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Vorhofflimmern und VTE bei CKD: Wer sollte wann womit antikoaguliert werden?

Diese Frage hat sich wohl jeder Kardiologe und Nephrologe gestellt, sie wird seit Jahrzehnten diskutiert. So auch beim letzten Nephrologie-Jahreskongress 2024.

Das Dilemma mit der Antikoagulation bei CKD:

Zwei Fragen stellen sich bei chronisch nierenkranken Patienten mit kardiovaskulären Komorbiditäten:

  1. Antikoagulation, ja oder nein?
  2. wenn ja, womit sollte antikoaguliert werden? 

Exemplarisch wurden zwei Krankheitsbilder mit grundsätzlicher Indikation für eine orale Antikoagulation besprochen: Vorhofflimmern (VHF) und venöse Thromboembolien (VTE).

Neue ESC-Empfehlungen zum Vorhofflimmern

Zum Vorhofflimmern empfehlen die neuen ESC (European Society of Cardiology)-Leitlinien 2024 einen mehrstufigen Algorithmus. Demnach soll zunächst das Risiko für Thromboembolien anhand des neu definierten CHA2DS2-VA-Scores (ohne den Faktor des weiblichen Geschlechts) evaluiert werden. Ist eine Antikoagulation indiziert, soll die Wahl auf DOAK (direkte orale Antikoagulanzien) fallen, sofern keine Kontraindikationen bestehen. Auch das Blutungsrisiko soll bestimmt werden, allerdings nicht mit dem Ziel, ggf. auf eine Antikoagulation zu verzichten, sondern, um es so gut wie möglich zu reduzieren. Diese Empfehlung ist neu.

Dosisreduktion von DOAK bei schwerer Niereninsuffizienz

Übertragen auf die Nephrologie bedeutet dies: Bis zu einer Kreatininclearance von 30 ml/min gilt eine Antikoagulation als unbedenklich. Zwischen 15 und 30 ml/min sollten Rivaroxaban, Edoxaban oder Apixaban in reduzierter Dosis verabreicht werden; auf Dabigatran, das am stärksten renal akkumuliert, sollte hier verzichtet werden. Unter Dialyse wird die Antikoagulation nicht empfohlen, auch deshalb, weil es bislang kaum Publikationen dazu gibt. So bleibt es bei diesen Patienten bei einer individuellen, multidisziplinären Entscheidung, ob ggf. ein Off-label-use in Frage kommt. 

Als Ausblick wurde auf verbesserte nephroprotektive Therapien wie den nicht-steroidalen Aldosteronantagonisten Finerenon verwiesen. Dadurch könnte auch die Gefahr für Vorhofflimmern reduziert werden. Bislang nicht erfüllt hat sich hingegen die Hoffnung auf eine Therapie von VHF mit einem Faktor-XI-Inhibitor. Nach bisherigen Ergebnissen erhöht er zwar nicht die Blutungsgefahr, verhindert aber auch keine Schlaganfälle oder systemische Embolisationen.

Ist Marcumar bei CKD noch zeitgemäß?

Bei vorangegangenen venösen Thromboembolien zeigten mehrere randomisiert-kontrollierte Studien bei einer Kreatininclearance bis 30 ml/min Vorteile von DOAK gegenüber Marcumar hinsichtlich Effektivität (Vermeidung von Thromboembolien) und Sicherheit (geringes Blutungsrisiko). Für Dialysepatienten existieren bislang nur Beobachtungsstudien, die aber ebenfalls auf eine Überlegenheit von DOAK hindeuten.

Klar scheint also: Für manche Patienten, z. B. mit mechanischem Herzklappenersatz oder höhergradiger Mitralstenose, bleibt Marcumar Mittel der Wahl. Bei allen anderen sollten jedoch neue Antikoagulanzien bevorzugt werden.

Quelle:
  1. Heine, Gunnar Henrik (Frankfurt): Orale Antikoagulation bei CKD. Session Herz & Niere, DGfN Kongress 2024, Berlin, 26.-29.09.2024.