Morbus Alzheimer – Ernährung
Auch wenn bisher keine gesicherten Daten aus prospektiven existieren, die belegen, dass bestimmte Nahrungsmittel Demenzen verhindern oder lindern können, so sind sich doch alle Neurowissenschaftler einig, dass neben der gesunden sportlichen Lebensweise (mit ausreichend Schlaf) auch die Ernährung einen wesentlichen Beitrag leisten kann, dass unser Gehirn beschützt wird.
Auch wenn bisher keine gesicherten Daten aus prospektiven existieren, die belegen, dass bestimmte Nahrungsmittel Demenzen verhindern oder lindern können, so sind sich doch alle Neurowissenschaftler einig, dass neben der gesunden sportlichen Lebensweise (mit ausreichend Schlaf) auch die Ernährung einen wesentlichen Beitrag leisten kann, dass unser Gehirn beschützt wird. Nicht erst die „Nonnenstudie“ zeigte, dass eine gesunde Lebensweise und die sprachliche und emotionale Kompetenz in der Jugend einen Einfluss auf die kognitive Leistung im Alter hat [1]. Zudem zeigte diese Studie ja auch, dass Folsäure den Verlust von Nervenzellen verhindern kann [2]. Daher wird vor allem zu Vorbeugung eine ausgewogene und Vitaminreiche Ernährung empfohlen. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass mit zunehmendem Alter auch das Risiko für Vitaminmangelzustände deutlich zunimmt. Auch wenn ein Zusammenhang bisher vor allem für Folsäure und einige E Vitamine gezeigt wurde [2, 3], so ist nicht auszuschließen, dass ein Zusammenhang mit anderen Hypovitaminosen an bisher nur nicht dokumentiert werden konnte. Für zahlreiche pflanzliche Moleküle gibt es ausreichend experimentelle und klinische Daten, die eine Empfehlung in Hinsicht auf Prophylaxe und Einnahme nach Diagnosestellung gerechtfertigt erscheinen lassen.
- Pflanzenfarbstoffe, Polyphenole
Grüner Tee enthält zahlreiche Polyphenole, von denen das Epi-Gallo-Catechin-3-Gallat (EGCG) am besten untersucht ist [4]. EGCG kann sehr effektiv Fibrillen- und Aggregatbildung des Amyloids und auch des Tau-Proteins hemmen [5, 6]. Diese Ablagerungen spielen für die Entstehung der Demenzen und insbesondere der Alzheimer-Erkrankung eine große Rolle. Diese Wirkung führte bereits zu einer Reihe von klinischen Studien. Bei Patienten mit einer familiären Amyloidose, die Herz und Gefäße betrifft und ebenfalls mit diesen Eiweiß-Ablagerungen einhergeht, stellt EGCG den bisher einzig effektiven Therapieansatz dar [7]. Zudem hat EGCG wie auch andere Polyphenole gute antioxidative Eigenschaften und kann daher toxische reaktive Substanzen neutralisieren.
Resveratrol, ein anderes Polyphenol, welches besonders in roten Weintrauben vorkommt, kann ebenso wie EGCG Amyloid-Ablagerungen verringern [8]. Darüberhinaus kann Resveratrol aber zusätzlich die Azetylcholin-Esterase hemmen [9], die ß-Sekretase inhibieren [10] und die Autophagie stimulieren [11]. In einer klinischen Studie mit Resveratrol konnte der Amyloid-Gehalt im Nervenwasser normalisiert, einzelne kognitive Funktionen verbessert und die Entzündung bei Patienten mit Alzheimer-Erkrankung reduziert werden [12].
Ein weiteres wichtiges Polyphenol ist das Quercetin. Auch diese Substanz kann das Gehirn vor Amyloid-Fibrillen schützen [13]. Ähnlich wie Resveratrol sind auch Wirkungen auf die Autophagie und als Antioxidans beschrieben. Zusätzlich hat Quercetin aber sehr potente entzündungshemmende Wirkungen [14]. Synergismen der Polyphenole können genutzt werden, um die Bioverfügbarkeit zu verbessern und zusätzlich die Effektivität zu steigern. Zusammen mit den zahlreichen experimentellen Daten, die antioxidative Effekte und einen Abbau des Proteinablagerungen durch EGCG und auch andere Flavonoide nahelegen, scheint es gerechtfertigt, den regelmäßigen Genuss dieser Pflanzenfarbstoffe zu empfehlen.
