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Aspirin ohne Nutzen in der Primärprävention

Eine neue Metaanalyse zeigt: Aspirin schützt zwar vor kardiovaskulären Erkrankungen, jedoch zum Preis eines erhöhten Blutungsrisikos. Zur Primärprävention ist es nicht geeignet.

Weniger Herzinfarkte, aber mehr Blutungen

Eine neue Metaanalyse zeigt: Aspirin schützt zwar vor kardiovaskulären Erkrankungen, jedoch zum Preis eines erhöhten Blutungsrisikos. Zur Primärprävention ist es nicht geeignet.

Aspirin gilt als eine der Wunderpillen der modernen Medizin. Neben der schmerzlindernden Wirkung hat es niedrigdosiert einen blutverdünnenden Effekt und wird zur akuten und langfristigen Therapie von Herzkreislauferkrankungen eingesetzt. Weiterhin gibt es Hinweise, dass die tägliche Dosis Aspirin das Krebsrisiko senken kann. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wird seit langem debattiert, ob sich das Medikament möglicherweise zur Primärprävention von Herzkreislauf- und Tumorerkrankungen eignet. Bisherige Studien kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Um Klarheit zu schaffen, hat das Team um Prof. Sean Zheng vom Imperial College London die 13 größten Aspirin-Studien zur Primärprävention zusammengefasst und ausgewertet.

Metaanalyse

Die Forscher konnten auf Daten von über 164.000 Teilnehmern zugreifen. Die eine Hälfte der Patienten gehörte zur Interventionsgruppe. Sie nahmen je nach Studie täglich zwischen 75 und 500mg Aspirin ein. Demgegenüber standen Patienten, die ein Placebo erhielten. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 62 Jahren, 47% von ihnen waren Männer, bei 19% war ein Diabetes vorbekannt. Die Follow-Up-Zeit der Studien lag im Mittel bei 5 Jahren. Der primäre Outcome setzte sich aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall zusammen. Die Studienautoren teilten die Patienten in zwei Gruppen ein: Die "High-Risk" Gruppe bestand aus Patienten mit einem Risiko über 10%, in den nächsten 10 Jahren ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. In der "Low-Risk" Gruppe waren alle Patienten mit einem Risiko unter 10% vertreten.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse

Die Einnahme von Aspirin führte zu 11% weniger kardiovaskulären Ereignissen über einen Zeitraum von fünf Jahren. Um ein kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, mussten 265 Patienten über 5 Jahre Aspirin einnehmen. Dabei profitierten insbesondere Patienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko von dem Medikament: Sie hatten ein 13% niedrigeres Risiko, während das Risiko bei "High-Risik" Patienten nur um 8% gesenkt werden konnte. Bei Diabetikern wurde das Risiko durch Aspirin um 11% gesenkt.

Mehr Blutungen

Die Kehrseite der Medaille: Die Patienten aus der Aspirin-Gruppe erlitten gleichzeitig 43% mehr Blutungsereignisse, davon 34% mehr intrakranielle Blutungen und 56% mehr gastrointestinale Blutungen. Anders ausgedrückt: Wurden 210 Patienten über 5 Jahre mit Aspirin behandelt, erlitt einer von ihnen dadurch ein Blutungsereignis. Das Risiko war dabei für kardiovaskuläre "High-Risk"- und "Low-Risk"-Patienten vergleichbar (41% und 45%). Dagegen war das Blutungsrisiko bei Diabetikern, die Aspirin einnahmen, vergleichsweise weniger stark erhöht (29%). Die Ergebnisse blieben unverändert, als die Forscher alle Patienten mit einer Aspirindosis über 100mg von der Analyse ausschlossen.

Kein Effekt auf das Krebsrisiko

Das Team um Prof. Zheng untersuchte auch, ob die tägliche Aspirineinnahme vor Krebs schützen kann. Dazu werteten sie alle Krebsfälle aus, die im Laufe der mittleren Beobachtungszeit von 5 Jahren auftraten. Das Ergebnis: Aspirin konnte weder die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, an Krebs zu erkranken, noch an ihm zu versterben.

Nur in Einzelfällen zur Primärprävention geeignet

Die Ergebnisse der Metanalyse bestätigen die aktuellen Empfehlungen der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die sich bisher gegen eine Gabe von niedrigdosiertem Aspirin in der Primärprävention ausgesprochen hat. In Einzelfällen, z.B. bei Patienten mit sehr stark erhöhtem kardiovaskulärem Risiko ohne Hinweis auf ein erhöhtes Blutungsrisiko, mag eine primärpräventive Gabe von Aspirin möglicherweise sinnvoll sein. Diese Patienten stellen jedoch eine Ausnahme dar.

Die Rolle von Aspirin in der Krebsprävention ist weiterhin umstritten. Die Autoren schlussfolgern anhand ihrer Ergebnisse, dass Aspirin weder einen positiven noch einen negativen Effekt auf die Krebsentstehung hat. Möglicherweise kommt es auf die Dauer der Einnahme an: Einige Untersuchungen legen nahe, dass der Einnahmezeitraum deutlich über fünf Jahren liegen muss, um das Krebsrisiko effektiv zu senken. Die US-amerikanische Task Force für Präventionsstrategie (USPSTF) empfiehlt derzeit zur Darmkrebsprävention die Einnahme von Aspirin über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren. Doch die Evidenzlage ist nicht eindeutig, weshalb die europäischen Leitlinien von einer derartigen Empfehlung absehen.

Quelle:
1. Zheng SL et al. Association of Aspirin Use for Primary Prevention. With Cardiovascular Events and Bleeding Events. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2019;321(3):277-287. doi:10.1001/jama.2018.20578