Thrombozytenaggregationshemmer nach intrazerebraler Hämorrhagie – pausieren oder fortsetzen? Logo of esanum https://www.esanum.de

Thrombozytenaggregationshemmer nach intrazerebraler Hämorrhagie – pausieren oder fortsetzen?

Überraschende Erkenntnisse der 'RESTART'-Studie legen nahe, dass die Wiederaufnahme einer vorbestehenden Plättchenhemmer-Therapie (im Vergleich zu deren Meidung) das Risiko wiederkehrender symptomatischer intrazerebraler Hämorrhagien senken könnte.

Den Patienten behandeln, nicht das Bild des Kopfes

Überraschende Erkenntnisse der 'RESTART'-Studie legen nahe, dass die Wiederaufnahme einer vorbestehenden Plättchenhemmer-Therapie (im Vergleich zu deren Meidung) das Risiko wiederkehrender symptomatischer intrazerebraler Hämorrhagien senken könnte.

Ärzte neigen dazu, die Risiken medizinischer Interventionen zu unter- und den Nutzen zu überschätzen.1 Doch eine häufige Ausnahme scheint die Situation nach einer intrazerebralen Blutung darzustellen: Laut Beobachtungsdaten wird das Risiko eines Therapie-Wiederbeginns mit Thrombozytenaggregationshemmern bei Patienten nach intrazerebraler Hämorrhagie mit Mikroblutungen deutlich überschätzt.2 Bei etwa einem von vier Patienten mit intrazerebraler Blutung besteht eine Vormedikation mit Plättchenhemmern – daher wäre mehr Gewissheit bei der Entscheidungsfindung zum Wiederbeginn einer solchen Therapie klinisch hoch relevant. Dies war Thema eines aktuellen Artikels im Lancet Neurology.3

Überraschende Daten

Im Rahmen der 'RESTART'-Studie4 wurden 537 Überlebende einer unter Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern stattgehabten intrazerebralen Hämorrhagie zu einer Fortsetzung oder Pausierung selbiger randomisiert und für 2 Jahre nachbeobachtet. Das Risiko des Wiederauftretens einer intrazerebralen Hämorrhagie unterschied sich zwischen den Gruppen kaum (4,9% bei Re-Start versus 9,1% bei Pause; p = 0,06) – jedoch hatten die Patienten, bei denen die Plättchenhemmer-Therapie wieder aufgenommen wurde, ein geringeres Risiko für ischämischen und hämorrhagischen Apoplex (auch wenn der Unterschied keine statistische Signifikanz erreichte).

Eine Subgruppen-Analyse2 untersuchte 254 Patienten, die vor Randomisierung ein MRT erhalten hatten und kam zu folgender Beobachtung: auch bei Patienten mit zerebralen Mikroblutungen oder oberflächlicher Siderose schien vom Re-Start der Plättchenhemmung kein höheres Risiko für ein Blutungsrezidiv auszugehen. Auch die Anzahl der Mikroblutungen schien das Risiko nicht zu beeinflussen.

Können wir weniger restriktiv sein?

'RESTART' ist die erste randomisierte Studie zu dieser Problematik und weitere (und vor allem: statistisch besser gepowerte) Untersuchungen sind nötig – insbesondere, da die Ergebnisse in Kontrast zu Daten bisheriger Beobachtungsstudien stehen. Bislang ging man von einem erhöhten Risiko für rezidivierende intrazerebrale Blutungen durch Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmung aus. Am höchsten schätzten frühere Studien das Risiko für Patienten mit zerebralen Mikroblutungen ein. Somit dürften die Daten für viele Stroke-Spezialisten überraschend sein und müssen weiter validiert werden. Auch für orale Antikoagulantien, zu denen eine ähnliche Debatte im Gange ist, braucht es Daten aus randomisierten klinischen Studien.

Wenn sich die Daten bspw. in den weiterhin laufenden, randomisierten Studien 'RESTART' und 'STATICH' bestätigen, könnte dies bedeuten, dass wir bei Patienten mit kleineren intrazerebralen Hämorrhagien weniger restriktiv in der Verschreibung von Thrombozytenaggregationshemmern sein dürfen und, dass der MRT‑Befund nicht unbedingt die erste Entscheidungshilfe hierbei ist.

Referenzen:
1. Hoffmann, T. C. & Del Mar, C. Clinicians’ Expectations of the Benefits and Harms of Treatments, Screening, and Tests: A Systematic Review. JAMA Intern Med 177, 407–419 (2017).
2. Salman, R. A.-S. et al. Effects of antiplatelet therapy on stroke risk by brain imaging features of intracerebral haemorrhage and cerebral small vessel diseases: subgroup analyses of the RESTART randomised, open-label trial. The Lancet Neurology 18, 643–652 (2019).
3. Christensen, H. Antiplatelets after intracerebral haemorrhage: treat the patient, not the brain imaging. The Lancet Neurology 18, 617–619 (2019).
4. Salman, R. A.-S. et al. Effects of antiplatelet therapy after stroke due to intracerebral haemorrhage (RESTART): a randomised, open-label trial. The Lancet 393, 2613–2623 (2019).