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Herausforderung "COVID-19" in der urologischen Versorgung

In der vergangenen Folge des Uroblogs haben wir uns mit einer Arbeit auseinandergesetzt, welche erste Ergebnisse zu den Auswirkungen verpasster oder verspäteter Vorsorgeuntersuchungen und damit möglicher Krebsdiagnosen während der Pandemie präsentierte. Heute werden wir uns die Situation in der gesamten Breite der Urologie ansehen und dabei neben der klinischen Versorgung ebenso auf die Forschungsarbeit sowie die Lehre in der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie und darüber hinaus eingehen.

In der vergangenen Folge des Uroblogs haben wir uns mit einer Arbeit auseinandergesetzt, welche erste Ergebnisse zu den Auswirkungen verpasster oder verspäteter Vorsorgeuntersuchungen und damit möglicher Krebsdiagnosen während der Pandemie präsentierte. Heute werden wir uns die Situation in der gesamten Breite der Urologie ansehen und dabei neben der klinischen Versorgung ebenso auf die Forschungsarbeit sowie die Lehre in der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie und darüber hinaus eingehen.  

COVID-19 ist längst nicht nur eine Erkrankung der Atemwege, wie wir bereits wissen. Vielmehr sind nahezu alle Organe und Organsysteme des  Menschen von einer Infektion mit SARS-CoV-2 betroffen. Anheftungs- und Infektionsstellen des Virus sind spezielle Moleküle auf der Oberfläche der Zellen, der Rezeptor ACE2 sowie die Proteinase TMPRSS2. Beide Moleküle finden sich vor allem im Lungengewebe, aber beim Mann auch in höherer Dichte in Prostata, Testes sowie in den Nieren. Aufgrund dieser Expressionsmuster und der damit einhergehenden Vulnerabilität urologisch relevanter Organe ist SARS-CoV-2 ebenso in der Urologie relevant.

COVID-19, ein Genderproblem?

Weltweit ist in der aktuellen Pandemie anhand der Daten zu sehen, dass Männer und Frauen zwar gleichermaßen an COVID-19 erkranken können, dass Männer jedoch deutlich häufiger schwer erkranken oder versterben. Ein ähnliches Bild zeigte sich zudem bereits zuvor während des SARS-Ausbruches 2002 und dem MERS-Ausbruch 2012. Auch in diesen beiden Fällen waren Männer schwerer betroffen.

Darüber hinaus wird der Rezeptor ACE2, der SARS-CoV-2 als Anheftungsstelle dient, beim Mann in höherer Zahl in Lunge und Herz exprimiert, sodass darüber möglicherweise die meist schwereren Verläufe erklärt werden können, so die ExpertInnen. Ferner haben Frauen in der Regel eine robustere und schnellere Immunabwehr als Männer. Hinzu kommt, dass das Testosteron des Mannes sein Immunsystem unterdrückt. SARS-CoV-2 scheit zudem mit einem funktionellen Hyponadismus assoziiert zu sein, der das Infektionsgeschehen weiter verschlechtert. Hingegen zeigten Studien, dass Estrogene die Entzündungen reduzieren sowie die Immunantwort und damit das Überleben verbessern könnten. Belastbare Daten zur Rolle der Hormone während einer COVID-19-Erkrankung gibt es jedoch bisher nicht.

Priorisierung und Umgang mit urologischen Erkrankungen in der Pandemie

Die European Association of Urology (EAU) hatte bereits früh zu Beginn der COVID-19-Pandemie Handlungsempfehlungen erstellt, die es den UrologInnen in Klinik und Praxis erleichtern sollten, PatientInnen priorisieren und dabei auf die veränderten Bedingungen eingehen zu können. Folgende vier Prioritäten wurden erstellt:

Diese Einteilung bringt zudem mit sich, dass vor allem PatientInnen mit hoher Priorität sowie Notfälle notwendigen Operationen unterzogen werden sollen. Für alle anderen sollte möglichst verschoben werden. Daten, welche ein solches Vorgehen rechtfertigen, stammen aus Wuhan, dem Ursprungsgebiet der SARS-CoV-2-Pandemie. Dort zeigte sich, dass selbst symptomlose, SARS-CoV-2-positive PatientInnen postoperativ ein um 20% höheres Mortalitätsrisiko hatten als SARS-CoV-2-negative PatientInnen.

