- Vogt A. Statinunverträglichkeit – Statinverträglichkeit. Innere Medizin 2023;64: 622–628. https://doi.org/10.1007/s00108-023-01535-9.
Und dennoch: Während im Rahmen placebokontrollierter Studien die Statintherapie bei weniger als 1% der Teilnehmer zu Muskelsymptomen führt, sind es im klinischen Alltag 10% der Patienten, die wegen der Beschwerden die Therapie abbrechen – mit zum Teil fatalen Folgen: Wird der LDL-C-Spiegel nicht ausreichend gesenkt, steigt die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse und folglich auch die Sterblichkeit. Doch woran liegt das Unbehagen mit der Behandlung?
Statine haben nicht den besten Ruf. In den Medien, in sozialen Netzwerken und persönlichen Erfahrungsberichten werden vorwiegend negative Effekte der Behandlung geschildert. Der Nutzen einer langfristigen, zuverlässigen LDL-Senkung fällt dabei oft unter den Tisch. Dieses schlechte Image der Statine erklärt die oben beschriebene Diskrepanz, und zwar über den sogenannten Noceboeffekt, das Gegenstück zum bekannteren Placebo-Effekt. Er besagt, dass allein eine negative Erwartungshaltung zu Unverträglichkeiten führen kann, ohne dass der Wirkstoff selbst dafür verantwortlich ist.
Natürlich gibt es auch echte Statinunverträglichkeiten, die allerdings deutlich seltener sind als die vermeintlichen. Hilfreich bei der Einschätzung ist ein Myalgie-Score, mit dem die Wahrscheinlichkeit einer statinbedingten Myalgie beurteilt werden kann. Außerdem kann die Bestimmung der Kreatinkinase (CK) weiterführen. Es gilt:
Vorsicht ist geboten bei ausgeprägten Muskelschmerzen, allgemeiner Muskelschwäche und einer erhöhten Myoglobinkonzentration. Sie können auf eine Rhabdomyolyse hindeuten. Wenn der CK-Wert >1000 U/l (16,7 μkat/l) beträgt und eine proximale Muskelschwäche auftritt, muss an eine Myopathie gedacht und die Medikation sofort beendet werden.
In den allermeisten Fällen besteht jedoch kein Grund, die Therapie zu beenden. Wichtig ist eine genaue Anamnese, um ggf. andere Faktoren zu finden, die zu Muskelbeschwerden führen können. Dazu gehören neben Sport auch ein niedriger BMI, eine Hypothyreose, akute Infektionen oder andere Medikamente.
Sind sie ausgeschlossen, sollten die Patienten gut über die Fakten informiert werden. Um die Adhärenz zu stärken, müssen sie jedoch auch emotional erreicht werden. Das gelingt mit einer positiv geprägten Kommunikation und der richtigen Anamnesetechnik (Stichwort "motivational interviewing"). Letztlich sollen die Patienten die Entscheidung eigenverantwortlich treffen und dahinterstehen. Dazu können auch Berichte über positive Erfahrungen anderer Patienten beitragen, um den Ruf der Statine insgesamt zu verbessern.
Obwohl Statine wirksam, sicher und gut verträglich sind, brechen viele Patienten die Behandlung ab. Bei entsprechenden Beschwerden sollte der Hausarzt diesem Wunsch nicht gleich nachkommen, sondern sich die Zeit nehmen, mögliche Zweifel an der Behandlung zu zerstreuen. Es lohnt sich, denn schließlich geht es um eine lebenslange, effektive Prävention für seine kardiovaskulären Risikopatienten.