Close-Loop-System für Kinder mit Diabetes Typ-1 Logo of esanum https://www.esanum.de

Vorschulkinder mit Diabetes Typ 1 profitieren von Close-Loop-System

Kontinuierlich gemessene Blutzuckerwerte per App selbstständig für die Steuerung einer Insulinpumpe nutzen: Kinder mit Diabetes Typ-1 können von hybriden Close-Loop-System profitieren.

Hohes Hypoglykämie-Risiko bei Kindern mit Diabetes Typ 1

Bei Kleinkindern und Vorschulkindern mit Typ-1-Diabetes lassen sich Essverhalten und Aktivitätsniveau schlecht vorhersehen, sodass der Insulinbedarf stark schwanken kann. Hinzu kommt, dass es in dieser Altersgruppe aufgrund der hohen Insulinsensitivität sehr schnell zu Hypoglykämien kommen kann und die Kinder die entsprechenden Warnsymptome noch nicht selbst richtig interpretieren können. Für die Eltern stellt die Angst vor unbemerkten Hypoglykämien eine hohe Belastung dar – zusätzlich zu den Problemen durch die ständigen Blutzuckerkontrollen und Insulininjektionen. Kleine Kinder mit Typ-1-Diabetes werden daher besonders häufig mit einem Sensor zur kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) und einer Insulinpumpe versorgt.

Von dieser Therapie ist es nur noch ein relativ kleiner Schritt zu Close-Loop-Systemen, bei denen beide Geräte über einen selbstständig arbeitenden Algorithmus zusammengeschlossen werden und die injizierte Insulinmenge an die gemessenen Blutzuckerwerte angepasst wird. Hybrid heißt das System, weil geplante Mahlzeiten dem System immer noch angekündigt werden müssen. 

Europäische Multicenter-Studie bei Vorschulkindern mit Diabetes Typ 1

In der KidsAP02-Studie unter Federführung von Julia Ware von der University of Cambridge wurde ein an ihrer Universität entwickeltes hybrides Close-Loop-System bei 74 Kindern zwischen 1 und 7 Jahren (im Mittel 5,6 Jahre) mit Typ-1-Diabetes im Cross-over-Verfahren an 8 Zentren aus England, Luxemburg, Österreich und Deutschland (Leipzig) getestet. Für jeweils 16 Wochen wurde die für ein Tablet entwickelte App genutzt, danach wurden die Gruppen getauscht. Primärer Endpunkt der Studie war der Anteil der Zeit, in der sich der gemessene Glukosewert in einem Bereich von 70 bis 180 mg/dl bewegte (time in range).

Die Akzeptanz des Systems bei den Eltern war offensichtlich hoch, das System war im Mittel 95% der Zeit eingeschaltet. Dies ging mit einer deutlichen Verbesserung der Glukosekontrolle einher. Mit der App waren die Kinder in 71,6% der Zeit im angestrebten Zielbereich, ohne den Algorithmus nur in 62,9% der Zeit. Der Unterschied von 8,7 Prozentpunkten war hochsignifikant.

Vor allem Hyperglykämien werden bei Kindern mit Diabetes reduziert

Die verbesserte Glukoseeinstellung war vor allem auf eine Vermeidung von Hyperglykämien zurückzuführen – hier lag der Unterschied bei 8,5%-Punkten. Die schärfere Einstellung ging aber nicht, wie oft befürchtet, zulasten vermehrter Hypoglykämien. Die Hypoglykämiezeiten wurden zwar nicht verkürzt, aber auch nicht verlängert (2,6% vs. 2,4% der Zeit < 63 mg/dl, 1,0 vs. 0,9 < 54 mg/dl). Die insgesamt niedrigeren Blutzuckerspiegel wirkten sich erwartungsgemäß auch günstig auf den HbA1c-Wert aus, der von einem Ausgangswert von im Mittel 7,0% auf 6,6% sank. Auch diese Differenz war signifikant.

Bei einem Kind mit Diabetes Typ 1 kam es unter der Close-Loop-Behandlung zu einer schweren nächtlichen Hypoglykämie mit Krampfanfall. Hier stellte sich heraus, dass die Eltern gegen ärztlichen Rat den nächtlichen Zielwert auf 80 mg/dl eingestellt und dann über mehrere Stunden nicht auf den Audioalarm des Glukose-Sensors reagiert hatten.

Die Autoren betonen, dass gerade bei kleineren Kindern mit Diabetes Typ 1 eine gute Blutzuckereinstellung notwendig ist, da das sich noch entwickelnde Gehirn besonders anfällig für Schädigungen ist. Es ist bekannt, dass sich vor allem Hyperglykämien in diesem Alter ungünstig auswirken und mit niedrigeren IQ-Werten im Verlauf assoziiert sind. Vor diesem Hintergrund können auch kleine Verbesserungen der Blutzuckerkontrolle von großer Bedeutung sein. 

Quelle: 
Julia Ware et al; Randomized Trial of Closed-Loop Control in Very Young Children with Type 1 Diabetes; N Engl J Med (2022); 386:209-219; DOI: 10.1056/NEJMoa2111673