Leider wird der Blutdruck immer noch zu selten an beiden Armen gemessen. Dabei zeigt eine neue Studie, dass schon ein kleiner Unterschied des systolischen Blutdrucks von 5 mmHg zwischen linkem und rechtem Arm das Risiko für kardiovaskuläre und Gesamt-Mortalität signifikant erhöht.
Bluthochdruck ist ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor, der mittels wiederholter Blutdruckmessungen recht einfach diagnostiziert werden kann. Was viele ÄrztInnen jedoch vernachlässigen: Im Idealfall sollte der Blutdruck mindestens einmal an beiden Armen gemessen werden, um eine mögliche Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen aufzuspüren. Hiermit lässt sich nicht nur eine einseitige Arterienstenose (z. B. der Arteria subclavia) diagnostizieren – auch ist eine relevante Blutdruckdifferenz ein unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Die europäischen und US-amerikanischen Leitlinien setzen momentan den Cut-Off bei ≥ 15 mmHg Unterschied. Die Datenbasis dieser Empfehlung ist jedoch recht dünn. Zudem ist noch unklar, ob bereits eine niedrigere Blutdruckdifferenz mit einem höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert ist.
Ein Team um Dr. Christopher Clark von der University of Exeter in England hat daher eine neue Metaanalyse durchgeführt. Im Gegensatz zu früheren Studien wurden für diese Analyse individuelle Patientendaten von über 57.000 ProbandInnen aus 24 longitudinalen Studien (14 aus Westeuropa) gesammelt. Alle eingeschlossenen Studien erfüllten die Bedingungen der Autoren: Messung von Blutdruck an beiden Armen, keine blutdrucksenkende Intervention und zuverlässige Bestimmung weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren.
Das durchschnittliche Alter der StudienteilnehmerInnen lag bei 60 Jahren, rund 48% der Probanden waren weiblich und 76% waren europäischer Abstammung. Der Baseline-Blutdruck lag bei durchschnittlich 138/81 mmHg. Eine kardiovaskuläre Erkrankung war bei 18% der TeilnehmerInnen bekannt, ein Diabetes bei 15% und Bluthochdruck bei 56%. Die Hypothese der WissenschaftlerInnen war, dass eine systolische Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen am Baseline-Zeitpunkt die Mortalität und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse über einen Zeitraum von 10 Jahren vorhersagen kann. Mögliche Confounder wie systolischer Blutdruck, Alter, Geschlecht, Abstammung, Nikotinabusus, Gesamt-Cholesterinwerte, Diabetes, Übergewicht wurden in den Berechnungen berücksichtigt.
Innerhalb des Beobachtungszeitraums starben 9,2% der StudienteilnehmerInnen. Es zeigte sich, dass es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Blutdruckdifferenz beider Arme und dem Sterberisiko gab. So erhöhte ein Blutdruckunterschied von je 5 mmHg zwischen beiden Armen das Sterberisiko stufenweise um jeweils 5%, unabhängig von weiteren Risikofaktoren. Gleiches zeigte sich auch in Bezug auf den kardiovaskulären Tod, der bei 3% der ProbandInnen auftrat. Auch hier war das Risiko stufenweise um jeweils 6% erhöht, pro Blutdruckdifferenz von 5 mmHg. Bei kardiovaskulären Ereignissen (tödlich und nicht-tödlich) zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang (p = 0,17).
In einem weiteren Schritt überprüften die ForscherInnen in einer Untergruppe von TeilnehmerInnen ohne kardiovaskuläre Erkrankung, ob die Blutdruckdifferenz beider Arme das kardiovaskuläre Risiko unabhängig von bekannten kardiovaskulären Scores vorhersagen kann. Bei den vornehmlich in den USA genutzten Scores ASCVD, Framingham und QRISK2 hatte die Blutdruckdifferenz beider Arme tatsächlich einen zusätzlichen Aussagewert. So erhöhte sich bei einer Arm-zu-Arm-Differenz von ≥ 10 mmHg das Risiko für kardiovaskulären Tod zusätzlich um ca. 4 bis 12% innerhalb von 10 Jahren. Bei dem hierzulande genutzten SCORE-Chart der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hatte die Blutdruckdifferenz beider Arme jedoch keinen zusätzlichen Aussagewert (p = 0,18). Die ForscherInnen argumentieren, dass mit 0,9% nur relativ wenig Probanden mit komplettem SCORE-Datensatz an einem kardiovaskulären Ereignis verstorben sind, was die statistische Signifikanz möglicherweise verfälscht habe.
Die AutorInnen schlussfolgern aus den Daten ihrer Metanalyse, dass die systolische Blutdruckdifferenz beider Arme ein wichtiges Maß zur Bestimmung des kardiovaskulären Risikos sei. Auch wenn einige wenige Analysen nicht signifikant sind, die Ergebnisse zur kardiovaskulären und Gesamt-Mortalität (ca. 5% Risikoerhöhung pro 5 mmHg Blutdruckdifferenz) sind eindeutig. Die Autoren empfehlen eine Anpassung der US-amerikanischen und europäischen Leitlinien, sodass bereits eine Differenz ≥ 10 mmHg (anstatt ≥ 15 mmHg) als kardiovaskulärer Risikofaktor definiert wird.
Immerhin weisen ca. 11% aller Hypertoniker einen entsprechenden Unterschied von ≥ 10 mmHg zwischen beiden Armen auf und hätten damit ein höheres kardiovaskuläres Risiko. Sie könnten also von einer Therapieintensivierung profitieren. Ebenfalls profitieren könnten Betroffene, die ein grenzwertig erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besitzen und bei denen die Entscheidung über eine medikamentöse Therapie (z. B. über eine lipidsenkende Therapie) im Raum steht. Die Messung der Blutdruckdifferenz beider Arme könnte hier ein zusätzlicher Faktor sein, um bei der Therapieentscheidung zu helfen.
Eine Umsetzung der Empfehlung wäre einfach durchführbar, denn praktisch jeder Arzt / jede Ärztin besitzt ein Blutdruckmessgerät und benötigt nur rund eine Minute mehr Zeit für die Messung des Blutdrucks an beiden Armen.
Quellen:
Clark et al. Associations Between Systolic Interarm Differences in Blood Pressure and Cardiovascular Disease Outcomes and Mortality. Hypertension. Originally published 21 Dec 2020.