Rund 1700 Patienten mit kongenitalem Long-QT-Syndrom wurden in einem italienischen Register über mehrere Jahre lang beobachtet. Ergebnis: Neue Risikocharts und Nadolol als Mittel der ersten Wahl.
Mit dem kongenitalen Long-QT-Syndrom haben es Ärzte eher selten zu tun. Doch ihm sind viele Fälle plötzlichen Herztods zuzuschreiben, insbesondere im jungen Alter. Der genetische Hintergrund der Krankheit ist gut erforscht. Aktuell konnten 17 verschiedene Gen-Mutationen identifiziert werden, die chronologisch von LQT1 bis LQT17 eingeteilt wurden. Dabei sind LQT1, LQT2 und LQT3 mit rund 75 % am häufigsten, während die anderen 10 Varianten mit nur rund 5 % weitaus seltener vorkommen. Alle Mutationen führen zu defekten Ionenkanälen im Myokard. Folge ist eine verlängerte kardiale Repolarisation mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für lebensgefährliche Arrhythmien.
Trotz der Fortschritte in der Erforschung der Krankheit haben betroffene Patienten bisher kaum von den neuen Erkenntnissen profitiert. Eine personalisierte Therapie gibt es bisher nicht. Die europäischen und US-amerikanischen Leitlinien unterscheiden bisher nur grob zwischen den Genotypen (LQT2 und LQT3 sind gefährlicher als LQT1) und der frequenzkorrigierten QTc-Zeit (höheres Risiko ab 500 ms).
Die Gruppe um Dr. Mazzanti von der Universität Pavia in Italien hat daher ein Register etabliert, um betroffene Patienten systematisch zu erfassen und die Therapie zu verbessern. Zuvor hatten sie bereits in einer 2003 veröffentlichten Studie zeigen können, dass das Risiko für lebensgefährliche Arrhythmien von der QTc-Zeit und der zugrundeliegenden genetischen Mutation abhängt. Die Studie war jedoch mit 647 Teilnehmern nicht optimal gepowert. In das aktuelle Register konnten dagegen über 1700 Patienten aus 812 Familien eingeschlossen werden, die im Mittel 7 Jahre beobachtet wurden. Die LQT1 Mutation war bei den Studienteilnehmern mit 56 % am häufigsten repräsentiert. Die durchschnittliche QTc-Zeit lag bei 471 ms.
Die Forschergruppe konnte zeigen, dass das Risiko für lebensgefährliche Arrhythmien – eingeschlossen plötzlichem Herztod, Asystolie und hämodynamisch relevanter ventrikulärer Tachykardien – um ca. 15 % mit jedem 10 ms-Anstieg der frequenzkorrigierten QT-Zeit steigt. Durch den Vergleich der verschiedenen Genotypen fanden die Wissenschaftler zudem heraus, dass das Risiko für derartige Attacken über jede QTc-Zeit bei den LQT2- und LQT3-Mutationen um 130 % bzw. 157 % höher ist als im Vergleich zur LQT1-Mutation.
Auf Basis dieser Daten haben die Forscher einen Chart entwickelt, um das 5-Jahres-Risiko für lebensgefährliche Arrhythmien individuell unter Berücksichtigung von Genotyp und QTc-Länge vorherzusagen. Dadurch werden frühere Annahmen teils widerlegt. So wurde z. B. vermutet, dass ein Patient mit einer 600 ms-LQT1-Mutation ein geringeres Risiko hat als ein Patient mit einer 500 ms-LQT2-Mutation. Anhand der neuen Daten zeigt sich, dass beide ungefähr das gleiche 3–6%ige Risiko besitzen. Gefährlich wird es für Patienten mit LQT2- oder LQT3-Mutation und einer QTc-Länge ab 540 ms. Sie haben ein über 9 % erhöhtes Risiko.
In dem Register wurde zudem die Effektivität verschiedener Betablocker in der Therapie des Long-QT-Syndroms erforscht. Es zeigte sich, dass nur Nadolol das Risiko für lebensgefährliche Arrhythmien signifikant senkt, und das um ca. 60 %. Kardioselektive Betablocker und auch Propanolol konnten das Risiko dagegen nicht effektiv senken. Nach Ansicht der Forscher sollten kardioselektive Betablocker künftig nicht mehr zur Therapie eingesetzt werden. Propanolol kann dagegen als Mittel der zweiten Wahl gelten, falls Nadolol nicht toleriert wird.
Die Studie liefert Ärzten ein praktisches Score-Chart, mit dem sie das Risiko für lebensgefährliche Arrhythmien bei Patienten mit kongenitalem Long-QT-Syndrom besser einschätzen können. Es soll auch die Entscheidung vereinfachen, ab wann ein implantierbarer Defibrillator eingesetzt werden sollte. Zudem hilft das Chart auch dem Patienten selbst, seine Krankheit besser zu verstehen und die Therapieadhärenz zu erhöhen. Noch relevanter ist mithin die Erkenntnis, dass Nadolol allen anderen Betablockern in der Therapie des Long-QT-Syndroms überlegen ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden sich daher sicherlich bald in den neuen Leitlinien wiederfinden.
Quelle:
Mazzanti et al. Interplay Between Genetic Substrate, QTc Duration, and Arrhythmia Risk in Patients With Long QT Syndrome. Journal of the American College of Cardiology. Volume 71, Issue 15, April 2018. DOI: 10.1016/j.jacc.2018.01.078