Frauen reagieren stärker mit Nebenwirkungen auf Krebstherapien Logo of esanum https://www.esanum.de

Nebenwirkungen in der Onkologie: Welche Rolle spielt das Geschlecht?

Frauen und Männer unterscheiden sich in Art und Ausprägung der Nebenwirkungen bei der Chemotherapie. Wenige Studien haben geschlechtsspezifische Reaktionen auf andere Tumorbehandlungen wie Immuntherapien untersucht.

Daten zu Nebenwirkungen aus 30 Jahren und mehr als 200 Studien 

Eine aktuelle US-amerikanische Arbeit blickte erstmals auf die geschlechtsabhängigen Unterschiede in Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen nach Immuntherapie oder zielgerichteter Tumortherapie. Insgesamt flossen die Daten von 23.296 Patientinnen (n= 8.838) und Patienten (n = 14.458) aus 202 Studien im Zeitraum zwischen 1989 und 2019 in die Auswertungen ein.

Von den Studienpatienten erhielten 17.417 Personen eine Chemotherapie, 2.319 eine Immuntherapie sowie weitere 3.560 Personen eine zielgerichtete Therapie. In Summe traten über alle Behandlungen hinweg 274.688 unerwünschte Wirkungen auf.

Frauen haben ein höheres Risiko für schwere Nebenwirkungen

In rund 65% aller Fälle (n = 15.051) kam es im Verlauf der Behandlungen zu schweren Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher. Interessant ist, dass Frauen im Vergleich zu Männern dabei ein etwa 34% höheres Risiko (OR = 1,34; 95%-KI: 1,27–1,42; P < 0,001) für schwere Nebenwirkungen hatten, inklusive eines um 49% höheren Risikos beim Einsatz von Immuntherapien (OR = 1,49; 95%-KI: 1,24–1,78; P < 0,001).

Frauen hatten darüber hinaus bei allen Behandlungen ein erhöhtes Risiko für schwere symptomatische Nebenwirkungen, insbesondere jedoch bei der Immuntherapie (OR = 1,66; 95%-KI: 1,37–2,01; P < 0,001). Ferner traten bei Frauen, die eine Chemotherapie oder Immuntherapie erhielten, vermehrt schwere hämatologische Nebenwirkungen auf. Für nicht-hämatologische Nebenwirkungen fanden sich hingegen keine statistisch signifikanten Geschlechterunterschiede.

Was bedeuten diese Ergebnisse für die onkologische Praxis?

Das bei Frauen erhöhte Risiko für schwere symptomatische sowie hämatologische Nebenwirkungen lässt darauf schließen, dass es signifikante Geschlechterunterschiede in der Toxizität und Wirkung konservativer onkologischer Therapien gibt.

Solche Unterschiede könnten Einfluss haben auf die Pharmakokinetik, den Medikamentenstoffwechsel ebenso wie auf Dosierungen und Therapie-Adhärenz. Vor allem die starken Geschlechterunterschiede und die damit bei Frauen im Zusammenhang stehenden Nebenwirkungen der modernen Immuntherapien verlangen nach mehr Beachtung in zukünftigen Studien. Bis dahin sollten Männer und Frauen auch in der Therapieplanung und Risikoberatung über diese möglichen Unterschiede aufgeklärt werden.  

Quelle:
Unger JM et al., Sex Differences in Risk of Severe Adverse Events in Patients Receiving Immunotherapy, Targeted Therapy, or Chemotherapy in Cancer Clinical Trials. J Clin Oncol 2022.