das BGB als auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Betracht. Wenn es allerdings darum geht, wer bei Verlangen einer Kopie die hierbei entstandenen Kosten zu tragen hat, wird es komplizierter.
Deutsches Recht:
§ 630g BGB normiert im deutschen Recht die Modalitäten der Einsichtnahme in die Patientenakte. Nach Abs. 1 S. 1 ist den Patientinnen und Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. In Abs. 2 wird das Recht der Patientinnen und Patienten auf eine Kopie der Patientenakte geregelt. S. 2 legt fest, dass die Patientinnen und Patienten die hierbei entstandenen Kosten selbst tragen müssen.
Europäisches Recht
Auch im europäischen Recht wird in Art. 15 Abs. 3 DSGVO ein Recht auf eine Kopie der personenbezogenen Daten und damit auch ein Recht auf die Kopie der Patientenakte geregelt. Laut der europäischen Regeln müssen allerdings lediglich die Kosten weiterer Kopien von den fordernden Personen getragen werden (Art. 15 Abs. 3 S. 2). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die erste Kopie kostenlos sein muss.
Verhältnis der beiden Regelungen
In welchem Verhältnis diese beiden Bestimmungen zueinander stehen, war bislang nicht abschließend geklärt. Lediglich über den Umfang des Auskunftsanspruchs hatte der EuGH bereits entschieden (C-487/21). In diesem Urteil legte er fest, dass eine vollständige Kopie der Patientenakte erfolgen muss, wenn die betroffenen Informationen erforderlich sind, um die Daten unmissverständlich zu verstehen.
Diese Unsicherheit hat der EuGH nun in seinem Urteil abschließend geklärt. Patientinnen und Patienten haben das Recht auf eine kostenlose erste Kopie ihrer Patientenakte. Die hierbei entstandenen Kosten müssen erst bei Anforderung zusätzlicher Kopien selbst getragen werden.
Im Übrigen hat der Grund des Auskunftsverlangen auch keine Relevanz. Das heißt, dass auch wenn es nicht um ein datenschutzrechtliches Interesse, sondern zum Beispiel um die Verwendung der Daten in einem Gerichtsprozess gegen medizinische Fachkräfte geht, darf die Auskunft nicht verweigert werden. Deswegen muss auch keine Begründung des Antrags erfolgen. Es ist lediglich erforderlich, dass legitime Zwecke verfolgt werden.
Der EuGH begründet seine Entscheidung damit, dass die Ärzteschaft als „Verantwortliche“ im Sinne der DSGVO einzuordnen sind. Damit tragen sie dann auch sämtliche Pflichten dieser Gruppe. Etwaige wirtschaftliche Interessen von Praxen oder Krankenhäusern müssten zugunsten des Schutzes der Patientinnen und Patienten zurücktreten.
Das EuGH-Urteil ist ein weiterer Schritt in Richtung klarer Standards für Patientinnen, Patienten und die Ärzteschaft. Durch die Entscheidung für ein Recht auf eine erste kostenlose Kopie der Patientenakte – unabhängig von einer Begründung – wird die Position von Patientinnen und Patienten gestärkt. Das Urteil sorgt aber insgesamt für mehr Transparenz und Rechtssicherheit beider Seiten. Inwiefern dieser Schritt die Sorge von Missbräuchen dieses Rechts rechtfertigt, bleibt abzuwarten. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Meilenstein im Sinne einer ausgewogenen Patientenautonomie und effektivem Datenschutz genutzt wird.
Wichtige Punkte im Überblick: