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Zöliakie in der Praxis: Risiken erkennen, Mängel vermeiden

Zöliakie führt zu erheblichen Nährstoffdefiziten – doch auch die glutenfreie Ernährung birgt Risiken. Ein aktueller Review-Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Langzeitrisiken der glutenfreien Ernährung:

Glutenfreie Diät: Zwischen Ernährungsrisiken und Gesundheitschancen

Die glutenfreie Ernährung ist derzeit die einzige effektive Therapie für Patienten mit Zöliakie. Sie verbessert die Nährstoffaufnahme und lindert Symptome. Obwohl sich klinische und histologische Parameter innerhalb eines Jahres meist verbessern, können nicht alle durch die Grunderkrankung verursachten Mängel vollständig ausgeglichen werden. 

Beispielsweise bleiben malnutritionsbedingte Defizite an Eisen, Folsäure oder Vitamin B12 bei einem Teil der Betroffenen bestehen und erfordern gezielte Supplementierung.1 So ergab eine Studie, dass unter langfristiger glutenfreier Ernährung 20 % der Patient:innen einen Folsäure- und 30 % einen Vitamin-B12-Mangel aufwiesen.2 Auch Defizite bei Kalzium, Eisen, Magnesium und Zink können fortbestehen, da diese Mikronährstoffe in glutenfreien Produkten häufig fehlen oder in zu geringer Menge enthalten sind.3

Gewichtszunahme und metabolische Risiken unter glutenfreier Diät 

Darüber hinaus birgt die glutenfreie Ernährung langfristig Risiken durch ungünstige Ernährungsgewohnheiten: Eine glutenfreie Diät ist nicht automatisch ausgewogen, sondern kann mit einer erhöhten Zufuhr von Kalorien, Fett und Zucker verbunden sein.1 Dies liegt vor allem am Konsum stark verarbeiteter glutenfreier Lebensmittel mit geringer Nährstoffdichte. Solche Ernährungsgewohnheiten spiegeln sich auch in den Blutwerten wider: Eine Metaanalyse zeigte, dass unter glutenfreier Ernährung erhöhte Cholesterin-, HDL- und Nüchternblutzuckerwerte auftreten.4
Zudem erhöht die durch Glutenverzicht wiederhergestellte intestinale Absorptionsfähigkeit, verbunden mit dem Konsum fettreicher glutenfreier Lebensmittel, das Risiko für Übergewicht. Ebenso werden ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko sowie ein möglicher Zusammenhang zwischen glutenfreier Ernährung und nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD) diskutiert.1 Diese Erkenntnisse sind auch für Personen relevant, die aus persönlichen Gründen eine glutenfreie Ernährung wählen, ohne dass eine Zöliakie oder Gluten-Sensitivität diagnostiziert wurde.

Nährstoffmängel unter glutenfreier Diät 

Zu den Langzeitrisiken einer glutenfreien Ernährung zählen auch Nährstoffdefizite. Besonders gilt das für Magnesium, Zink und die Vitamine der B-Gruppe.1 Eine Studie ergab beispielsweise, dass zwei Jahre nach Beginn einer glutenfreien Diät bei guter Adhärenz folgende Mangelzustände auftraten:

Darüber hinaus zeigten 3,6 % der untersuchten Kinder einen Kalziummangel und 20 % einen Magnesiummangel.5
Ein wichtiger Aspekt diesbezüglich kann die reduzierte Aufnahme von ballaststoff- und FODMAP-haltigem Gemüse und anderen Lebensmitteln sowie ein erhöhter Fleischkonsum bei insgesamt niedrigerer Proteinaufnahme im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sein.1 Die daraus resultierende unzureichende Versorgung mit Mikronährstoffen kann langfristig erhebliche Gesundheitsfolgen haben – darunter verminderte Knochengesundheit und neurologische Beschwerden.1

Empfehlungen für die Praxis: Glutenfreie Ernährung bleibt Standard 

Die glutenfreie Ernährung bleibt weiterhin der Goldstandard in der Zöliakie-Therapie. Allerdings ist es wichtig, Betroffene über mögliche Risiken einer einseitigen Ernährung aufzuklären. Schließlich geht es nicht allein um den bloßen Verzicht auf Gluten: Vielmehr sollte eine glutenfreie Ernährung möglichst abwechslungsreich sein und pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse sowie natürlich glutenfreie Vollkorngetreide und Pseudogetreide umfassen.1 Diese Lebensmittel liefern komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe.1 Der Konsum verarbeiteter glutenfreier Produkte sowie minderwertiger Fette und einfacher Zucker sollte reduziert werden. Besonders zu beachten ist die ausreichende Zufuhr von Eisen, Kalzium, Vitamin D sowie B-Vitaminen, da diese Nährstoffe klinisch besonders relevant sind.1 Bei unzureichender Versorgung ist eine gezielte Supplementierung erforderlich.1

… jedoch nicht ohne Kontrolle 

Neben der Optimierung der glutenfreien Ernährung benötigen Betroffene mit Zöliakie eine lebenslange ernährungsmedizinische Betreuung. Folgende klinische Empfehlungen ergeben sich daraus laut der Übersichtsarbeit:

Quellen:
  1. Bianchi PI, Aronico N, Santacroce G, Broglio G, Lenti MV, Di Sabatino A. Nutritional Consequences of Celiac Disease and Gluten-Free Diet. Gastroenterology Insights. 2024; 15(4):878-894. https://doi.org/10.3390/gastroent15040061.
  2. Repo, M.; Kurppa, K.; Huhtala, H.; Luostarinen, L.; Kaukinen, K.; Kivelä, L. Significance of low ferritin without anaemia in screen-detected, adult coeliac disease patients. J. Intern. Med. 2022, 292, 904–914.
  3. Rybicka, I. The handbook of minerals on gluten-free diet. Nutrients 2018, 10, 1683.
  4. Potter, M.D.E.; Brienesse, S.C.; Walker, M.M.; Boyle, A.; Talley, N.J. Effect of the gluten-free diet on cardiovascular risk factors in patients with coeliac disease: A systematic review. J. Gastroenterol. Hepatol. 2018, 33, 781–791.
  5. Rondanelli, M.; Faliva, M.A.; Gasparri, C.; Peroni, G.; Naso, M.; Picciotto, G.; Riva, A.; Nichetti, M.; Infantino, V.; Alalwan, T.A.; et al. Micronutrients Dietary Supplementation Advices for Celiac Patients on Long-Term Gluten-Free Diet with Good Compliance: A Review. Medicina 2019, 55, 33.