Eine neue Studie zeigt: Das Risiko für einen Herzinfarkt ist bei 6-monatiger dualer Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) signifikant erhöht. Daher sollte auch weiterhin jeder Patient mit akutem Koronarsyndrom eine 12-monatige DAPT erhalten.
Die duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) ist die Standardtherapie zur Sekundär- und Rezidivprophylaxe nach akutem Koronarsyndrom. Doch bezüglich der Dauer gibt es Kontroversen, da insbesondere in letzter Zeit immer mehr von einer verkürzten DAPT die Rede ist. Die vor über 20 Jahren durchgeführte PCI-CURE Studie, die den Grundstein für die DAPT-Therapie legte, konnte keine definitive Aussage hinsichtlich der Therapiedauer treffen. So folgten weitere Untersuchungen und in einer 2017 im European Heart Journal veröffentlichten Metaanalyse wurde der 6-monatigen DAPT eine ähnlich gute Wirksamkeit wie der 12-monatigen DAPT bescheinigt. Doch die Metaanalyse weist einige Schwachstellen auf, u. a. eine relativ gesunde Studienpopulation. Eine südkoreanische Arbeitsgruppe initiierte daher zur weiteren Klärung dieser Fragestellung die SMART-DATE Studie, die kürzlich im Fachmagazin Lancet veröffentlich wurde.
An der multizentrischen prospektiven Studie nahmen 2.712 Patienten teil. Sie wurden zufällig auf 6 oder 12 Monate DAPT aufgeteilt. Einschlusskriterium war ein akutes Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, Nicht-ST-Hebungsinfarkt oder ST-Hebungsinfarkt). Als Ausschlusskriterien wurden u. a. eine bekannte Unverträglichkeit gegenüber Plättchenhemmern sowie kürzlich aufgetretene Blutungsereignisse definiert. Alle Patienten erhielten eine DAPT bestehend aus 100 mg Aspirin und einem P2Y12-Inhibitor (75 mg Clopidogrel oder 10 mg Prasugrel einmal täglich bzw. 90 mg Ticagrelor zweimal täglich) mit entsprechendem Loading. Die Baseline-Daten, die Herzkatheter-Prozeduren und die Entlass-Medikation beider Patientengruppen waren vergleichbar. Zur Vermeidung eines Bias wurden die Gruppen auch hinsichtlich des P2Y12-Inhibitors (überwiegend Clopidogrel) und des verwendeten Stents stratifiziert. Nach 1, 6, 12 und 18 Monaten folgte eine klinische Follow-Up Untersuchung. Der primäre Endpunkt der SMART-DATE Studie setzte sich zusammen aus der Gesamtmortalität und einem Auftreten von Herzinfarkt oder Schlaganfall 18 Monate nach Studienbeginn. Sekundäre Endpunkte waren u.a. das alleinige Auftreten eines Herzinfarktes, einer Strentthrombose sowie einer leichten bzw. schweren Blutung.
Das primäre Ziel dieser Studie war der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit der 6-monatigen zur 12-monatigen DAPT. Dies konnte prinzipiell auch gezeigt werden, da sich der primäre Endpunkt nicht unterschied (4,7 % der Patienten in der 6-monatigen Gruppe und 4,2 % der Patienten in der 12-monatigen Gruppe). Auch starben die Patienten nicht früher. Doch die Autoren fanden einen signifikanten Unterschied beim Auftreten eines erneuten Herzinfarktes. So erlitten rund 1,8 % Patienten mit 6-monatiger DAPT einen Herzinfarkt im Vergleich zu 0,8 % mit 12-monatiger DAPT, dies entspricht rund 2,2x mehr Herzinfarkten. Die Zunahme der Herzinfarkte war insbesondere durch den Verschluss eines anderen als dem initial behandelten Koronargefäß bedingt ("non-target vessel myocard infarction"). Die kürzere DAPT erhöht also nicht unbedingt das Risiko einer Stentthrombose, wobei die Power der Studie für diesen Endpunkt zu gering gewesen sein kann. Andererseits kann dieses Ergebnis auch auf die gute antithrombotische Wirkung heutiger Drug-Eluting-Stents (DES) hinweisen.
Das Blutungsrisiko scheint in der 6-monatigen DAPT-Gruppe leicht reduziert zu sein. So erlitten nur 2,7 % im Vergleich zu 3,9 % der Studienteilnehmer eine Blutung (nicht signifikant). Die Wahrscheinlichkeit für schwere Blutungen war gleich groß.
Obwohl die Autoren ihr eigentliches Studienziel erreicht haben und zeigen konnten, dass die 6-monatige DAPT prinzipiell der 12-monatigen DAPT gleichgestellt ist, so hat sie die signifikant höhere Rate an Herzinfarkten dazu bewogen, weiterhin die 12-monatige DAPT in der klinischen Praxis zu empfehlen. Zudem fanden sie in einer post-hoc Analyse Hinweise darauf, dass kardiovaskuläre Ereignisse insgesamt häufiger in der 6-monatigen Behandlungsgruppe auftreten. Weiterhin argumentieren die Autoren, dass eine vermehrte Nutzung der potenteren P2Y12-Inhibitoren Prasugrel und Ticagrelor den Unterschied zwischen 6- und 12-monatiger DAPT wahrscheinlich noch besser herausgestellt hätte. Die Autoren gehen auch auf noch nicht publizierte Studien (DAPT-STEMI, REDUCE) ein, in denen kein Unterschied zwischen den 6 und 12 Monaten DAPT gefunden wird. Diese könne an der zu geringen Fallzahl liegen, denn das Zusammenfügen der Daten liefere die gleichen Ergebnisse wie die SMART-DATE Studie, so die Autoren.
Festzuhalten bleibt, dass auch weiterhin jeder Patient mit akutem Koronarsyndrom eine mindestens 12 Monate andauernde DAPT zur Rezidiv- bzw. Sekundärprophylaxe erhalten sollte – natürlich unter Berücksichtigung des individuellen Blutungsrisikos.
Quelle:
Hahn, J. Y. et al. 6-month versus 12-month or longer dual antiplatelet therapy after percutaneous coronary intervention in patients with acute coronary syndrome (SMART-DATE): a randomised, open-label, non-inferiority trial. Lancet (2018).