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Pathogenese der Zöliakie

Unter Patienten mit einer genetischen Veranlagung für  Zöliakie nimmt das Risiko sowohl der Entwicklung von Antikörpern gegen die Gewebe-Transglutaminase als auch des Vollbilds einer Zöliakie mit dem durchschnittlichen Gluten-Gehalt der Nahrung während der ersten fünf Lebensjahre zu. Das hat eine Zöliakie-bezogene Auswertung der internationalen prospektiven TEDDY-Studie ergeben.

Risiko für Zöliakie wächst mit Gluten-Gehalt der Nahrung in den ersten fünf Lebensjahren

Unter Patienten mit einer genetischen Veranlagung für  Zöliakie nimmt das Risiko sowohl der Entwicklung von Antikörpern gegen die Gewebe-Transglutaminase (Transglutaminase 2, TG2) als auch des Vollbilds einer Zöliakie mit dem durchschnittlichen Gluten-Gehalt der Nahrung während der ersten fünf Lebensjahre zu. Das hat eine Zöliakie-bezogene Auswertung der internationalen prospektiven TEDDY-Studie (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young) ergeben.1

Von 6.605 Kindern (49% weiblich) entwickelten bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 9 Jahren 1.216 (18%) ene Gewebe-Transglutaminase-Autoimmunität (GTA) und 447 (7%) eine voll ausgebildete Zöliakie einschließlich Marsh-2-Kriterien (d.h. ≥ 40 intraepitheliale Lymphozyten pro 100 Enterozyten plus Kryptenhyperplasie). Beide Krankheitsformen traten schwerpunktmäßig zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr der Patienten auf. Das absolute Risiko einer GTA beim Verzehr der altersabhängigen Referenzmenge an Gluten betrug im Alter von 3 Jahren 28,1%. Im gleichen Alter nahm das absolute Risiko, eine GTA zu entwickeln, pro Gramm täglicher Gluten-Aufnahme über der altersangepassten Referenzmenge um jeweils 6,1% zu (95%-Konfidenzintervall [CI] 4,5% – 7,7%; entsprechend einer Hazard Ratio [HR] von 1,30; 95 % CI 1,22 – 1,38).

Für das Vollbild der Zöliakie betrug die Erkrankungshäufigkeit im Alter von 3 Jahren 20,7%. Das Erkrankungsrisiko stieg mit jedem Gramm Gluten pro Tag über der Referenzmenge um 7,2% (95%-CI 6,1% – 8,3%; HR: 1,50; 95%-CI 1,35 – 1,66).

Dabei erwies sich die altersabhängige Gluten-Referenzmenge in den vier verschiedenen an der Studie beteiligten Ländern (Finnland, Schweden, Deutschland und USA) ernährungsbedingt als deutlich unterschiedlich (vgl. Abb. 1).

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Abb. 1:  Tägliche altersabhängige Gluten-Aufnahme-Referenzmenge nach Land (nach [1]).

Durchführung der Studie

Die Untersuchung fand an sechs Kliniken aus den vier Ländern, die an der TEDDY-Studie teilnahmen,  in den Jahren 2004 bis 2006 statt. Die Nachbeobachtung der Patienten erfolgte bis Ende September 2017. Die Verbindung einer Zöliakie-Studie mit einer Untersuchung von Diabetes vom Typ 1 (DM1) lag nahe, da Zöliakie und DM1 in rund 5–10% der Fälle gemeinsam auftreten. Alle teilnehmenden Kinder waren vor ihrem Einschluss in die Studienpopulation positiv auf HLA-Antigene untersucht worden, die auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko an Zöliakie bzw. DM1 hinwiesen.

Bei den teilnehmenden Kindern wurde jeweils im Alter von 6, 9 und 12 Monaten sowie danach halbjährlich bis zum Alter von 5 Jahren über jeweils drei Tage die durchschnittliche Gluten-Aufnahme in Form eines Ernährungsprotokolls erfasst. Aus den Protokollen wurde zudem die altersabhängige Referenz-Gluten-Aufnahme für die verschiedenen Länder bestimmt (s. Abb. 1). Nachfolgend wurden zu den Untersuchungszeitpunkten Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase bestimmt bzw. das Vorliegen einer voll ausgebildeten Zöliakie nachgewiesen.

Widerspruch zu aktuellen Empfehlungen

Die Auswertung ergab einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Gluten-Aufnahme während der ersten fünf Lebensjahre und dem Erkrankungsrisiko an Zöliakie bzw. GTA. Damit widersprechen die aktuellen Ergebnisse gegenwärtigen Empfehlungen für die Gluten-Aufnahme in der Risikopopulation.2 So wird derzeit in den Empfehlungen zwar vor dem Verzehr größerer Mengen Gluten in den ersten Wochen nach der Einführung von Gluten in den Speiseplan gewarnt, nicht jedoch vor einer erhöhten täglichen Gluten-Aufnahme.

Hintergrund dieser Empfehlung ist eine stärker an Allergien orientierte Theorie der Pathogenese der Zöliakie. Durch die langsame Dosissteigerung des Glutens sollte der Körper lernen, gemäßigt auf das Eiweiß zu reagieren. Eine Auffassung, die mit den Ergebnissen der aktuellen Untersuchung unvereinbar zu sein scheint.

Quellen:
1. Aronsson CA, et al. Association of Gluten Intake During the First 5 Years of Life With Incidence of Celiac Disease Autoimmunity and Celiac Disease Among Children at Increased Risk. JAMA. 2019; 322: 514-523. https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2747670
2. Szajewska H, et al. Gluten introduction and the risk of coeliac disease: a position paper by the European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2016; 62: 507-513. https://journals.lww.com/jpgn/fulltext/2016/03000/Gluten_Introduction_and_the_Risk_of_Coeliac.32.aspx