- Vitamine
Vitamin B1 kommt vor allem in Getreide, Fisch und Milch vor. Insbesondere bei älteren Menschen ist ein Mangel häufig und führt allein zu kognitiven Defiziten. Vitamin B1 ist zu Energiegewinnung wichtig. Eine Vergiftung mit Vitamin B1 ist nicht möglich. Erstaunlicherweise kann ein Vitamin B1 Mangel bei Tieren allein zur Ablagerung von Amyloid führen [15], was wahrscheinlich durch eine Stimulation der ß-Sekretase vermittelt wird [16]. Daher sollte ein Vitamin B1 Mangel bei Patienten mit Morbus Alzheimer unbedingt vermieden werden.
Vitamin B2 ist in Nüssen, grünem Gemüse, Fleisch, Eiern und Milch enthalten. Auch ein Mangel an Vitamin B2 ist bei älteren Menschen häufig. Es wird ebenso wie Vitamin B1 zur Energiegewinnung benötigt. Ein Mangel führt zu Haut- und Schleimhautentzündungen, Muskelschwäche und einer Störung der peripheren Nerven. Das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen scheint durch den Mangel an Vitamin B2 zu steigen [17].
Vitamin B3 kommt in Fleisch, Eiern, Fisch und Hefe vor. Eine Mangel scheint seltener zu sein. Dieser kann aber zu Gedächtnisstörungen und Depressionen führen. Es ist essentiell für Energiegewinnung und Fettsäurestoffwechsel. Zusätzlich hat Vitamin B3 einen Effekt auf die Autophagie (Müllabfuhr der Zellen). Es gibt zahlreiche experimentelle Daten, die einen neuroprotektiven Effekt dieses Vitamins nachweisen konnten.
Vitamin B6 kommt fast in allen Nahrungsmitteln vor. Ein isolierter Mangel scheint selten zu sein. Auch der Vitamin B6 Mangel führt zu zentralnervösen Symptomen.
Folsäure (Vitamin B10) wird in Hülsenfrüchten, Getreidekeimen und Hefe nachgewiesen. Es ist wichtig für die Zellteilung (DNA-Replikation) und Blutbildung. Ein Mangel ist gerade bei älteren Patienten häufig. Dieser führt dann nicht nur zur Blutarmut sondern auch zu einer Schädigung des Rückenmarks. Folsäure-Spiegel korrelieren mit kognitiven Leistungen und die Substitution kann zu einer Besserung des Gedächtnisses führen [18]. Die Korrelation von Folsäure-Mangel und Verlust von Nervenzellen wurde bereits oben im Rahmen der „Nonnenstudie“ erwähnt.
Vitamin B12 wird nur von Bakterien gebildet. Bei älteren Menschen ist ein Mangel sehr häufig und führt zu Gedächtnisstörungen sowie Schäden von Rückenmark und peripheren Nerven. Parallel zur Folsäure korrelieren die Spiegel mit kognitiven Leistungen und die Substitution kann zu einer Besserung des Gedächtnisses führen [18].
Vitamin C kommt vor allem in Obst, Gemüse, grünem Tee vor. Mehr als die Hälfte aller älteren Menschen haben einen Vitamin C Mangel. Der Mangel an Vitamin C führt zu Blutungen und einer gestörten Wundheilung (Dekubitus). Es wirkt vor allem als Antioxidans und Kofaktor für Steroide. Die Bioverfügbarkeit ist gering und wird aber durch die Zugabe von Flavonoiden/Polyphenolen gesteigert, weswegen letztere auch als P-Vitamine (Permeabilitätsfaktor) bezeichnet wurden. Es wird meist zur Stimulation des Immunsystems eingesetzt. Experimentelle Studien legen eine neuroprotektive Wirkung nahe [19].
Vitamin D kommt vor allem in Fettfischen vor und muss in der Haut durch Sonneneinstrahlung umgewandelt werden. Mangelzustände sind in Europa weit verbreitet. Diese führen neben dem Abbau von Knochensubstanz auch zu Müdigkeit, Muskelschwäche, Konzentrationsstörungen, epileptischen Anfällen und Abbau von Nervenzellen im Gehirn. Folgerichtig kann eine hochdosierte Ergänzung mit Vitamin D zu Verbesserung von Aufmerksamkeit [20] und Kognition [21] führen.
