Genügt eine Stuhlprobe für die Diagnose "Morbus Crohn"?
Einer internationalen Forschungsgruppe um Victoria Pascal von der Abteilung für Gastroenterologie am Vall d'Hebron Forschungsinstitut in Barcelona ist es gelungen, Patienten mit Morbus Crohn (Crohn's disease, CD) alleine aufgrund von Stuhlproben zu identifizieren.
Methode unabhängig von geografischen Besonderheiten
Einer internationalen Forschungsgruppe um Victoria Pascal von der Abteilung für Gastroenterologie am Vall d'Hebron Forschungsinstitut in Barcelona ist es gelungen, Patienten mit Morbus Crohn (Crohn's disease, CD) alleine aufgrund von Stuhlproben zu identifizieren.1
Mit einer Sensitivität von 80% und einer Spezifität von 89 bis 94% konnten die Wissenschaftler Crohn-Patienten von gesunden Kontrollpersonen, Patienten mit Colitis ulcerosa (UC), Reizdarm (Irritabel Bowel Syndrome, IBS) und Anorexia nervosa (AN) unterscheiden. Als diagnostisch zielführend erwiesen sich dabei
- die verringerte Diversität und
- die insgesamt reduzierte Stabilität der Darmflora von Crohn-Patienten sowie
- eine Gruppe von acht Darmkeimen, deren Verteilung bei Morbus Crohn charakteristisch verändert war.
Die Autoren gehen davon aus, dass ihr nicht-invasives Verfahren die Diagnose eines Morbus Crohn ermöglichen kann, wenn in der Frühphase noch keine spezifischen Merkmale der Erkrankung nachgewiesen werden können oder wurden. Aufgrund der gleichermaßen hohen Zuverlässigkeit bei Stuhlproben aus vier europäischen Ländern gehen die Forscher davon aus, dass ihr Verfahren unabhängig von geografischen Besonderheiten der Darmflora ist.
Bisherige Mikrobiom-Studien waren widersprüchlich
Ausgangspunkt der Studie war die Suche nach einer eindeutigen Zuordnung von Dysbiosen zu den chronisch entzündlichen Darmkrankheiten (CED) Morbus Crohn (CD) und Colitis ulcerosa (UC). Die Wissenschaftler analysierten zunächst Stuhlproben von 178 Probanden aus Spanien (davon gesunde, nicht-verwandte Kontrollpersonen [HC]: 40, Patienten mit CD: 34, Pat mit UC: 33; gesunde verwandte Kontrollpersonen [HR]: 36 für CD-Patienten, 35 für UC-Patienten). Anschließend wurde die Studie zur Überprüfung der Ergebnisse zunächst an einer vergleichbaren Population in Belgien wiederholt, um nachfolgend auf insgesamt 2.045 Teilnehmer aus den Ländern Spanien, Belgien, Großbritannien und Deutschland ausgeweitet zu werden (HC: 1247, CD: 339, UC: 158, IBS: 202, AN: 99).
Zur Unterscheidung der in den Proben vorhandenen mikrobiellen Gattungen griffen die Forscher auf die 16S rRNA-Sequenzierung ribosomaler RNA zurück. Die statistische Auswertung der insgesamt gewonnenen 115 Millionen Aminosäuresequenzen nutzte die UniFrac-Metrik, um die Differenzen zwischen den angetroffenen Darmfloren in Form einer biologischen Distanz auszudrücken (vgl. Abb. 1C).2
Crohn-Patienten können anhand ihrer Darmflora identifiziert werden
Die Auswertung der Stuhlproben ergab die folgenden Ergebnisse (vgl. auch Abb. 1):
- Auf Grundlage der Häufigkeitsverteilung von acht Gattungen in der Darmflora konnte ein Verfahren entwickelt werden, um Patienten mit Morbus Crohn zu identifizieren und von Patienten mit UC abzugrenzen (vgl. Abb. 1, dort auch die Liste der Gattungen).
- Gesunde verwandte und nicht-verwandte Kontrollen verfügten mit Ausnahme der Gattung Collinsiella, die unter Verwandten von CED-Patienten vermehrt auftrat, über vergleichbare Mikrobiome.
- Patienten mit CD und UC unterschieden sich bezüglich ihres Mikrobioms signifikant von beiden Kontrollgruppen (p = 0,001).
- CD-Patienten wiesen im Vergleich zu UC-Patienten eine höhere Instabilität ihrer Darmflora auf (p < 0,001).
- CD-Patienten, aber nicht UC-Patienten, zeigten eine verringerte alpha-Diversität ihres Mikrobioms gegenüber beiden Kontrollgruppen.
- Krankheitsschübe führten weder bei CD- noch bei UC-Patienten zu einer signifikanten Veränderung der Darmflora im Vergleich zu Patienten, die in Remission blieben.
- Es wurden keine Biomarker identifiziert, die auf einen bevorstehenden Krankheitsschub hinwiesen.
- Das Mikrobiom bei CD-Patienten scheint eher von einem Verlust nützlicher (Faecalibacterium, Christensenellaceae, Methanobrevibacter, Oscillospira), als von einer Zunahme pathogener Keime (Fusobacterium, Escherichia) gekennzeichnet zu sein.
- Ein Zusammenhang des Mikrobioms mit dem aktuellen oder früheren Rauchverhalten der CED-Patienten konnte nicht nachgewiesen werden.
- Fäkales Calprotectin war bei CED-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen signifikant erhöht, eignete sich aber nicht zur Unterscheidung von UC und CD.
- Streptokokken im Mikrobiom erwiesen sich als Marker für ein erhöhtes postoperatives Rückfallrisiko bei CD-Patienten.
Abb. 1: Mikrobielle Marker zur Unterscheidung von CD und UC (A) in der Entdeckungsstudie (n = 178), (B) in der Überprüfungsstudie (n = 2.045). Blaue Striche zeigen den Nachweis der entsprechenden Gattung an, wobei hellere Töne auf geringere und dunklere auf stärkere Besiedlung hinweisen. Die Patientengruppen sind nach Farben markiert: blau: HC und HR; rot: CD; gelb: UC; grün: IBS; violett: AN. (C) UniFrac Principal Coordinate Analysis mit den Koordinaten PC1, PC2, PC3 zwischen jeweils zwei Patientengruppen. In allen vier Teilabbildungen erwiesen sich Patienten mit Morbus Crohn (CD) als signifikant von der jeweiligen Vergleichsgruppe unterscheidbar (p < 0,001).1
Referenzen:
1. Pascal V et al. A microbial signature for Crohn’s disease. Gut 2017;66:813–822.
2. Lozupone C, Knight R. UniFrac: A New Phylogenetic Method for Comparing Microbial Communities. Applied and Environmental Microbiology 2005:71(12):8228–8235.