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Opioidwirkung und Geschlechterunterschiede

Gibt es Wirkunterschiede von Opioiden in der Schmerztherapie bei Mann und Frau? Mit dieser sehr praxisnahen und spannenden Frage setzte sich eine aktuelle Metaanalyse auseinander, welche Frau Dr. Annemarie Uhlig von UroEvidence unlängst auf ihre Wertigkeit prüfte.

Erhalten Frauen geringere Opioid-Dosen?

Gibt es Wirkunterschiede von Opioiden in der Schmerztherapie bei Mann und Frau? Mit dieser sehr praxisnahen und spannenden Frage setzte sich eine aktuelle Metaanalyse auseinander, welche Frau Dr. Annemarie Uhlig von UroEvidence unlängst auf ihre Wertigkeit prüfte. 

Die Metaanalyse von Pisanu et al. schloss insgesamt 27 verwertbare Studien aus dem Zeitraum bis Januar 2019 mit ein. Insgesamt lagen Daten aus 40 Studien mit mehr als 6.500 Patienten und Patientinnen vor. Die Fragen, welche die Forschenden mithilfe ihrer Metaanalyse beantworten wollten, zielten vor allem auf die möglichen Wirkunterschiede von Opioiden bei Männer und Frauen mit akuten, chronischen, sowie Tumor- und Nicht-Tumor-Schmerzen.

Nur schwache bis moderate Evidenz

Insgesamt ist festzustellen, dass die Evidenz für Unterschiede im Ansprechen und der Wirkung von Opioiden bei Männern und Frauen sehr stark von Faktoren wie z.B. dem Alter oder psychischen Vorerkrankungen abzuhängen scheint. Ferner sind viele der derzeit zum Thema erschienenen Studien sehr stark von Bias gefährdet. Selbst die vorliegende Metaanalyse kann nicht ganz frei von einem Bias-Risiko betrachtet werden. So sit bereits die Auswahl geeigneter Studien fehlerbehaftet, lässt sie doch Konferenzbeiträge oder theamtische Abstracts vollkommen aus.

Dennoch fand die Metaanalyse von Pisanu et al. die folgenden im Praxisalltag durchaus relevanten Ergebnisse:

Einordnung dieser Metaanalyse in den Praxisalltag

Frauen und Männer unterscheiden sich nicht nur im Ansprechen auf bestimmte Medikamente, sondern ebenso im Umgang und in Wahrnehmung von Wirkungen und Nebenwirkungen innerhalb des Kontinuums zwischen Nocebo- und Placeboeffekten. Insbesondere die Schmerztherapie ist häufig abhängig von der psychischen Konstitution der Patientinnen und Patienten sowie von deren Einstellung den Schmerzmitteln gegenüber. Selbst das Schmerzempfinden ist eine höchst individuelle Erfahrung, die sich häufig empirischen Daten zu entziehen scheint. Schmerz ist subjektiv, daher ist es wahrscheinlich auch so schwer, die Wirkung von z. B. Opioiden auf die Schmerzwahrnehmung von Frauen und Männern zu untersuchen. Frauen und Männer unterscheiden sich in ihrem Umgang mit Schmerzen und möglichen Schmerzmedikamenten. Das wissen wir aus zahlreichen Studien. Doch, ob es tatsächlich ein geschlechterspezifisches Ansprechen auf bestimmte Medikamente gibt, ist in diesem Bereich noch immer unklar.

Warum das überhaupt wichtig ist? Nun, auch in der Urologie gehören Opioide zu den gern verordneten Schmerzmitteln, z. B. nach größeren operativen Eingriffen oder bei Tumorpatienten und -patientinnen zur Schmerzlinderung. Interessant ist, dass Frauen möglicherweise weniger hohe Opioid-Dosen benötigen, so das Ergebnis dieser Metaanalyse. Allerdings bleibt vorerst unklar, ob dies aus einem besseren Wirk-Ansprechen der Frauen auf Opioide resultiert, oder ob die verordnenden Ärztinnen und Ärzte einfach davon ausgehen, dass Frauen besser auf Opioide ansprechen und daher geringere Dosierungen verschreiben.

Darüber hinaus könnten Frauen die negativen gesundheitlichen Auswirkungen der Opioide möglicherweise als schwerwiegender einschätzen und deshalb "von Natur aus" vorsichtiger dosieren. Dafür spräche unter anderem auch, dass Frauen und Männer sich mit Blick auf den Missbrauch von Schmerzmitteln wie den Opioiden nachweislich unterscheiden, wobei der Substanzmissbrauch bei den Männern in der Regel häufiger auftritt.

In der Urologie untersuchten vor allem Ziegelmann et al. die geschlechtsbezogenen Unterschiede in der Verschreibung von Morphinpräparaten. Diese zeigten, dass Frauen nach urologischen Eingriffen signifikant geringere Dosierungen oraler Opioide bekamen als Männer. Von den opioidnaiven Patienten erhielten Männer bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus deutlich häufiger ein Rezept für Opioide als die Frauen. Insgesamt ist jedoch anzumerken, dass es generell großer klinischer Studien bedarf, um abschließend klären zu können, ob sich die Wirkung von Opioiden geschlechtsspezifisch unterscheidet.

Quelle:
Uhlig A. Gibt es geschlechterspezifische Wirkungsunterschiede in der Schmerztherapie mit Opioiden? Der Urologe 2021: https://doi.org/10.1007/s00120-021-01553-1

Originalarbeit:
Pisanu C  et al., Sex differences in the response to opioids for pain relief: A systematic review andmeta-analysis. Pharmacol Res 2019; 148: 104447. https://doi.org/10.1016/j.phrs.2019.104447