Depressionen: Sport vergleichbar effektiv wie SSRI
Daten einer aktuellen Netzwerk-Metaanalyse sprechen dafür, körperlichen Aktivitäten einen wesentlich zentraleren Platz in der Therapie von Depressionen zu geben.
Körperliche Aktivität reduziert wirksam Depressionssymptome
- Eine aktuelle Metaanalyse, die Daten aus 218 Studien berücksichtigte, spricht für die Aufnahme von Bewegung in die Erstlinientherapie der Depression
- Für verschiedene Bewegungsarten liegen gute Wirksamkeitsdaten vor (Walking, Joggen, gemischte aerobe Übungen, Krafttraining, Yoga, Tai Chi, Qigong, Tanzen)
- Psychotherapeuten können den Prozess unterstützen, indem sie die kognitiven und verhaltensbezogenen Barrieren für körperliche Aktivität thematisieren
Vielfältiger Nutzen von Sport: Was sagt die Evidenz?
Die von australischen Psychologen geleitete Studie trägt eindrückliche Daten von 140.000 Patienten mit Depressionen aus 218 kontrollierten Studien zusammen.1 Verschiedene Sportarten wurden anschließend auch ins Verhältnis zu anderen gängigen Therapien gesetzt.
Im Vergleich zu aktiven Kontrollen (z.B. herkömmliche Behandlung, Placebo) war eine moderate Verringerung der Depressionssymptome durch Walken oder Joggen, Yoga, Krafttraining, gemischte aerobe Übungen, Tanzen, Tai Chi oder Qigong evident. Die Effektgrößen der Bewegungsinterventionen waren dabei vergleichbar mit denen von Pharmakotherapie (SSRI) und Verhaltenstherapie. Bemerkenswerterweise bestand kein Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit von Bewegung und dem Schweregrad der Depression zu Studienbeginn.
Die Effektivität schien proportional zur Dosis zu sein und war bei stärkerer Aktivität und Interventionen mit klaren Vorgaben stärker. Diejenigen, die die Möglichkeit dazu haben, sollten sich also für ein intensiveres Training in einer strukturierten Umgebung entscheiden, um maximal zu profitieren. Fachleute aus dem Sportbereich oder persönliche Trainer könnten hilfreich sein, um ein individuell angepasstes, herausforderndes und unterstütztes Übungsprogramm sicherzustellen.
Doch viele von Depressionen Betroffene haben sehr begrenzte Möglichkeiten. Die Studienautoren betonen, dass auch Interventionen geringerer Intensität, die mit geringen Kosten oder pragmatischen Hindernissen verbunden sind, gut wirksam sind, insbesondere Walken, Joggen oder Yoga.
Bewegung wirkt auch auf anderen Ebenen
Seit einigen Jahrzehnten ist ein drastischer Anstieg psychischer Erkrankungen zu beobachten, der in der jüngsten Vergangenheit noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Die Notwendigkeit wirksamer und verträglicher Therapieansätze ist daher größer denn je. Allein für das erste Jahr der Coronakrise wurde eine Verdreifachung der Depressionsraten und eine Intensivierung der Symptome berichtet: Laut einer im 'Lancet' veröffentlichten Studie litten 33% der Erwachsenen in den USA im Jahr 2021 an verstärkten depressiven Symptomen (verglichen mit 8,5% vor der Pandemie).3 Leider ging in diesem Zeitraum auch die Schere bezüglich gesundheitlicher Basismaßnahmen noch weiter auseinander – unter anderem neigten Menschen, die bereits vor den Lockdowns Bewegungsmangel hatten, dazu, sich noch weniger zu bewegen. Dabei ist erwiesen, dass körperliche Aktivität auch zur Vorbeugung von Depressionen beiträgt.
Die Autoren der aktuellen Arbeit betonen, dass sich sämtliche emotionalen, lebensqualitätsbezogenen, beruflichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Depressionen auf den Einzelnen und seine Familie in den letzten Jahren verstärkt haben. In Vorarbeiten ist überdies dokumentiert, dass unter Depressionen diverse körperliche Erkrankungen exazerbieren. So ist die Sterblichkeit durch Krankheiten wie Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs um 50% erhöht, wenn die Betroffenen an Depressionen leiden.2 Neben den positiven Auswirkungen auf die psychische Gesundheit verbessert Bewegung auch eine Vielzahl körperlicher und kognitiver Parameter.
- Noetel, M. et al. Effect of exercise for depression: systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 384, e075847 (2024).
- Bellón, J. Á. Exercise for the treatment of depression. BMJ 384, q320 (2024).
- Depression Rates Tripled and Symptoms Intensified during First Year of COVID | SPH. https://www.bu.edu/sph/news/articles/2021/depression-rates-tripled-and-symptoms-intensified-during-first-year-of-covid/.
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