Rheumatoide Arthritis: Welche Rolle spielt die Ernährung für das Risiko?
Der Verzehr hoch verarbeiteter Lebensmittel ging in großen Studien mit einem höheren RA-Risiko einher. Dies könnte durch entzündliche Prozesse, veränderte Lipidspiegel und Leberenzyme vermittelt sein.
Modifizierbarer Risikofaktor für RA
- Ein vermehrter Konsum hoch verarbeiteter Lebensmittel steht in Verbindung mit einem erhöhten Risiko für Rheumatoiden Arthritis (RA), möglicherweise durch Inflammation, Lipide und Leberenzyme vermittelt1
- Durch den Lebensstil modifizierbare Faktoren (Rauchstopp, Zahngesundheit, körperliche Aktivität und Ernährung) könnten das RA-Risiko verbessern, vor allem durch Veränderungen der Epigenetik, der Autoantikörper, der Zytokinprofile und des Mikrobioms2
RA-Risiko senken: Wenig stark verarbeitete Lebensmittel essen
Hochverarbeitete Lebensmittel (ultra-processed foods, UPF) machen einen immer größeren Teil der Nahrungsaufnahme aus. Laut Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) entfielen bereits Anfang der 2000er-Jahre 50 % der täglich zugeführten Kalorien von Erwachsenen in Deutschland auf solche Nahrungsmittel.3 Bei Kindern ist es tendenziell noch mehr, die 'NHANES' (National Health and Nutrition Examination Survey) 2018 berichtete über 67 %. Neben einem erhöhten Risiko für Übergewicht, Diabetes, Krebs sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch einen übermäßigen Verzehr, wächst auch die Evidenz für einen Zusammenhang mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, wie RA, Multipler Sklerose und entzündlichen Darmerkrankungen.4
Erst kürzlich publizierte Daten von über 207.000 Teilnehmern der ‚UK Biobank‘-Studie zeigen, dass Erwachsene mittleren Alters, die häufig hoch verarbeitete Nahrungsmittel konsumieren, ein höheres Risiko haben, an RA zu erkranken.1,5 Im Vergleich zu jenen mit dem niedrigsten Konsum war das Risiko einer RA-Diagnose um 17 % erhöht. Zu einem Teil scheint dieser Zusammenhang durch RA-spezifische Biomarker vermittelt zu sein. Die Assoziation war unabhängig von Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index, Raucherstatus oder Haushaltseinkommen. Dies steht beispielsweise im Einklang mit den Ergebnissen der 'Nurses’ Health Study', in der ungesundes Essverhalten ebenfalls mit dem Auftreten von RA, insbesondere seropositiver RA, verknüpft war.6
Es gibt immer mehr Erkenntnisse darüber, wie Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer RA bereits in der Prodromalphase, die der klinischen Manifestation der Erkrankung vorausgeht, erkannt werden können. Während diesem „window of opportunity“ könnte das richtige Management von Lebensstilfaktoren (Raucherentwöhnung, Zahngesundheit, Bewegung und Ernährung) die Prognose vermutlich verbessern, vor allem durch Veränderungen der Epigenetik, der Autoantikörper, der Zytokinprofile und des Mikrobioms, resümierte ein Artikel in 'Rheumatology International' Anfang 2024.
Was können wir unseren Patienten mitgeben?
Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Konsens darüber, wie eine ernährungsbedingte Schutzwirkung gegen RA genau aussehen könnte. Ein häufiges Problem in Studien ist, dass pro- und antiinflammatorische Nahrungsmittel nicht klar voneinander getrennt werden, was zu uneindeutigen Ergebnissen führt. Dennoch zeigen einige Untersuchungen, dass das Reduzieren oder Weglassen bestimmter proentzündlicher Lebensmittel – insbesondere hoch verarbeiteter Lebensmittel (UPFs) und zugesetzter Zucker – positive Effekte haben kann. So wurden bei rheumatologischen Erkrankungen bspw. eine Abnahme der Schmerzscores, eine Verringerung der Krankheitsaktivität in den Gelenken, eine Verbesserung der Funktion und besserer Schlaf beschrieben.4,7 Dennoch gibt es weiterhin erheblichen Forschungsbedarf, insbesondere in Bezug auf die Genauigkeit und Standardisierung von Ernährungsinterventionen.
