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Morbus Alzheimer – Epidemiologie und Früherkennung

Der Morbus Alzheimer ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Anzahl der Erkrankten in der Bevölkerung ist stark vom Alter abhängig. Daher wird die Zahl der Patienten auch mit zunehmender Überalterung der Gesellschaft zunehmen.

Der Morbus Alzheimer ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Anzahl der Erkrankten in der Bevölkerung ist stark vom Alter abhängig. Daher wird die Zahl der Patienten auch mit zunehmender Überalterung der Gesellschaft zunehmen. In 2015 wurde die Zahl der weltweit betroffenen Patienten mit 47,5 Millionen Menschen angegeben. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass in 2030 etwa 75 Millionen und in 2050 135 Millionen Menschen betroffen sein werden [1]. Etwa 7,7 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr (Asien 3,6 Millionen, Europa 2,3 Millionen, Nord- und Südamerika 1,2 Millionen und Afrika 0,5 Millionen)[1]. Die Kosten wurden 2010 auf ca. 600 Milliarden US$ geschätzt. Dabei mussten Europa und Nordamerika allein 70 % dieser Kosten tragen [1]. Mit der Steigerung der Prävalenz werden auch die Kosten exponentiell zunehmen. Daher wird die Alzheimer-Erkrankung auch als Epidemie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Männer und Frauen scheinen relativ gleich betroffen zu sein. Durchblutungsstörungen (vaskuläre Demenz), die ebenfalls zu Gedächtnisstörungen beitragen können, sind bei Männern etwas häufiger [2].

Häufig werden die Begriffe Morbus Alzheimer und Demenz wenig differenziert verwendet. Die Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Nervenzellen, die sich bei allen Demenzen vor allem in Gedächtnisstörungen manifestiert, können aber durch verschiedene Erkrankungen bedingt sein. Allerdings dürften ca. 60 % der Menschen mit Demenz an einer Alzheimer-Erkrankung leiden.

Die kognitiven Defizite der Patienten beginnen oft schleichend und anfangs ist es schwierig, diese von dem „normalen“ Alterungsprozess abzugrenzen. Gedächtnisstörungen sind das zentrale Symptom. Allerdings kommt es auch bei vielen Patienten zu repetitivem Verhalten. Das bedeutet, dass einzelne Handlungen wiederholt werden, ohne dass dies zu einem Ergebnis führt. In der Familie kann auffallen, dass die bisher zugeteilten Aufgaben nicht mehr oder nur mit Schwierigkeiten ausgeführt werden können. Die Wahrnehmung der Defizite oder Verhaltensänderungen führt oft zu einem sozialen Rückzug, was andererseits zu einem Verlust sozialer Kompetenz beitragen kann. Im weiteren Verlauf werden Orientierungsstörungen offensichtlich. Zeit- und Ortsangaben werden ungenau. Andere Patienten entwickeln Schwierigkeiten zu abstrahieren. Je mehr diese Defizite vom Patienten selber realisiert werden, desto eher kann es auch zu Änderungen im Verhalten kommen. Patienten verlieren Interesse und Initiative, was wiederum zum sozialen Rückzug beiträgt. Leider reagieren viele Betroffene auch gereizt und teilweise aggressiv, insbesondere wenn sie auf die Gedächtnisstörungen aufmerksam gemacht werden. Die Einschätzung eigener Fähigkeiten und eigenen Verhaltens sowie die Beurteilung von Gefahren können auch zu Beginn der Erkrankung reduziert sein. Viele Patienten entwickeln Sprachstörungen mit Fehlern im Satzbau oder auch Wortfindungsstörungen. Ebenso kann es auch bereits zu Beginn der Erkrankung zu Wahrnehmungsstörungen kommen.

Leider wird bei vielen Patienten die Diagnose erst relativ spät gestellt. Eine Screening-Untersuchung wird aktuell nicht empfohlen, da keine ausreichende therapeutische Konsequenz folgen würde. Dennoch ist eine möglichst frühe Diagnose wichtig, um die Prognose der Patienten zu verbessern [3]. Zunächst ist es wichtig, die richtige Diagnose zu stellen, da einige Erkrankungen, die mit Gedächtnisstörungen einhergehen, effektiv behandelt werden können. Wichtigstes Instrument in der Diagnostik von Demenzen bleibt die Erhebung der Anamnese mit Medikamenten- und Fremdanamnese sowie die klinische Untersuchung mit kognitiven Testungen. Die klinischen Kriterien für die Diagnose einer Demenz beruhen daher vor allem auf dem fortschreitenden Verlauf, dem Ausschluss einer vorübergehenden Störung und Defiziten in mindestens 2 kognitiven Bereichen (Gedächtnis, Urteilsfähigkeit, Sprache, Räumlich-visuelle Funktionen und Persönlichkeitsveränderungen)[4]. Für die Diagnose des Morbus Alzheimer ist dann der Ausschluss anderer Erkrankungen und die anhaltende langsame Verschlechterung notwendig [4]. Zur Quantifizierung der kognitiven Defizite stehen umfangreiche Testbatterien zur Verfügung. In der klinischen Routine stehen unter anderem das Mini-Mental-State-Exam und der Uhrentest zur Verfügung. Zum Ausschluss anderer Erkrankungen ist die Kernspintomographie wichtig, um Durchblutungsstörungen, Raumforderungen oder auch Entzündungen zu detektieren. In der Lumbalpunktion können neben dem Ausschluss entzündlicher Prionen-Erkrankungen auch einer Reduktion des Amyloids und eine Erhöhung des Tau-Proteins nachgewiesen werden. Funktionelle bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomographie können heute eingesetzt werden sowohl um die allgemeine Funktion über den Metabolismus zu quantifizieren als auch die Ablagerungen von Amyloid oder Tau nachzuweisen [5]. Andere Erkrankungen, wie Schilddrüsenunterfunktion, Depression, Zirkulationsstörungen des Nervenwassers oder auch Hirntumoren müssen nicht nur mittels Bildgebung sondern auch durch entsprechende Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden.

