Zwischen 1990 und 2016 hat sich die Zahl der Parkinson-Patienten mehr als verdoppelt. Eine Momentaufnahme.
Neurologische Erkrankungen stellen mittlerweile die weltweit führende Ursache für Behinderung dar. Eine kürzlich im Lancet Neurology erschienene Analyse der Global Burden of Disease Study (GBD) 2016 zeigt, dass mit der Alterung der Bevölkerung auch neurodegenerative Erkrankungen zunehmen – so hat sich die Zahl der Parkinson-Patienten in den letzten 25 Jahren mehr als verdoppelt.1,2
In der Global Burden of Disease Study (GBD) 2015 war Parkinson die Erkrankung mit den am schnellsten wachsenden Zahlen für Prävalenz, Behinderung und Todesfälle. Im Jahr 2016 lebten 6,1 Mio. Menschen weltweit mit M. Parkinson. Zum Vergleich: 1990 waren es noch 2,5 Mio. Die Erkrankung war 2016 für 3,2 Mio. behinderungsbereinigte Lebensjahre (Disability-adjusted life-years, DALYs) und über 211 Tsd. Todesfälle verantwortlich.1 Männer sind, beginnend mit dem 50. Lebensjahr, etwa 1,4 Mal so häufig betroffen wie Frauen.
Der Anstieg in den vergangenen 25 Jahren ist jedoch nicht ausschließlich der zunehmenden Anzahl älterer Menschen geschuldet, denn auch die alterskorrigierte Prävalenz ist um 22 % gestiegen. Alter gilt zwar weiterhin als wichtigster Risikofaktor, doch in bestimmten geographischen Regionen schreiben die Autoren der zunehmenden Industrialisierung ebenfalls eine Rolle zu. Industrielle Chemikalien und Schadstoffe, wie Pestizide, Lösungsmittel und Metalle scheinen mit einem erhöhten Risiko einherzugehen. Während ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt ansonsten oft mit einem schlechteren Gesundheitszustand assoziiert ist, liegt die Parkinson-Prävalenz gerade in den entwickelteren Ländern tendenziell höher.1 So zeigt bspw. China, welches seit 1990 ein rapides industrielles Wachstum durchlebt hat, den weltweit größten Anstieg der alterskorrigierten Parkinson-Prävalenz.
Für die höheren Zahlen könnten außerdem Änderungen der Kodierverfahren sowie bessere Qualität von Studien und diagnostischen Möglichkeiten eine Rolle spielen, sodass inzwischen mehr Patienten diagnostiziert werden und genauere Schätzungen möglich sind als etwa noch 1990.
Mit steigender Lebenserwartung und Alterung der Bevölkerung wird die Zahl der von M. Parkinson Betroffenen weiter zunehmen, ebenso wie die Krankheitsdauer, was zu einem höheren Anteil von Patienten in fortgeschrittenen Stadien führen wird. Um dem zu begegnen, bedarf es dringend effektiveren Therapien als den aktuell verfügbaren sowie weiterer Forschung, um Strategien zur Primärprävention ausfindig zu machen, die sich an den zugrunde liegenden Ursachen ausrichten (z. B. Steigerung der körperlichen Aktivität früher im Erwachsenenalter, Senkung der Exposition gegenüber Pestiziden).1,3,4
Wenn die hier berichtete Verdoppelung der Anzahl von Parkinson-Patienten zutreffend ist und von anderen Studien bestätigt wird, können wir davon ausgehen, dass sich der Trend in den kommenden 30 Jahren fortsetzt. Dies entspräche 12 Mio. Patienten im Jahr 2050, wenn man sehr konservativ nur bei dieser Verdoppelung bliebe. Wenn jedoch die demographischen Trends fortbestehen, die medizinische Versorgung die Lebenserwartung weiter verbessert und Umwelt- und soziale Risikofaktoren stabil bleiben oder zunehmen, wird diese Zahl nicht ausreichen.2
Die Autoren weisen allerdings darauf hin, dass diese Annahmen aus teils unvollkommenen Daten generiert sind. Schätzungen aus GBD‑Studien können von Jahr zu Jahr schwanken, da Methoden und statistische Modelle ständig verbessert werden. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen fehlt es an Studien hoher Qualität und es ist nicht ausgeschlossen, dass die tatsächlichen Zahlen hierdurch verzerrt oder unterschätzt werden.1
Nach dem eben Gesagten scheint es wichtiger denn je, Menschen für diese Erkrankung zu sensibilisieren und deren Wahrnehmung in der Bevölkerung zu verbessern. Abschließen möchten wir daher heute mit einigen Gedanken eines Mannes, der bereits seit seinem 39. Lebensjahr mit der Erkrankung lebt und zu einer Art "Botschafter" – u. a. der Deutschen Parkinson Gesellschaft und der britischen Parkinson's Disease Society – geworden ist: David Plummer. Er ist ein international erfolgreicher Wildtier-Photograph, dessen Arbeiten immer wieder in hochrangigen Publikationen erscheinen. In diesem Video spricht er offen über den Umgang mit der Parkinson-Erkrankung und seine Passion für Natur und Photographie, die vielleicht eine Motivation und Brücke für andere sein kann.
Er sagt, die Erkrankung mache es ihm zwar schwerer, die Kamera ruhig zu halten und bremse ihn daher, aber sie habe seine Arbeit andererseits auch beschleunigt. Er will nichts aufschieben, weil er nicht weiß, wie lange er diese Dinge noch tun kann.5
Weiterführende Studienreviews, Journal Clubs, CME-Webinare oder Kongressberichterstattung aus der Welt der Neurologie finden Sie im esanum Themenspecial.
Referenzen:
1. Dorsey, E. R. et al. Global, regional, and national burden of Parkinson’s disease, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. The Lancet Neurology 17, 939–953 (2018).
2. Rocca, W. A. The burden of Parkinson’s disease: a worldwide perspective. The Lancet Neurology 17, 928–929 (2018).
3. Pezzoli, G. & Cereda, E. Exposure to pesticides or solvents and risk of Parkinson disease. Neurology 80, 2035–2041 (2013).
4. Tanner, C. M. & Comella, C. L. When brawn benefits brain: physical activity and Parkinson’s disease risk. Brain 138, 238–239 (2015).
5. #FotosMitWahrerGröße präsentiert von HUAWEI und der Deutschen Parkinson Gesellschaft - YouTube. Available at: https://www.youtube.com/watch?v=UkOAwVSnzFA. (Accessed: 22nd November 2018)