Mit einigen Fehlschlüssen aus früheren Studien wird in diesem Zuge allmählich aufgeräumt. Durch das Gruppieren und Zusammenfassen von Nahrungsmitteln in Auswertungen und Fragebögen könnte es sein, dass manche Nahrungsmittel lange Zeit fälschlich für negative Effekte mitverantwortlich gemacht wurden, die nach heutigem Verständnis eher Zuckern und ungesunden Fetten zuzuschreiben sind. Etwa der häufig in Diätempfehlungen zu findende Sammelbegriff „rotes Fleisch“ ist insofern problematisch, dass er zu pauschal ist. Neuere Untersuchungen unterstreichen, dass es auch hier primär das verarbeitete, rote Fleisch ist (wie Hot Dogs, Wurst und Mittagsmahlzeiten), welches der Hauptverursacher sein könnte.8 Dieses enthält unter anderem besonders stoffwechseldisruptive Zucker (wie Maisstärke, Glukose-Fruktose-Sirup) und ungesunde Fette.
Wichtig wäre auch das Ausklammern transfettreicher Lebensmittel, die in vielen Lebensmitteln versteckt sind und Inflammationen fördern. Dazu zählen beispielsweise „hydrierte Öle“, die unter anderem in Margarine, frittierten Speisen und Chips enthalten sind. Ähnliches gilt für hochraffinierte Samenöle wie Sonnenblumen- oder Rapsöl. Diese können im ungünstigsten Fall bereits vor dem Kauf durch Lichteinwirkung oxidieren insbesondere, wenn sie monatelang in durchsichtigen Plastikverpackungen gelagert wurden, bevor sie dann bei der Zubereitung stark erhitzt werden. In moderaten Mengen sind viele dieser Saatenöle nicht per se gesundheitsschädlich. Problematisch ist jedoch ihre übermäßige Verwendung in der westlichen Ernährung sowie die Art ihrer industriellen Verarbeitung.8,9
Zwei geeignete Einstiegslektüren zu den Grundzügen einer ausgewogenen antientzündlichen Ernährung (keine pauschalen Diätempfehlungen) seien interessierten Lesern an dieser Stelle ans Herz gelegt. Beide sind auch für Patienten geeignet.
- Eine kurze deutschsprachige Zusammenfassung: Uebel U. Antiinflammatorische Ernährung. Uro-News. 2021;25(9):40–3. German. doi: 10.1007/s00092-021-4657-4. Epub 2021 Sep 10. PMCID: PMC8423505.
- Eine von Ärzten für Patienten zusammengestellte englischsprachige Broschüre der Rheumatologie-Abteilung der, die praxisnahe Ernährungsempfehlungen auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse gibt. The Anti-Inflammatory Lifestyle. University of Wisconsin Integrative Health. Abgerufen von http://www.fammed.wisc.edu/integrative.
- Zhao, H. et al. Association of ultraprocessed food consumption with risk of rheumatoid arthritis: a retrospective cohort study in the UK Biobank. Am J Clin Nutr 120, 927–935 (2024).
- Courel-Ibáñez, J. et al. Integrative non-pharmacological care for individuals at risk of rheumatoid arthritis. Rheumatol Int 44, 413–423 (2024).
- Wie wirken stark verarbeitete Lebensmittel auf die Gesundheit? DGE http://www.dge.de/presse/meldungen/2023/wie-wirken-stark-verarbeitete-lebensmittel-auf-die-gesundheit/.