Kognitive Einschränkungen gewinnen als Komorbidität des Diabetes stark an Bedeutung. Das Alzheimerrisiko ist bei Typ-II-Diabetikern durchschnittlich um 53 % erhöht.
Im Jahr 2017 lebten 50 Mio. Menschen weltweit mit Demenz. Laut Schätzungen der WHO wird diese Zahl bis 2030 auf 82 Mio. und bis 2050 auf 152 Mio. ansteigen.1
Daher besteht ein dringender Bedarf an Vorbereitung und – wann immer möglich – Prävention.
Auch Diabetes ist ein weltweit zunehmendes großes Gesundheitsproblem. In diversen Arbeiten ist ein Zusammenhang zwischen Diabetes Typ II und unterschiedlichen Formen der Demenz belegt. So zeigte eine Metaanalyse von 17 Studien mit knapp 1,75 Mio. eingeschlossenen Patienten ein um 53 % erhöhtes Alzheimerrisiko (95 % KI 1,42-1,63).2 Dabei scheinen asiatische Populationen stärker gefährdet zu sein als westliche (62 % versus 36 %), möglicherweise aufgrund eines Polymorphismus im Apolipoprotein-E-Gen.
Zunächst wenig auffällige, langsam fortschreitende kognitive Einschränkungen können über alle Altersklassen der Diabetiker hinweg auftreten. Von schwereren Stadien – wie leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) und Demenz – sind vor allem Patienten über 65 Jahren betroffen.3
Während die vaskulären Pathologien bei Diabetes gut beschrieben sind, zeigen neuere Arbeiten auch eine gesteigerte Rolle neurodegenerativer Prozesse.
Eine Dysregulation des Insulin- und Glukosehaushaltes zeichnet den Diabetiker aus. Rezeptoren für Insulin und den insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) kommen im gesunden Gehirn zahlreich vor, bei Alzheimerpatienten sind sie jedoch dezimiert. Das Insulin-Rezeptor-Substrat-1 (IRS-1) bindet nicht nur an diese Rezeptoren, sondern auch an das Amyloid-Vorläufer-Protein (amyloid precursor protein, APP). Des Weiteren baut Insulysin (insulinabbauendes Enzym, IDE) normalerweise auch APP, Amyloid-beta und Amylin ab. Insulin und IGF-1 verhindern die Amyloid-Bildung durch Verringerung von APP.2
Amyloidosen sind eine Gruppe ätiologisch unterschiedlicher Erkrankungen, bei der es zur Akkumulation von unlöslichen fibrillären Proteinen in verschiedenen Organen kommt. Nach derzeitigem Verständnis ist die Amyloidose ein pathologisches Merkmal von sowohl Alzheimerdemenz als auch Diabetes – was bedeuten könnte, dass ähnliche Mechanismen der Entwicklung beider Erkrankungen zugrunde liegen könnten.
Da ein Diabetes Typ II oft auf modifizierbare Risikofaktoren zurückzuführen ist, drängt sich die Frage auf, wie viele Millionen Demenzfälle ebenfalls vermeidbar wären, wenn Menschen die Entscheidung für eine gesunde Lebensweise vereinfacht würde.
Übergewicht, metabolisches Syndrom, Diabetes und deren Folgeerkrankungen werden in den kommenden Jahren drastisch zunehmen und sind bereits jetzt ein dringendes weltweites Problem, welches uns längst an unsere Versorgungsgrenzen bringt. Bislang wird auf politischer und gesellschaftlicher Ebene nicht genug dafür getan, dass sich dies ändert.
Aufklärung und Maßnahmen gegen falsche Ernährung und Bewegungsmangel müssten auf der Agenda ganz oben stehen. Die positive Korrelation zwischen BMI und Risiko für einen Diabetes Typ II ist stark – in einer großen Studie waren über 90 % der Fälle einem BMI ≥ 22 kg/m2 zuzuschreiben4. In diesem Beitrag lesen Sie auch über weitere gesundheitliche Folgen.
Doch noch ist ein Burger bei McDonald’s billiger als ein Salat oder eine andere vollwertige Mahlzeit und auf jedem Bahnhof oder Flughafen ist eine Flasche Mineralwasser teurer als ein süßer Riegel. Die Kosten – allein für die Versorgung Demenzkranker – werden sich 2030 auf etwa zwei Billionen Dollar weltweit belaufen, schätzt die WHO.1
Referenzen:
1. http://www.who.int/mental_health/neurology/dementia/infographic_dementia/en
2. Zhang J et al. An updated meta-analysis of cohort studies: Diabetes and risk of Alzheimer's disease. Diabetes Res Clin Pract. 2017 Feb;124:41-47.
3. Biessels G J, Despa F. Cognitive decline and dementia in diabetes mellitus: mechanisms and clinical implications. Nat Rev Endocrinol. 2018 Jul 18. DOI: https://doi.org/10.1038/s41574-018-0048-7
4. Gillett M et al. Non-Pharmacological Interventions to Reduce the Risk of Diabetes in People with Impaired Glucose Regulation: A Systematic Review and Economic Evaluation. Southampton (UK): NIHR Journals Library; 2012 Aug. (Health Technology Assessment, No. 16.33.) 2, Modifiable risk factors for type 2 diabetes mellitus.