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Warum Asthma mit einem niedrigeren Risiko für Hirntumore einhergeht

Bei Kindern mit T-Zell-vermittelten Erkrankungen, einschließlich Asthma, treten weniger Hirntumoren auf. Aktuelle Forschungsergebnisse liefern weitere Hinweise dafür, warum das so ist.

Bei Kindern mit T-Zell-vermittelten Erkrankungen, einschließlich Asthma, treten weniger Hirntumoren auf. Aktuelle Forschungsergebnisse liefern weitere Hinweise dafür, warum das so ist und wie sich dies möglicherweise therapeutisch nutzen ließe. 

Frühere Studien haben wiederholt über einen inversen Zusammenhang zwischen atopischen Erkrankungen (Ekzem, Heuschnupfen, Nahrungsmittelallergien, Asthma) und dem Risiko für ZNS-Tumoren berichtet.1–3 Bislang war jedoch wenig darüber bekannt, was kausal hinter dieser Assoziation steckt. Aktuell in der Fachzeitschrift 'Nature Communications' erschienene Forschungsergebnisse der Washington University School of Medicine legen sich nun fest: zentral ist das Verhalten der T-Zellen.4,5

Was in den Atemwegen für Probleme sorgt, könnte im Kontext von Hirntumoren nützlich sein

Untersuchungen an Mäusen führten die Wissenschaftler zu der Entdeckung, dass aktivierte T-Zellen, wie sie bei Asthma in der Lunge Inflammation auslösen, Hirntumoren verhindern könnten.
Aufbauend auf ihren Arbeiten der vergangenen Jahre, die auf eine kritische Rolle von Immunzellen für die Entwicklung von Optikusgliomen hindeuteten6, nahm sich die Gruppe nun des Zusammenhangs speziell zu Asthma an. Mäuse mit einer Mutation im NF1-Gen (Neurofibromatose Typ 1), welche normalerweise bei 95% der Tiere bis zum Alter von drei Monaten zur Entstehung eines Optikusglioms führt, exponierten sie hierfür gegenüber Reizstoffen, die Asthma induzieren (Ovalbumin, Hausstaubmilben), während die Kontrollgruppe Salzwasser erhielt. Diese Exposition fand im Alter von vier bis sechs Wochen statt und das Asthma wurde per histologischer Analyse des Lungengewebes bestätigt. Bei den Asthma-Mäusen waren nach drei und sechs Lebensmonaten keine Hirntumoren nachweisbar.

Eines der auffälligsten Charakteristika, welches die T-Zellen der asthmatischen Mäuse von den Kontrollen unterschied, war deren Freisetzung von Decorin. Dieses Proteoglykan ist in der Asthmaforschung sehr bekannt, denn seine veränderte Ablagerung in den Wänden der Atemwege von Asthmatikern wirkt sich auf die Atemwegsmechanik aus und exazerbiert Asthmasymptome. Was für das respiratorische System negativ ist, scheint aber andernorts dienlich zu sein. So ist unter anderem ein antifibrotischer Effekt von Decorin auf verschiedene Organe, auch außerhalb der Lunge, beschrieben. Die Autoren der aktuellen Studie entdeckten eine weitere, neue positive Wirkung: für das Gehirn ist Decorin vorteilhaft, weil es die Aktivierung von Mikroglia blockiert, indem es den Signalweg zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB stört. Aktivierte Mikroglia-Zellen fördern ansonsten Entwicklung und Wachstum von Hirntumoren.

Dieser Mechanismus war auch separat nachweisbar. Die Gabe von Decorin oder Kaffeesäurephenethylester (die beide den Aktivierungsweg von NF-κB hemmen) schützte die für Tumoren prädestinierten NF1-mutierten Mäuse vor der Entstehung von Optikusgliomen.

Was wir von diesen T-Zellen für andere Erkrankungen lernen könnten

Die Induktion eines Asthmas mit seinen potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen wäre natürlich nicht erstrebenswert, betonen die Forscher. Doch T-Zellen bei Hirntumorpatienten so umzuprogrammieren, dass sie sich eher wie T-Zellen von Asthmapatienten verhalten bzw. die Mikroglia-Aktivierung anderweitig zu unterbinden, könnte ein neuer therapeutischer Ansatz sein.

Im nächsten Schritt wollen sie herausfinden, ob dies auch für andere Arten von Hirntumoren gilt und ob eine ähnliche Rolle für weitere TZell-vermittelte systemische Erkrankungen zu beobachten ist, wie das atopische Ekzem, Diabetes Typ 1, rheumatoide Arthritis und frühkindliche Infektionen. Vorstellbar wäre, dass diese Zustände durch überlappende oder verwandte Mechanismen ebenfalls einen Einfluss auf die Gliomgenese haben.

"In dem Maße, wie wir diese Kommunikation zwischen T-Zellen und den Zellen, die Hirntumoren fördern, besser verstehen, werden wir mehr Möglichkeiten finden, clevere Therapeutika zu entwickeln, die in diesen Prozess eingreifen", ist sich Dr. David H. Gutmann, PhD, Leiter der Forschungsgruppe, Professor für Genetik, Neurochirurgie und Pädiatrie sowie Spezialist für Neurofibromatose, sicher.
Die aktuell publizierten Ergebnisse reihen sich darüber hinaus in eine wachsende Liste von Arbeiten ein, die TLymphozyten mit Hirnfunktionen in Verbindung bringen, darunter Lernen, Sozialverhalten und Neurodegeneration im Kontext von neuronalen Schäden.
Die Aufklärung der molekularen Mechanismen, über die T-Zell-vermittelte Erkrankungen die Hirnfunktion und die Pathogenese neurologischer Erkrankungen beeinflussen, könnte daher auch zu einzigartigen immunmodulatorischen Behandlungsstrategien für neurologische Erkrankungen führen.4,5

Referenzen:
1. Wigertz, A. et al. Allergic conditions and brain tumor risk. Am J Epidemiol 166, 941–950 (2007).
2. Turner, M. C. et al. Allergy and brain tumors in the INTERPHONE study: pooled results from Australia, Canada, France, Israel, and New Zealand. Cancer Causes Control 24, 949–960 (2013).
3. Harding, N. J., Birch, J. M., Hepworth, S. J. & McKinney, P. A. Atopic dysfunction and risk of central nervous system tumours in children. Eur J Cancer 44, 92–99 (2008).
4. How asthma reduces risk of brain tumors – BioNews Central. https://bionewscentral.com/how-asthma-reduces-risk-of-brain-tumors/.
5. Chatterjee, J. et al. Asthma reduces glioma formation by T cell decorin-mediated inhibition of microglia. Nat Commun 12, 7122 (2021).
6. Guo, X., Pan, Y. & Gutmann, D. H. Genetic and genomic alterations differentially dictate low-grade glioma growth through cancer stem cell–specific chemokine recruitment of T cells and microglia. Neuro-Oncology 21, 1250–1262 (2019).