Kennen Sie schon die neue Leitlinie Trigeminusneuralgie?
Nach über zehn Jahren erschien Ende 2023 die aktualisierte S1-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Trigeminusneuralgie.
Was ist die Trigeminusneuralgie?
Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene (Lebenszeitprävalenz 0,16 bis 0,7%), sehr schmerzhafte neurologische Erkrankung, die durch paroxysmale, triggerbare, einseitige, elektrische, stechende Schmerzattacken im Versorgungsgebiet des Trigeminusnervs gekennzeichnet ist.1 Einige Betroffene leiden zusätzlich an einem anhaltenden Dauerschmerz.2
Therapie der Trigeminusneuralgie
- Carbamazepin und Phenytoin sind Medikamente der ersten Wahl für die Langzeitbehandlung und sind in Deutschland die einzigen zugelassenen Optionen
- einige weitere Medikamente können off-label eingesetzt werden, sind aber häufig nicht erstattungsfähig
- die mikrovaskuläre Dekompression ist erste Wahl bei medikamentenrefraktären Patienten
Immer noch wenige Medikamente bei Trigeminusneuralgie zugelassen
Carbamazepin und Phenytoin gelten als Mittel der Wahl für die Therapie der Trigeminusneuralgie. Hierbei ist ihr umfangreiches Interaktionspotenzial und Nebenwirkungsprofil zu beachten, insbesondere bei älteren Patienten mit Polypharmazie.
Oxcarbazepin besitzt eine vergleichbare Wirksamkeit wie Carbamazepin und gilt in anderen Ländern ebenfalls als Medikament der ersten Wahl3, ist jedoch in Deutschland und Österreich nicht für die Therapie der Trigeminusneuralgie zugelassen (off-label).
Wichtige Zweitlinien-Optionen sind Gabapentin/Pregabalin, Lamotrigin, Onabotulinumtoxin A und Baclofen, Lidocain intranasal/ intraoral und Topiramat (alle off-label).4
Das Trickreiche: Die Krankenkassen erstatten die nicht-zugelassenen Therapien oftmals nicht.
Zur Therapie akuter Exazerbationen können Phenytoin i.v. (in-label), aber auch Lidocain intranasal/intraoral, Sumatriptan s.c. oder intranasal oder Pimozid (alle 2. Wahl, off-label) zum Einsatz kommen. Es gibt auch erste Daten zur Wirksamkeit von Lacosamid (3. Wahl, off-label).4
MRT als Zusatzdiagnostik immer erforderlich
Eine exakte Diagnose ist von entscheidender Bedeutung, da sich Bildgebung und Behandlung bei den verschiedenen Formen von Gesichtsschmerzen unterscheiden. Die Diagnose wird primär klinisch gestellt, aber eine MRT mit speziellen Sequenzen und Feinschichtung des Hirnstammes sollte Teil des diagnostischen Vorgehens sein, um einen möglichen neurovaskulären Kontakt zu erkennen und eine sekundäre Trigeminusneuralgie (durch Grunderkrankungen wie eine Multiple Sklerose oder einen Tumor) auszuschließen.
Sekundäre Trigeminusneuralgien, die immerhin 15% der Fälle ausmachen, sollten primär kausal behandelt werden.3
Nicht jede enge Lagebeziehung zwischen N. trigeminus und Gefäßen führt zwangsläufig zu einer Trigeminusneuralgie, doch der Nachweis eines neurovaskulären Kontakts kann die chirurgische Entscheidungsfindung unterstützen.
Was tun bei Versagen einer medikamentösen Prophylaxe oder intolerablen Nebenwirkungen?
In einer Metaanalyse zeigte sich bei 96% der Patienten nach mikrovaskulärer Dekompression nach Jannetta anfänglich eine postoperative Schmerzfreiheit.5 Der Eingriff schützt den Nerv vor weiterer Zerstörung, was sich in einer guten Schmerzreduktion insbesondere in den ersten sechs Monaten wiederspiegelt.2 Das Langzeitergebnis hing von der Art der betroffenen Gefäßstruktur ab, wobei ein rein venöser Konflikt mit einem höheren Risiko für ein OP-Versagen verbunden war.
Daneben kommen perkutane Verfahren im oder am Ganglion Gasseri in Betracht, wie die temperaturgesteuerte Koagulation durch Radiofrequenz. Mögliche Nebenwirkungen sind sensorische Ausfälle im Trigeminusgebiet. Weitere Alternativen sind die Radiochirurgie mit Gamma-Knife, Cyber-Knife oder Linearbeschleuniger.2
Die Leitlinie zitiert abschließend ein aktuelles systematisches Review 58 randomisierter, kontrollierter Studien mit Daten von 4.126 Patienten, welches zu dem Schluss kam, dass Akupunkturmethoden bei Trigeminusneuralgie wirksam und sicher sein können.6 In einigen Studien waren Akupunkturtechniken der Standardbehandlung mit Carbamazepin hinsichtlich der Schmerzreduktion und Ansprechrate überlegen und keine der Studien berichtete schwere Nebenwirkungen.4
- Allam, A. K., Sharma, H., Larkin, M. B. & Viswanathan, A. Trigeminal Neuralgia: Diagnosis and Treatment. Neurol Clin 41, 107–121 (2023).
- Ärzteblatt, D. Ä. G., Redaktion Deutsches. Neue S1-Leitlinie Trigeminusneuralgie erschienen. Deutsches Ärzteblatt https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145753/Neue-S1-Leitlinie-Trigeminusneuralgie-erschienen (2024).
- Bendtsen, L. et al. Advances in diagnosis, classification, pathophysiology, and management of trigeminal neuralgia. Lancet Neurol 19, 784–796 (2020).
- AWMF Leitlinienregister. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Trigeminusneuralgie.
- Di Carlo, D. T., Benedetto, N. & Perrini, P. Clinical outcome after microvascular decompression for trigeminal neuralgia: a systematic review and meta-analysis. Neurosurg Rev 46, 8 (2022).
- Yin, Z., Wang, F., Sun, M., Zhao, L. & Liang, F. Acupuncture Methods for Primary Trigeminal Neuralgia: A Systematic Review and Network Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Evid Based Complement Alternat Med 2022, 3178154 (2022).
letzter Zugriff auf Websites: 06.04.24