Eine Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in Ländern mit niedriger HIV-Prävalenz kann bei Hochrisikogruppen wie Homosexuellen die HIV-Inzidenz senken. Bei intravenös Drogenabhängigen ist ein Effekt nur dann zu erwarten, wenn die PrEP mit anderen Programmen kombiniert wird. Bei Migranten aus Hochrisikoländern hat die PrEP auf die HIV-Inzidenz kaum einen Effekt, berichtete Roel Coutinho, Medizinisches Zentrum der Universität Utrecht, bei der 25. CROI am 6. März 2018 in Boston.
Die PrEP (Präexpositionsprophylaxe) dient dazu, HIV-negative Menschen vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. In Ländern mit niedriger HIV-Prävalenz gehören Homosexuelle, intravenös Drogenabhängige sowie Migranten aus Ländern mit hoher Prävalenz zu den Zielgruppen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass mit einer PrEP bei Homosexuellen das HIV-Risiko um 44 bis 100 % und bei intravenös Drogenabhängigen um 49 % gesenkt werden kann. Bei Heterosexuellen in Ländern mit hoher Prävalenz sind die Effekte stark schwankend. Ursächlich hierfür sind verschiedene Faktoren, wie z. B. die Adhärenz oder geschlechtsspezifische Unterschiede, wobei Coutinho die Adhärenz als absolut wichtigen Faktor ansieht.
Eine PrEP hat bei Gruppen mit einem substanziellen HIV-Risiko zwei Effekte:
Homosexuelle Männer sind am häufigsten von einer HIV-Infektion betroffen, in Europa sind es etwa 40 %, in den USA mindestens 60 % aller neu diagnostizierten Fälle. Eine britische Kosten-Nutzen-Analyse ergab, dass die PrEP bei Homosexuellen kosteneffektiv und langfristig gesehen eventuell sogar kostensparend ist.
In einem weiteren Modell konnten niederländische Autoren zeigen, dass die HIV-Prävalenz bei PrEP abnimmt und dass die HIV-Infektion langfristig durch die PrEP eliminiert werden könnte. Allerdings würde dies etwa 120 Jahre dauern. "Sie sehen, wie schwierig das ist", kommentierte Coutinho.
Zum Einfluss der PrEP auf die HIV-Inzidenz gibt es nur sehr wenige publizierte Daten. Daten von homosexuellen Männern aus London zeigen zwar eine Abnahme der HIV-Diagnosen in den letzten Jahren bei zunehmender Zahl an Männern auf PrEP. Gleichzeitig nahmen die Zahl der HIV-Tests, vor allem der wiederholten Tests zu, sowie die frühen ART. Deshalb ist es mit Surveillance-Daten sehr schwierig, diese Effekte einzuordnen.
Am Beispiel eines Hepatitis-B-Vakzinierungsprogramms zeigte Coutinho auf, dass es möglich ist, mit einem gezielten Programm einen Effekt zu erreichen: Die Zahl der akuten Hepatitis-B-Infektionen sank durch das Vakzinierungsprogramm deutlich. "Ein gezieltes Programm kann einen nachhaltigen Effekt haben – wenn man die richtige Gruppe anspricht", betonte der niederländische Mikrobiologe. Allerdings sei es leichter jemanden zu impfen als jeden Tag eine PrEP einzunehmen.
Wir können erwarten, dass eine PrEP die HIV-Inzidenz bei intravenös Drogenabhängigen senkt, aber sie sollte mit weiteren Interventionen kombiniert werden. "Eine alleinige PrEP bei intravenös Drogenabhängigen ohne kombinierte Maßnahmen wird wahrscheinlich nicht funktionieren."
Migranten aus Ländern mit hoher HIV-Prävalenz können mit einer PrEP geschützt werden, auf die weitere Übertragung hat sie jedoch bei Heterosexuellen keinen Effekt. Dies gilt jedoch nicht für homosexuelle Migranten.
Nach Modellstudien in Südafrika ist nur ein sehr geringer Effekt der PrEP auf die HIV-Inzidenz zu erwarten. Bei einer Abdeckung von 18 % unter jungen Frauen oder Heranwachsenden ist mit einer Senkung der HIV-Inzidenz um 1 bis 7 % pro Jahr zu rechnen. "Das ist ein sehr begrenzter Effekt." Derzeit ist es sehr viel effektiver, in diesen Ländern HIV-Infektionen früh zu erkennen und sie früh zu behandeln.
Coutinho empfahl, PrEP möglichst in entsprechenden Programmen einzusetzen und die Teilnehmer engmaschig zu überwachen. Diese Programme sollten die Gruppen mit dem höchsten Risiko erfassen. Wichtig sind eine hohe Abdeckung und eine gute Adhärenz.
Quelle:
Coutinho R. Impact of PrEP on HIV incidence. 25. CROI, Boston, 6. März 2018, Abstract 106. http://www.croiconference.org/sessions/impact-prep-hiv-incidence