Bei Patienten mit akutem Apoplex bei Verschluss großer zerebraler Gefäße führte Tenecteplase i. v. innerhalb der ersten 4,5 h zu einer höheren Reperfusionsrate vor Thrombektomie als die derzeitige Standardtherapie mit Alteplase i. v.
Derzeit werden Patienten mit akutem Schlaganfall innerhalb der ersten 3–4,5 Stunden mit Alteplase i. v. behandelt. Ein kleiner Teil der Patienten kommt zusätzlich für eine Thrombektomie infrage, z. B. bei Verschluss großer Gefäße (innerhalb der ersten 6 h, in Ausnahmefällen auch länger).
Ob die Eignungsvoraussetzungen zur Thrombolyse und Thrombektomie erfüllt sind, hängt – neben Kontraindikationen – ganz wesentlich von der verstrichenen Zeitspanne zwischen Symptombeginn und Eintreffen in der Stroke-Unit/ Notaufnahme ab. Da nicht alle Zentren über die Möglichkeit zur Durchführung einer Thrombektomie verfügen, ist es entscheidend, Verzögerungen in der Behandlung auf ein Minimum zu reduzieren.1
Eine Ende April im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie2 untersuchte eine vielversprechende Alternative zur Thrombolyse mit Alteplase: Tenecteplase.
Dies ist eine gentechnisch veränderte Form der Alteplase, die fibrinspezifischer ist und eine größere thrombolytische Aktivität als Alteplase besitzen könnte – was möglicherweise die Notwendigkeit einer Thrombektomie abwenden könnte.
Darüber hinaus hat sie eine längere Aktivität und kann daher im Gegensatz zu Alteplase als Bolus verabreicht werden, was die Zeitspanne bis zur Thrombektomie verkürzen könnte.
202 Patienten mit ischämischem Schlaganfall bei Verschluss der Carotis interna, Basilaris oder Cerebri media, die die Voraussetzungen für eine Thrombektomie erfüllten, wurden 1:1 zur Therapie mit Alteplase oder Tenecteplase binnen 4,5 h nach Symptombeginn randomisiert.
Der primäre Endpunkt war eine Reperfusion von mehr als 50 % des betroffenen ischämischen Gebietes (oder: Abwesenheit eines wiederauffindbaren Thrombus zum Zeitpunkt der ersten angiographischen Untersuchung). Unter Tenecteplase erreichten mehr als doppelt so viele Patienten diesen Endpunkt als unter Alteplase (22 % vs. 10 %; p = 0,002 für Nachweis der Nichtunterlegenheit; p = 0,03 für Überlegenheit). Bei den betreffenden Patienten konnte auf die Durchführung einer Thrombektomie verzichtet werden (bis auf einen Patienten mit Reperfusion = 50 %, aber residuellem Thrombus).
Für das funktionelle Ergebnis nach 90 Tagen wurde die modifizierte Rankin-Scala verwendet, die von 0 (keine Beeinträchtigung nach Apoplex) bis 6 (Tod durch Apoplex) reicht.
In der Tenecteplase-Kohorte lag der modifizierte Rankin-Score im Median bei 2 (entspricht leichter Behinderung, der Patient kann sich aber selber versorgen), in der Alteplase-Kohorte bei 3 (mittelschwere Behinderung, Patient benötigt Unterstützung im Alltag, ist aber selbstständig gehfähig) (p = 0,04).
Die Gabe von Tenecteplase vor Thrombektomie resultierte in einer höheren Reperfusionsrate und einem besseren neurologischen Outcome nach 3 Monaten als unter Alteplase. Dies ist die zweite Phase-II-Studie mit diesem Ergebnis bei Patienten, die für eine Thrombektomie infrage kommen.
Die Häufigkeit symptomatischer intrazerebraler Hämorrhagien betrug in beiden Gruppen 1 %.
Ein großer Vorteil der Therapie mit Tenecteplase besteht darin, dass dadurch bei einem Teil der Patienten eine Thrombektomie vermieden werden kann.
Jedoch muss man sich auch vor Augen führen, dass es bei weniger als einem Viertel der Patienten zu einer substanziellen Rekanalisation kam – zum Vergleich: bei Thrombektomie mittels Stent-Retriever sind es 80 % und mehr.
Eine derzeit laufende Studie untersucht nun, ob sich die Rekanalisationsrate durch Erhöhung der Tenecteplase-Dosis (von 0,25 in dieser Studie auf 0,4 mg/KG) noch steigern lässt – hoffentlich ohne die Inzidenz intrazerebraler Blutungen zu erhöhen.
Referenzen:
1. Baird, A. E. Paving the Way for Improved Treatment of Acute Stroke with Tenecteplase. New England Journal of Medicine 378, 1635–1636 (2018).
2. Campbell, B. C. V. et al. Tenecteplase versus Alteplase before Thrombectomy for Ischemic Stroke. New England Journal of Medicine 378, 1573–1582 (2018).