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COVID-19: Kranke Herzen exprimieren mehr ACE2

Das Sars-CoV-2-Virus dringt über den ACE2-Rezeptor in unsere Körperzellen ein. Eine neue Studie zeigt nun, dass dieser Rezeptor auch in menschlichen Herzzellen exprimiert wird.

Neue Studie untersucht ACE2-Rezeptor-Expression im menschlichen Herz

Das Sars-CoV-2-Virus dringt über den ACE2-Rezeptor in unsere Körperzellen ein. Eine neue Studie zeigt nun, dass dieser Rezeptor auch in menschlichen Herzzellen exprimiert wird. Ein vorerkranktes Herz oder die Behandlung mit bestimmten Blutdrucksenkern scheint die kardiale ACE2-Expression dabei zu erhöhen. Erhöht sich dadurch auch das Risiko für virusbedingte Herzschäden?

Die COVID-19-Epidemie ist weltweit auf dem Vormarsch, und das trotz der teils strikten Lockdown-Maßnahmen. Die Wissenschaft ist dem Virus aber auf den Fersen und kann den Infektionsweg von Sars-CoV-2 immer besser nachvollziehen. Wie schon vielfach berichtet, nutzt das Virus den Rezeptor "Angiotensin-Converting-Enzyme-2" (ACE2), um in seine Wirtszellen einzudringen und sich zu vermehren. ACE2 ist Teil des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) und maßgeblich an der Regulation des Blutdrucks beteiligt. ACE2 ist hier der "gute" Gegenspieler von ACE1, das eher ungünstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System besitzt. Wie neue Studien nun zeigen, beschränkt sich die ACE2-Expression nicht nur auf die Lunge. Vielmehr wird es in vielen Organsystemen exprimiert – auch im Herzen. Diese Beobachtung passt zu den zahlreichen epidemiologischen Daten, die zeigen, dass herzkranke PatientInnen ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Tierstudien legen nahe, dass dieses erhöhte Risiko möglicherweise durch die Behandlung mit bestimmten Blutdrucksenkern erklärt werden könnte. So erhöhte die Behandlung mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern die ACE2-Expression im Herzen von Ratten. Fraglich ist jedoch, ob sich ähnliche Ergebnisse auch beim Menschen zeigen.

Hinweise auf gestörte kardiale Mikrozirkulation durch COVID-19

Ein Forscherteam um Luka Nicin aus Frankfurt am Main hat daher die ACE2-Expression im menschlichen Herzen genauer untersucht. Dazu führten Nicin und Kollegen eine Einzelnukleotid-RNA-Sequenzierung an sieben "kranken Herzen" durch und verglichen die Daten mit denen eines gesunden Spenderorgans. Die kranken Herzen stammten von PatientInnen, die an einer Aortenstenose oder an einer Herzinsuffizienz gelitten hatten.

Die Forschenden konnten zeigen, dass ACE2 auch im Menschen exprimiert wird, und zwar hauptsächlich in Kardiomyozyten und Perizyten. Letztere sind kontraktile Bindegewebszellen, die die Kapillargefäße des Herzens auskleiden. In geringerem Maße wurde ACE2 auch in Fibroblasten, Endothelzellen und Leukozyten exprimiert.

Verglichen mit einem gesunden Herzen war die ACE2-Expression der Kardiomyozyten bei PatientInnen mit einer Herzerkrankung signifikant erhöht. Dies konnten die Forschenden auch mit einer speziellen Immunfärbung belegen.

Weiterhin schien auch die Wahl der antihypertensiven Medikation einen Einfluss auf die kardiale ACE2-Expression zu haben. So fanden die Forschenden Hinweise darauf, dass Kardiomyozyten infolge einer ACE-Hemmer-Therapie mehr ACE2 exprimieren als nach einer Behandlung mit einem Angiotensin-Rezeptor-Blocker. Zudem scheint die Therapie mit einem ACE-Hemmer auch ein Ungleichgewicht zwischen ACE1 und ACE2 zu begünstigen – die ACE1/ACE2-Ratio war hier ungefähr viermal höher im Vergleich zu einem gesunden Herzen.

Erhöhen ACE-Hemmer das kardiale Risiko?

Auch wenn die Studie eine äußerst niedrige Probandenzahl aufweist und dadurch die Robustheit der Daten fairerweise in Frage gestellt werden muss, liefert sie einige wichtige Hypothesen, denen in größeren Studien nachgegangen werden sollte. Die mitunter wichtigste Beobachtung ist, dass Angiotensin-Rezeptor-Blocker die ACE2-Expression nur geringfügig erhöhen. Sind sie also die bessere Alternative für herzkranke PatientInnen in "Corona-Zeiten"? Zukünftige Studien sollten dies klären. Eine weitere wichtige Frage ist, welche Herzzellen primär durch Sars-CoV-2 geschädigt werden. Während die hier vorgestellte Studie eine relevante ACE2-Expression in Kardiomyozyten und Perizyten fand, wurde in einer anderen ähnlich designten Untersuchung nur in Perizyten eine hohe ACE2-Expression beobachtet. Zukünftige Studien sollten sich daher auch auf die Erforschung des Effekts von Sars-CoV-2 in Perizyten konzentrieren, die maßgeblich an der Blutversorgung des Herzens beteiligt sind. Eine Schädigung dieser speziellen Gefäßzellen durch Sars-CoV-2 könnte die Erhöhung von herzspezifischen Blutmarkern (Troponin-T, B-Typ-natriuretische Peptide BNP und NT-proBNP) während einer COVID-19-Erkrankung erklären.

Bleibt zusammenzufassen: Im Zuge der aktuellen Forschungsbemühungen wird immer mehr klar, dass COVID-19 keine reine Lungenerkrankung ist, sondern verschiedene Organsysteme befällt. Dem Herzen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da es nicht nur den "Motor des Lebens" darstellt, sondern bei vielen Menschen durch einen ungesunden Lebensstil bzw. genetische Faktoren bereits vorgeschädigt ist, was eine Infektion mit Sars-CoV-2 umso gefährlicher macht.

Quellen:
1. Nicin L et al Cell type-specific expression of the putative SARS-CoV-2 receptor ACE2 in human hearts. European Heart Journal, Volume 41, Issue 19, 14 May 2020, Pages 1804–1806. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa311
2. Chen L et al. The ACE2 Expression in Human Heart Indicates New Potential Mechanism of Heart Injury Among Patients Infected With SARS-CoV-2. Cardiovasc Res. 2020 May 1;116(6):1097-1100. https://doi.org/10.1093/cvr/cvaa078