Psyche: Großer Risikofaktor für Long-COVID Logo of esanum https://www.esanum.de

Disstress kann das Risiko für Long-COVID erhöhen

Zunehmende Evidenz deutet auf die Relevanz von Stress, Ängsten und Depressionen hin: Diese waren in einer Studie stark mit dem Long-COVID-Risiko verknüpft.

Psychische Belastungen erhöhen die Infektanfälligkeit

"Wir waren überrascht, wie stark psychische Belastungen vor einer COVID-19-Infektion mit einem erhöhten Risiko für Long- COVID verbunden waren"

...sagt Leitautorin Siwen Wang.2 Im Rahmen der (nach unserem besten Wissen ersten) prospektiven Studie zu diesem Zusammenhang wurden im April 2020 54.960 Personen zu ihrer psychischen Belastung befragt. Da viele von ihnen auch Teil der 'Nurses Health Study' waren, waren 38% von ihnen im Gesundheitswesen tätig, 97% waren weiblich; das Durchschnittsalter lag bei 57,5 Jahren. Innerhalb der Nachverfolgungsperiode von 19 Monaten berichteten 3.193 (6%) von ihnen ein positives SARS-CoV-2-Testergebnis (PCR-, Antigen- oder Antikörpertest) und wurden nach ihren Krankheitssymptomen und deren Dauer befragt. 1.403 entwickelten ein Post-COVID-Syndrom.

Long-COVID war 32% wahrscheinlicher bei denjenigen, die Symptome einer Depression hatten (95% KI 1,12-1,55), bei Angstzuständen waren es 42% (95% KI 1,23-1,65), bei Besorgnis über COVID 37% (95% KI, 1,17-1,61), bei starkem Stress 46% (95% KI 1,18-1,81) und bei Einsamkeit 32% (95% KI 1,08-1,61).3 Die Analyse wurde für soziodemographische Faktoren und Komorbiditäten bereinigt. Bestanden vor der Infektion zwei oder mehr der genannten psychischen Stressoren, erhöhte sich das Risiko für Post-COVID-Erkrankungen um 49% (95 % KI 1,23-1,80). 

Psychische Belastungen stehen mit Inflammation in Verbindung

Psychische Erkrankungen erhöhen nachweislich das Risiko für schwere COVID-Verläufe sowie Hospitalisationen, die per se mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Long-COVID einhergehen. Auch bei anderen akuten Atemwegsinfekten, wie Grippe oder Erkältung, stehen psychische Probleme in Zusammenhang mit einem höheren Schweregrad und einer längeren Dauer der Symptome, schreibt das Team von Harvard weiter. Frühere Studien dokumentierten zudem, dass Stress mit chronischen Symptomen von Borreliose, Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Fibromyalgie einhergeht, die zum Teil ähnliche Symptome wie Long-COVID aufweisen.1,2

Fazit

Es besteht die Notwendigkeit, neben der körperlichen auch die psychische Gesundheit als Risikofaktor zu berücksichtigen – auch bei Long-COVID. Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es wäre, mentale Risikofaktoren ebenso ernst zu nehmen wie die körperlichen und diese nicht erst beim Auftreten von Komplikationen, sondern bereits im privaten und beruflichen Alltag, besser zu berücksichtigen.

Schon vor Jahren prognostizierten Ärzte und Gesundheitsorganisationen, dass Depressionen und Ängste bis 2020 weltweit die Behinderung Nummer 1 sein würden. Daten der WHO zufolge lebten bereits 2015 über 300 Millionen Menschen (4,3% der Weltbevölkerung) mit einer Depression, was einem Anstieg von 18% zwischen 2005 und 2015 entspricht.4 Bereits zu diesem Zeitpunkt trugen Depressionen am stärksten zur weltweiten Behinderungslast bei (7,5% aller Lebensjahre mit Behinderung im Jahr 2015). Aktuell sehen wir einen weiteren starken Anstieg: allein im ersten Jahr der Coronakrise stieg die weltweite Prävalenz von Angstzuständen und Depressionen erneut um massive 25%, so ein wissenschaftlicher Bericht der WHO.5 Ohne alltagsfähige Lösungsansätze zur Reduktion von Stress, Depressionen und Ängsten ist es wahrscheinlich, dass sich die psychische Gesundheit der Menschen weiter verschlechtert.
 

Quellen:
  1. Janetnzisa. Psychological Distress Linked to Higher Risk of Long COVID. European Medical Journal https://emj.emg-health.com/respiratory/news/psychological-distress-linked-to-higher-risk-of-long-covid/ (2022).
  2. Psychological distress before COVID-19 infection may increase risk of long COVID. News https://www.hsph.harvard.edu/news/press-releases/psychological-distress-before-covid-19-infection-increases-risk-of-long-covid/ (2022).
  3. Wang, S. et al. Associations of Depression, Anxiety, Worry, Perceived Stress, and Loneliness Prior to Infection With Risk of Post–COVID-19 Conditions. JAMA Psychiatry 79, 1081–1091 (2022).
  4. Depression single largest contributor to global disability, says WHO. https://www.downtoearth.org.in/news/health/depression-single-largest-contributor-to-global-disability-says-who-57211.
  5. COVID-19 pandemic triggers 25% increase in prevalence of anxiety and depression worldwide. https://www.who.int/news/item/02-03-2022-covid-19-pandemic-triggers-25-increase-in-prevalence-of-anxiety-and-depression-worldwide.

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