Perkutane koronare Interventionen (PCI) spielen eine Hauptrolle in der Kardiologie, sind sie doch der Goldstandard zur Therapie von verengten Herzkranzgefäßen. Nun bekommt das Image der hochgelobten Stents einen kleinen Kratzer.
Die jüngst im Lancet publizierte ORBITA-Studie zeigt, dass eine Stent-Implantation bei Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung und pectanginösen Beschwerden keinen Vorteil gegenüber einem Placebo-Herzkatheter hat. Das sorgt für Aufruhr in der Welt der Kardiologie, war man doch bis jetzt der Ansicht, dass die Aufweitung von verengten Blutgefäßen des Rätsels Lösung zur Therapie der koronaren Herzkrankheit ist.
Fakt ist: Viele Patienten mit stabiler Angina pectoris berichten nach einer Stent-PCI von einer Besserung ihrer Beschwerden. Bisherige unverblindete Studien zeigen auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit nach PCI, wie zum Beispiel durch Zunahme der Trainingszeit in der Spiroergometrie von durchschnittlich 96 Sekunden. Ob dieser Effekt jedoch ein reiner Placebo-Effekt ist, wurde bis jetzt nicht untersucht.
Vielmehr hat man sich auf die Schlussfolgerung verlassen, dass ein aufgeweitetes Herzkranzgefäß den Blutfluss des Herzens verbessert und daher dem Patienten hilft. Die Autoren der ORBITA-Studie wollten dem jedoch genauer auf den Grund gehen und haben die Wirkung einer PCI im Vergleich zu einer Placebo-PCI bei stabiler Herzkrankheit in einer multizentrischen doppelblinden randomisierten Studie untersucht.
Die Studie wurde von 2014 bis 2017 an fünf Krankenhäusern in Großbritannien durchgeführt. Es wurden 230 Patienten eingeschlossen, wobei als Einschlusskriterium eine koronare Eingefäßerkrankung und stabile Angina pectoris vorliegen mussten. Ein früherer Myokardinfarkt oder eine Mehrgefäßerkrankung waren bereits ein Ausschlusskriterium. Die Autoren erklären dazu, dass "kränkere" Patienten stärker von einer PCI profitiert hätten und ein möglicher Placebo-Effekt in diesem Fall irrelevant gewesen wäre.
Die Studienteilnehmer durchliefen zuerst eine sechswöchige Optimierungsphase ihrer bisherigen Therapie, in der die antianginöse Medikation leitliniengerecht, aber möglichst hochdosiert, eingestellt wurde. Im Anschluss wurden funktionelle Untersuchungen durchgeführt (Vitalparameter, EKG, Spiroergometrie und Stress-Echokardiographie) und die Patienten wurden hinsichtlich ihrer Symptomatik befragt.
Dann erfolgte die Randomisierung. 104 Patienten erhielten eine PCI mit Stentimplantation und 91 Patienten eine Placebo-PCI. Ärzte und Patienten wussten nicht, welches Verfahren bei ihnen bzw. ihren Patienten angewendet wurde. Nach sechs Wochen Follow-Up wurden die Tests erneut durchgeführt.
Beide Gruppen verzeichneten eine durchschnittliche Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit durch Erhöhung der Trainingszeit in der Spiroergometrie. Die PCI-Gruppe konnte 28,4 Sekunden länger treten und die Placebo-Gruppe schaffte plus 11,8 Sekunden.
Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen konnte aber nicht gezeigt werden (p = 0.2). Auch bei weiteren Parametern wie der Zeit bis zur 1mm-ST-Senkung und der maximalen Sauerstoffaufnahme fand sich kein Unterschied. Befragte man die Patienten, äußerte in beiden Gruppen die Hälfte eine Verbesserung der Beschwerden, die andere Hälfte keine Änderung oder eine Verschlechterung. Ein Unterschied zwischen den Gruppen fand sich auch hier nicht.
Wirft man einen Blick auf die PCI-Daten der mit einem Stent behandelten Gruppe, zeigt sich die Stent-Implantation dabei als durchaus wirkungsvoll. Der Engstellen wurden reduziert und der Blutfluss wurde signifikant verbessert, wie eine Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR) vor und nach Stent-PCI ergab.
Doch es scheint so, dass die Patienten nicht in jedem Fall subjektiv davon profitieren bzw. eine Verbesserung ihrer Symptome bemerken, obwohl keine Behandlung stattgefunden hat. Die einfache Annahme, dass die Aufweitung eines verengten Blutgefäßes die Beschwerden des Patienten lindert, scheint also nicht immer zu gelten.
Es scheinen mehrere Faktoren eine Rolle zu spielen, so auch der Placebo-Effekt. Die Autoren vermuten zudem, dass neben der sichtbaren makrovaskulären Verengung eines Gefäßes auch mikrovaskuläre Veränderungen der augenscheinlich nicht betroffenen Herzkrankgefäße entscheidend sein können.
Die ORBITA-Studie zeigt sehr eindrucksvoll die Stärke von Placebo-kontrollierten Untersuchungen. Auch breit anerkannte Verfahren wie eine Herzkatheter-Untersuchung können so auf den Prüfstand gestellt werden. Was bei medikamentösen Therapie schon lange Standard ist, scheint sich nun auch bei interventionellen Verfahren zu etablieren, auch wenn die Durchführung höhere Hürden mit sich bringt als bei konventionellen Medikamenten.
Anzumerken ist, dass die Ergebnisse dieser Studie nur für Patienten mit stabiler koronarer Eingefäßerkrankung gelten. Patienten mit instabiler Angina pectoris, Mehrgefäßerkrankung sowie Myokardinfarkt profitieren weiterhin uneingeschränkt von einer PCI.
Außerdem erhielten die Studienteilnehmer durchschnittlich drei antianginöse Medikationen, was sich in der klinischen Routine aufgrund der Adhärenz der Patienten mitunter als schwierig herausstellen könnte. Auch die kurze Nachbeobachtungszeigt von sechs Wochen lässt keinen Schluss auf die Langzeitwirkung einer Placebo-PCI zu. Die Autoren verweisen hier auf die ISCHEMIA-Studie, die sich diesem Problem widmen wird.
Referenzen:
Al-Lamee R et al. Percutaneous coronary intervention in stable angina (ORBITA): A double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2017 Nov 2; [e-pub]. (http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32714-9).