Morphin bei chronischer Atemnot unwirksam Logo of esanum https://www.esanum.de

Chronische Atemnot: Morphin scheint wenig effektiv zu sein

Chronische Atemnot kann quälend sein und stellt eine therapeutische Herausforderung dar. Während bei akuter, schwerer Atemnot Opioide oft Mittel der Wahl sind, ist ihre Wirksamkeit bei anhaltenden Beschwerden fraglich.

Studienlage zu Opioiden bei chronischer Atemnot: 

  • Die Wahrnehmung von Atemnot wird in Gehirnregionen verarbeitet, die reich an Opioidrezeptoren sind. Neuroimaging-Studien weisen auf eine zentrale Modulation hin.
  • Studien im Bewegungslabor mit Belastungstests zeigten unter Opioiden eine Verringerung der Atemnot und eine höhere Belastbarkeit sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Menschen mit chronischer Atemnot.
  • In klinischen Studien zur Morphinbehandlung bei chronischer Atemnot sind die Ergebnisse jedoch widersprüchlich.
  • Aufgrund der geringen Evidenz empfehlen die Leitlinien der European Respiratory Society aus dem Jahr 2024 keine Opioide zur Symptombehandlung bei Menschen mit nicht-malignen Atemwegserkrankungen.

In die Studie wurden 143 Patienten mit vorwiegend chronischen Lungenerkrankungen eingeschlossen und 1:1 randomisiert der Morphin- oder der Placebo-Gruppe zugewiesen. Sie erhielten 56 Tage lang zweimal täglich entweder 5–10 mg eines oral verabreichten, langwirksamen Morphins oder Placebo. Primärer Endpunkt war die selbstberichtete stärkste Atemnot, gemessen anhand einer numerischen 11-Punkte-Bewertungsskala; zu den sekundären Endpunkten zählten körperliche Aktivität, Husten und morphinbedingte Toxizitäten. Zur Erfassung der körperlichen Aktivität trugen die Teilnehmer einen Monitor, der u. a. die durchschnittliche tägliche Schrittzahl aufzeichnete. 

Starke Atemnot durch Morphin nicht gelindert 

Bei insgesamt guter Compliance (88 % in der Morphin-, 99 % in der Placebo-Gruppe) ergaben sich keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des primären Endpunkts der schlimmsten Atemnot. An Tag 28 lag die adjustierte mittlere Differenz auf der numerischen Bewertungsskala bei 0,09 Punkten (95 % KI –0,57 bis 0,75, p = 0,78), an Tag 56 bei –0,26 Punkten (95 % KI –0,93 bis 0,42, p = 0,45). Auch bei den sekundären Endpunkten zeigten sich keine Unterschiede – mit einer Ausnahme: Der Husten war an Tag 56 in der Interventionsgruppe geringer (Morphin 2,53 [1,78–3,28] versus Placebo 3,94 [3,13–4,75]). 

Hinweise auf höhere körperliche Aktivität unter Morphin

Die Zeit, die mit moderater bis intensiver körperlicher Aktivität verbracht wurde, nahm in der Morphin-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe numerisch um etwa zehn Minuten zu, während sich die Zeit im Sitzen um 20 Minuten verringerte. Allerdings waren die Ergebnisse nicht signifikant. In der Morphin-Gruppe traten mehr unerwünschte Ereignisse auf, die jedoch überwiegend leicht waren und nicht im Zusammenhang mit der Behandlung standen. 

Auch wenn die Studie insgesamt negativ ausfiel, sehen die Autoren weiteren Forschungsbedarf, v. a. mit Blick auf die körperliche Aktivität. Da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jede Reduktion von sitzenden Tätigkeiten bei Menschen mit chronischen Erkrankungen befürworte, könnten Opioide hier einen Stellenwert haben. Aktuell sei ihr Einsatz bei Patienten mit chronischer Atemnot jedoch nicht zu empfehlen. 

Quelle

1. Johnson MJ et al. Morphine for chronic breathlessness (MABEL) in the UK: a multi-site, parallel-group, dose titration, double-blind, randomised, placebo-controlled trial. The Lancet Respiratory Medicine 2015; 13(11): 967–977.