Können konventionelle Rheuma-Medikamente das Risiko einer Demenzerkrankung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis halbieren? Daten einer großen Kohortenstudie deuten darauf hin und bescheinigen insbesondere Methotrexat ein ausgeprägtes protektives Potenzial.
An dieser Stelle ausführlich darauf einzugehen, dass die Rheumatische Arthritis (RA) eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung ist, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Dass neben den Gelenken auch andere Organe und Strukturen wie das Herz, die Lunge und die Blutgefäße von den Entzündungsprozessen betroffen sind, ist dagegen eine nähere Betrachtung wert. Denn hierdurch veranschaulicht die RA eindringlich die negativen Auswirkungen einer systemischen Entzündung.
Ebenso wie bei der RA weisen Biomarker aber auch bei Demenzerkrankungen auf ein entzündliches Geschehen hin. Dabei sind verschiedene Entzündungsmarker wie der Tumor-Nekrose-Faktor-(TNF)-alpha, die Interleukine-6 und 12, Endothelin-1 und Resistin bei beiden Krankheitsbildern erhöht. Bei RA-relevanten Zytokinen wie dem TNF-alpha besteht zudem eine Assoziation zwischen der Höhe der Serumspiegel und der Progression von Demenzerkrankungen.
Die im Rahmen der RA-Therapie eingesetzten krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Medikamente (cDMARDs) kontrollieren die Krankheitsaktivität, vermindern das Ausmaß der Gelenkerosionen und verbessern die Lebensqualität der Patienten. Methotrexat (MTX) reduziert außerdem die Rate kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit RA. Demnach könnten cDMARDs auch vor Demenzerkrankungen schützen und möglicherweise therapeutisch wirksam sein, wenn Entzündungsprozesse eine Rolle spielen.
Inwieweit eine solche Assoziation zwischen der Einnahme von cDMARDs und der Demenzentwicklung besteht, untersuchten die Autoren der vorliegenden Publikation an einer großen Kohorte von Patienten mit neu diagnostizierter RA. Sie waren in der Datenbank "UK Clinical Practice Research Datalink" registriert, die mit 6,5 Millionen Patienten repräsentativ für die Gesamtbevölkerung des UK ist.
Im Zeitraum 1995-2011 wurden 11.772 Patienten mit inzidenter RA identifiziert, von denen 8.312 (71%) zu cDMARD-Anwendern wurden. Ihr Anteil stieg von 1995 bis 2009 von 63,5% auf über 80% an. Die cDMARD-Anwender waren zum Zeitpunkt der RA-Diagnose jünger, rauchten häufiger und konsumierten regelmäßiger Alkohol, hatten aber weniger Komorbiditäten. Nach Bereinigung für entsprechende Einflussfaktoren konnten schließlich 3.876 cDMARD-Anwender und 1.938 dazu passende Nicht-Anwender in die Auswertung einbezogen werden. Von den cDMARD-Anwendern erhielten 61% MTX und 39% ein anderes cDMARD.
Demenzerkrankungen waren mit einer Häufigkeit von 2% innerhalb der 15 Jahre ein seltenes Ereignis. Aufgrund der großen Patientenzahl konnte dennoch ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachgewiesen werden. Für cDMARD-Anwender ergab sich gegenüber den Nicht-Anwendern nach fünf Jahren ein Demenzrate von 0,5% versus 1,6%. Nach 15 Jahren betrug der Unterschied 1,5% versus 3,0% (HR: 0,60; 95% CI: 0,42-0,85). Erstmals war ein signifikanter Unterschied nach drei Jahren erkennbar. Der Effekt war unabhängig von der Einnahme nicht-steroidaler Antirheumatika wie Ibuprofen, das sich nach Daten einer Kohortenstudie positiv auf die kognitiven Fähigkeiten auswirkt.
Den stärksten protektiven Effekt zeigte MTX (HR: 0,52; 95% CI: 0,34-0,82), das nur in relativ geringen Mengen die Blut-Hirn-Schranke penetriert. Dennoch kann es im Gehirn eine therapeutische Wirkung entfalten, nachdem es zum Beispiel auch bei bestimmten Hirntumoren wirksam ist. Ob die in der Rheumatherapie eingesetzten MTX-Dosierungen für eine zentrale Wirksamkeit ausreichen oder ob der Schutz vor Demenzerkrankungen auf einer peripheren Wirkung beruht, lässt sich nicht sagen. Bei der Alzheimer-Demenz gibt es aber zunehmend Hinweise auf eine Beteiligung peripherer Entzündungsprozesse.
Angesichts ihrer Ergebnisse regen die Autoren der Publikation randomisierte, kontrollierte Studien an, um das therapeutische Potenzial von cDMARDs bei Demenzerkrankungen zu prüfen. Außerdem schlagen sie vor, ihre eigenen Ergebnisse in weiteren großen Kohortenstudien zu überprüfen.
Referenz:
Judge A, Garriga C, Arden NK, et. al. Protective effect of antirheumatic drugs on dementia in rheumatoid arthritis patients. Alzheimers Dement (NY) 2017; 3: 612-621.