Spezielle Behandlungspläne für urologische Erkrankungen 

Nierenerkrankungen

Die schweren Entzündungsreaktionen in den Lungen haben unter anderem auch Auswirkungen auf die Nieren. ARDS (acute respiratory distress syndrome) ist überdies ein unabhängiger Risikofaktor für akute Nierenschäden. Daher sind PatientInnen mit schwerer Lungeneinschränkung auch nephrologisch zu überwachen.

In Fällen von Nierenzellkarzinomen muss zusätzlich der Nutzen einer Behandlung gegen das mögliche Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 abgewogen werden. Darüber hinaus besteht eine Gefährdung der PatientInnen bei einigen Behandlungsregimen, indem möglicherweise wichtige Nachuntersuchungen oder Interventionen bei Nebenwirkungen verzögert erfolgen. Tumoren im Stadium T3 sollten auch in Pandemiezeiten operativ behandelt werden, niedriggradigere Stadien können auch für einige Zeit verschoben, sollten dann jedoch engmaschig überwacht werden.

Blasenkrebs

Blasenkarzinom-PatientInnen sind in der Regel älter als 65 Jahre und haben daher ein erhöhtes Risiko bei einer COVID-19-Erkrankung beatmungspflichtig zu werden. Um das Risiko für diese PatientInnen zu verringern, sollte beispielsweise eine BCG-Instillation ab Symptomverbesserung nach positivem Befund für SARS-CoV-2 etwa drei Wochen lang ausgesetzt werden.

Prostatakarzinom

Die Prostatektomie sollte den Empfehlungen gemäß in einem COVID-19-freien Umfeld erfolgen, da andernfalls bei Infektion eine postoperative Sterblichkeit von etwa 20% bestehe. Da ein solches Umfeld in der gegenwärtigen Pandemie eigentlich nicht zu gewährleisten ist, bedeutet dies eine Reduktion des Operationsaufkommens wo immer möglich. Gegebenfalls ist je nach Patientenwunsch über eine Strahlenbehandlung nachzudenken.

Urologische Operationen

Allgemein wird derzeit empfohlen, alle operativen Eingriffe bei benignen urologischen Erkrankungen, wie z.B. Inkontinenz, BPH, Infertilität und erektiler Dysfunktion, bis zum Ende der Coronapandemie zu verschieben.

Da es darüber hinaus während unabdingbarer (notwendiger) Operationen zu Aerosolbildung kommen kann, gibt es hierzu besondere Empfehlungen der Vorbereitung und Durchführung:

Einschränkungen bei Training und Forschung

Die praktische Ausbildung des urologischen Nachwuchses ist in vielen Ländern derzeit coronabedingt ausgesetzt. Medizinische Trainingsprogramme und die Lehre wurden vielfach in virtuelle Plattformen verschoben.

Darüber hinaus verändert die aktuelle Pandemie die Forschungslandschaft. Beim ersten Ausbruch verlegten sich zahlreiche Forschergruppen weltweit auf das neue Coronavirus und seine Auswirkungen sowie Therapiemöglichkeiten. Auf dem Gebiet der Impfungen hat sich in diesem vergangenen Jahr so einiges getan und gegenwärtig steht die vierte Vakzine vor ihrer EU-Zulassung. Dennoch erschweren Kontaktbeschränkungen und auch die Angst vieler PatientInnen vor einer Ansteckung den Ablauf klinischer Studien auf anderen Forschungsgebieten.

Fazit

SARS-CoV-2, in all seinen nun immer weiter in den Vordergrund drängenden Mutationsformen, wird die Welt wahrscheinlich noch für eine Weile in Atem halten. In der medizinischen Versorgung bleibt daher der Zustand der Priorisierung ebenfalls weiter bestehen. Aufschiebbare Operationen beispielsweise werden somit weiter nach hinten verlegt. Doch wie weit lassen sich selbst primär nicht überlebensnotwendige Eingriffe verschieben? Welche Langzeitprobleme werden wir durch eine verspätete Diagnostik und Therapie in Zukunft zu lösen haben? Mit diesen und anderen Fragen sowie den Folgen der COVID-19-Pandemie für die Urologie wollen wir uns daher auch in den kommenden Beiträgen des Uroblogs beschäftigen.

Quelle: Jin P et. al., Urol Int 2021; 105: 3–16. DOI: 10.1159/000512880