Die frühe Diagnose ist wichtig, damit Patienten sich rechtzeitig auf die Erkrankung einstellen können. Patienten können und sollen sich über die Erkrankung und informieren und die verfügbare Hilfe frühzeitig in Anspruch nehmen. Familien und Pflegende müssen sich auf die Aufgaben einstellen und möglicherweise Veränderungen im häuslichen Umfeld treffen.

Des Weiteren sollten Begleiterkrankungen sehr ernst genommen werden. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Nikotinabusus und Hypercholesterinämie stellen die wesentlichen Gefäßrisikofaktoren dar. Diese sollten genau diagnostiziert und effizient behandelt werden, denn Durchblutungsstörungen des Gehirns können zusätzliche Defizite verursachen und den Verlauf der Erkrankung ungünstig beeinflussen. Übermäßiger Gebrauch von Alkohol führt ebenfalls zu einer unabhängigen Schädigung des Gehirns. Hypovitaminosen sind bei älteren Menschen sehr häufig und können ebenfalls nicht nur die kognitiven Defizite im Rahmen eines Delirs verstärken sondern auch die Degeneration beschleunigen. Epileptische Anfälle, die bei Demenzen nicht selten vorkommen und sich nur durch Verwirrtheit, Spach- oder Gedächtnisstörungen äussern können, müssen ausgeschlossen und ggf. entsprechend behandelt werden. 

Eine weitere wichtige Maßnahme, die durch ein frühes Erkennen der Erkrankung umgesetzt werden kann, ist eine Verbesserung der Schlafhygiene. Schlafstörungen werden aktuell eine große Bedeutung beigemessen. 2013 wurde erstmals der Begriff des „glymphatischen Systems“ geprägt [6]. Dieser Begriff setzt sich aus den Worten Glia und lymphatisches System zusammen und umfasst die Interaktion von Astroglia und Gefäßsystem im Gehirn. Spannend ist nun, dass dieses System im Wachzustand fast inaktiv ist und während des Schlafes die gefährlichen Stoffwechselprodukte aus unserem Gehirn entfernt [7]. Somit werden insbesondere die Eiweiß-Ablagerungen außerhalb der Zellen vor allem im Schlaf eliminiert. Die Bedeutung der Schlafhygiene scheint daher insbesondere in Hinsicht auf neurodegenerative Erkrankungen eine ganz neue Bedeutung zu bekommen. Häufige Erkrankungen, die zu einer Störung des Schlafes führen wie Depressionen, Apnoe-Syndrome, unruhige Beine sollten daher noch sehr viel besser diagnostiziert und behandelt werden. Insbesondere bei Patienten mit beginnenden kognitiven Defiziten ist die Dokumentation des Schlafverhaltens zunehmend wichtig.

Auch wenn derzeit keine kausale Therapie für die Patienten mit Morbus Alzheimer oder auch den meisten anderen Demenzen zur Verfügung steht, kann durch eine frühzeitige Diagnose, die Behandlung der Begleiterkrankungen und eine Inanspruchnahme von supportiven Leistungen die Lebensqualität und die Alltagskompetenz nachhaltig gebessert werden.

Literatur

  1. Alzheimer's Disease International Policy Brief for Heads of Government: The Global Impact of Dementia 2013-2050 2013.
  2. Ruitenberg, A., et al., Incidence of dementia: does gender make a difference? Neurobiol Aging, 2001. 22(4): p. 575-80.
  3. Leifer, B.P., Early diagnosis of Alzheimer's disease: clinical and economic benefits. J Am Geriatr Soc, 2003. 51(5 Suppl Dementia): p. S281-8.
  4. McKhann, G.M., et al., The diagnosis of dementia due to Alzheimer's disease: recommendations from the National Institute on Aging-Alzheimer's Association workgroups on diagnostic guidelines for Alzheimer's disease. Alzheimers Dement, 2011. 7(3): p. 263-9.
  5. Del Sole, A., S. Malaspina, and A. Magenta Biasina, Magnetic resonance imaging and positron emission tomography in the diagnosis of neurodegenerative dementias. Funct Neurol, 2016. 31(4): p. 205-215.
  6. Iliff, J.J., et al., Brain-wide pathway for waste clearance captured by contrast-enhanced MRI. J Clin Invest, 2013. 123(3): p. 1299-309.
  7. Jessen, N.A., et al., The Glymphatic System: A Beginner's Guide. Neurochem Res, 2015. 40(12): p. 2583-99.