Meilenstein: SGLT2-Inhibitoren zeigen als erstes Medikament Wirksamkeit bei HFpEF
Der SGLT2-Inhibitor Dapagliflozin konnte in der DELIVER-Studie bei HFpEF überzeugen. Damit ist klar: SGLT2-Inhibitoren könnten das neue Allround-Medikament bei Herzinsuffizienz werden.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der DELIVER-Studie
- Dapagliflozin reduziert kardiale Dekompensationen bei Herzinsuffizienz mit einer EF > 60%
- Zusätzlich besteht ein Trend zu reduzierter kardiovaskulärer Mortalität
- SGLT2-Inhibitoren könnten sich als Standardmedikament bei Herzinsuffizienz etablieren
Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) macht nahezu die Hälfte aller Fälle von Herzschwäche in Deutschland aus. Im Gegensatz zur Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) ist bei dieser Form die Pumpleistung nicht beeinträchtigt. Während die Kardiologen bei HFrEF auf verschiedenste medikamentöse Optionen zurückgreifen können, stehen sie bei HFpEF weitgehend blank da. Doch seit letztem Jahr scheint sich auch hier etwas zu tun. Empagliflozin, ein pharmakologischer Inhibitor des Natrium-Glukose-Cotransporters 2 (SGLT2-Inhibitor), schien in der EMPEROR-Preserved-Studie kardiovaskuläre Dekompensationen bei Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter Pumpfunktion (HFmrEF) zu verringern – dieser Typ liegt zwischen HFrEF und HFpEF. Zwar gab es bei HFpEF kein signifikantes Ergebnis, der Trend zeigte jedoch auch hier in die richtige Richtung. Zur weiteren Klärung mussten neue Daten her, die jüngst auf dem diesjährigen Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Barcelona vorgestellt wurden.
DELIVER Studie untersuchte Wirkung von Dapagliflozin bei HFpEF
Konkret geht es um die DELIVER-Studie, in der Dapagliflozin an über 6.200 Patienten mit HFmrEF und HFpEF untersucht wurde. Im Gegensatz zu EMPEROR-Preserved wurden hier auch Patienten eingeschlossen, die erst kürzlich hospitalisiert waren, und jene, bei denen sich die EF bereits verbessert hat. Das Durchschnittsalter lag bei 72 Jahren, 44% der Teilnehmenden waren weiblich. Die durchschnittliche EF lag bei 54% und die mittlere glomeruläre Filtrationsrate bei 60 ml/min. Die meisten Patienen (ca. 70%) wiesen ein New York Heart Association (NYHA) Stadium 2 auf. Ein Großteil erhielt bereits eine umfangreiche medikamentöse Herzinsuffizienz-Therapie: Die Schleifendiuretika-Einnahme lag bei 77% und war damit etwas niedriger als bei den HFrEF-Studien zu Dapagliflozin. Dagegen war die Einnahme von Aldosteronantagonisten mit rund 40% erhöht. Vier Fünftel der PatientInnen nahmen zudem Betablocker, Angiotensin Converting Enzyme (ACE)-Inhibitoren, Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARBs) oder Sacubitril/Valsartan ein. Die mittlere Follow-Up Zeit lag bei 2,3 Jahren. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod und verschlechterter Herzinsuffizienz (mit Notwendigkeit einer Hospitalisierung oder eines ambulanten Arztbesuchs).
DELIVER hat "geliefert"
Nach Studienende trat der primäre Endpunkt bei 16,4% der Patienten in der Dapagliflozin-Gruppe und bei 19,5% in der Placebo-Gruppe auf. Relativ gesehen konnte mit Dapagliflozin das Auftreten des primären Endpunkts um 18% reduziert werden. Trennt man den Outcome auf, wurde der Benefit statistisch signifikant nur bei verschlechterter Herzinsuffizienz gesehen (-21%). Es gab einen Trend bei kardiovaskulärem Tod (-12%), der aber nicht signifikant war. Es konnte kein Effekt auf die Gesamtmortalität gezeigt werden. Die PatientInnen profitierten aber subjektiv von der Therapie mit Dapagliflozin. So wurden anhand des Kansas City Cardiomyopathy Questionnaires (KCCQ) weniger Symptome und körperliche Einschränkungen unter Verum berichtet.
In Subgruppen-Analysen konnten die AutorInnen der Studie belegen, dass der primäre Endpunkt durch den SGLT2-Inhibitor im gesamten EF-Spektrum gleichermaßen reduziert wurde – auch bei einer EF > 60%. Dies ist der maßgebliche Unterschied im Vergleich zur EMPEROR-Preserved-Studie, die hier keinen signifikanten Effekt fand. Auch in der Subgruppe der kürzlich hospitalisierten PatientInnen fand sich ein positiver Effekt.
Metaanalyse zeigt Effekt auf kardiovaskuläre Mortalität
Die Studie bestätigt, dass SGLT2-Inhibitoren nicht nur bei HFrEF, sondern auch bei HFpEF wirksam sind, also im gesamten EF-Spektrum. Ein Wehrmutstropfen bleibt die fehlende Signifikanz bei kardiovaskulärer Mortalität. Dies könnte jedoch an der zu geringen Power liegen. Eine kürzlich im Lancet veröffentlichte Metaanalyse, in der die beiden HFpEF-Studien DELIVER und EMPEROR-Preserved zusammengefasst wurden, konnte eine nahezu signifikante Reduktion von kardiovaskulärer Mortalität zeigen (-12% Risikoreduktion, p = 0,052). Offene Fragen bestehen noch in Bezug auf andere Bevölkerungsgruppen wie Schwarzafrikaner und Asiaten, da hier zu wenige Menschen eingeschlossen wurden. Zudem wurden in die Studie keine PatientInnen mit schwerer und terminaler Niereninsuffizienz inkludiert.
Neues Allround-Medikament bei Herzinsuffizienz?
Zusammenfassend zeigen die Daten, dass sich SGLT2-Inhibitoren zum Standardtherapeutikum bei jeglicher Art von Herzinsuffizienz etablieren könnten, auch bei schwerer Herzinsuffizienz. Die US-amerikanischen Leitlinien sind bereits vorangegangen und haben für SGLT2-Inhibitoren eine 2A-Empfehlung zur HFpEF-Therapie ausgegeben. Es ist anzunehmen, dass auch die europäischen Leitlinien zügig folgen werden.
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- Solomon SD et al. Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 2022; 387:1089-1098. September 22, 2022. DOI: 10.1056/NEJMoa2206286
- Vaduganathan, M et al. SGLT-2 inhibitors in patients with heart failure: a comprehensive meta-analysis of five randomised controlled trials. THE LANCET. VOLUME 400, ISSUE 10354, P757-767, SEPTEMBER 03, 2022. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01429-5