Vitamin E wird nur von Pflanzen und Cyanobakterien gebildet. Es gibt wenig Daten zu Mangelzuständen. Diese dürften aber nicht selten sein. Diese können zu trockener und faltiger Haut aber auch Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Stimmungsschwankungen führen. Vitamin E wirkt vor allem als Antioxidans. Immerhin konnte eine Therapie mit hochdosiertem Vitamin E die Zunahme der Pflegebedürftigkeit bei Patienten mit Morbus Alzheimer eindämmen [3].
Vitamin H kommt vor allem in Innereien, Eiern und Hefe vor. Mangelzustände kommen vor allem durch den Verzehr roher Eier vor, da das Avidin Biotin bindet. Dies kann zu Müdigkeit, Verwirrtheit und Gereiztheit sowie Blutarmut und Immunschwäche führen. Es ist wichtig für Eiweiß-, Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Daten zur Substitution sind nicht bekannt.
Die epidemiologischen Daten zu dem Verhältnis von Hypovitaminosen und Demenzen sind erstaunlich rar. Andererseits sind Mangelzustände in der älteren Bevölkerung sehr häufig und gehen nicht selten mit kognitiven Defiziten einher. Also sollten diese Mangelzustände schon allein wegen der möglichen Verschlechterung der Symptomatik der Patienten mit Demenzen vermieden werden.
- Ungesättigte Fettsäuren
Die Omega-3-Fettsäuren sind ungesättigte Fettsäuren. Sie sind lebensnotwendig und können vom Körper nicht selbst hergestellt werden. Es ist wenig überraschend, dass Menschen, die viel Fisch essen, auch ein geringes Risiko für ein Nachlassen der Gedächtnisleistung haben [22]. Die Einnahme dieser Fettsäuren senkt somit auch das Risiko, an Morbus Alzheimer zu erkranken. Omega-3-Fettsäuren können ähnlich wie die Polyphenole Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn abbauen [23]. Omega-3-Fettsäuren können die Wirkung der Polyphenole und deren Bioverfügbarkeit steigern, da die Resorption dieser Substanzen durch Fette verbessert wird.
- Azetylcystein (ACC, NAC) ist eine abgewandelte Aminosäure, die bei Atemwegserkrankungen als Hustenlöser eingesetzt wird. Wichtig ist Azetylcystein auch in der Behandlung bedrohlicher Leberschädigungen durch Schmerzmittel (Paracetamol). Hier konnte gezeigt werden, dass NAC selbst auch in höchsten Dosen keine schädliche Wirkung hat. NAC wirkt antioxidativ und somit neuroprotektiv. Für diese schützende Wirkung auf Nervenzellen scheinen verschiedene Wirkweisen verantwortlich zu sein. In einer klinischen Studie mit einer Beobachtungszeit von 6 Monaten konnten signifikante Unterschiede zu Gunsten von NAC bei einer Subgruppe von kognitiven Tests beobachtet werden [24]. Andere Studien wurden abgeschlossen. Die Daten liegen aber noch nicht vor (clinicaltrials.gov).
- Glycyrrhiza Glabra
Die Wurzel der Süßholzpflanze (Glycyrrhiza glabra) enthält mehrere Substanzen, die seit Jahrhunderten medizinisch verwendet werden. Ob die Einnahme dieser Wurzel eine prophylaktische oder therapeutische Wirkung hat, ist bisher wenig untersucht. Allerdings konnte in Tiermodellen bereits eine Wirkung auf kognitive Defizite und die Amyloid-Toxizität beschrieben werden [25, 26]. Neue Ergebnisse belegen, dass Glycyrrhizinsäure auch ein Eiweiß neutralisiert, das von Entzündungszellen im Gehirn sezerniert wird [27].
- Taurin
Taurin ist ähnlich wie Azetylcystein eine Aminosäure, die für die Entwicklung des Gehirns wichtig ist. Taurin ist im Nervenwasser von Patienten mit Morbus Alzheimer vermindert. Insbesondere in Kombination mit Koffein kann Aufmerksamkeit und Konzentration verbessern. Darüberhinaus kann Taurin ebenfalls die Amyloid-Aggregation verringern [28] und hat zudem antioxidative Eigenschaften. In Tiermodellen der Alzheimer-Erkrankung kann Taurin kognitive Defizite bessern [29, 30].
Insgesamt gibt es also zahlreiche pflanzliche Substanzen, die an verschiedenen Mechanismen der Degeneration dopaminerger und anderer Neurone beschützend eingreifen können.
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