Das kolorektale Karzinom (KRK) zählt weltweit zu den häufigsten Krebserkrankungen und ist die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache mit mehr als 1,9 Millionen Neuerkrankungen und etwa 904.000 Todesfällen im Jahr 2022. Während in den letzten Jahrzehnten bei älteren Erwachsenen über 50 Jahren in vielen Ländern dank Vorsorgeuntersuchungen und Lebensstilveränderungen eine Stabilisierung oder sogar ein Rückgang der Inzidenz zu verzeichnen war, zeigt sich bei jüngeren Erwachsenen unter 50 Jahren ein gegensätzlicher Trend.
Die aktuelle Studie, veröffentlicht in The Lancet Oncology unter Verwendung hochwertiger bevölkerungsbezogener Krebsregisterdaten, analysiert die Inzidenzraten des kolorektalen Karzinoms bei jüngeren (25-49 Jahre) im Vergleich zu älteren Erwachsenen (50-74 Jahre) in 50 Ländern und Gebieten. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Anstieg der Erkrankungsraten bei jungen Erwachsenen in 27 der untersuchten Länder im Beobachtungszeitraum bis 2017.
Die stärksten Zunahmen des früh einsetzenden kolorektalen Karzinoms wurden in Neuseeland (jährlicher Anstieg um 3,97%), Chile (3,96%), Puerto Rico (3,81%) und England (3,59%) verzeichnet. Besonders bemerkenswert: In 14 Ländern - darunter Deutschland - war die Zunahme ausschließlich auf die jüngere Altersgruppe beschränkt, während die Inzidenz bei Älteren entweder stabil blieb oder sogar zurückging.
Die Studie liefert auch neue Erkenntnisse zur geografischen Verteilung dieses Phänomens. Während frühere Untersuchungen den Anstieg hauptsächlich in westlichen Industrieländern dokumentierten, zeigt die aktuelle Analyse, dass dieser Trend mittlerweile auch in Ländern Lateinamerikas und der Karibik (Argentinien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Martinique und Puerto Rico), Asiens (Israel, Japan, Thailand und Türkei) sowie Osteuropas (Belarus) zu beobachten ist.
Ein interessanter Aspekt der Studie sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede. In einigen Ländern wie Chile, Puerto Rico, Argentinien, Thailand, Schweden, Israel und Kroatien stieg die Inzidenz bei Männern schneller als bei Frauen. In anderen Ländern wie England, Norwegen, Australien, der Türkei, Costa Rica und Schottland war der Anstieg bei Frauen ausgeprägter.
Die genauen Ursachen für den Anstieg des früh einsetzenden kolorektalen Karzinoms sind noch nicht vollständig geklärt. Obwohl genetische Faktoren und familiäre Vorbelastung bei jüngeren Patienten häufiger eine Rolle spielen, ist die Mehrheit der Fälle sporadisch. Studien deuten auf verschiedene modifizierbare Risikofaktoren hin, darunter:
In wirtschaftlich schnell wachsenden Ländern könnte zudem die rasche Urbanisierung und Übernahme westlicher Ernährungsgewohnheiten zur Zunahme beitragen. So hat sich beispielsweise in Südkorea der Fleischkonsum zwischen 1961 und 2021 um das 19-fache erhöht, in Japan um das 7-fache.
Die Zunahme des früh einsetzenden kolorektalen Karzinoms zeigt auch für die Praxis neue Implikationen auf. Es braucht eine Sensibilisierung für atypische Präsentationen und jüngere Patienten. Da die meisten früh einsetzenden kolorektalen Karzinome aufgrund fehlender Screening-Programme symptomgesteuert diagnostiziert werden, ist eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber verdächtigen Symptomen bei jüngeren Patienten entscheidend. Rektale Blutungen, Bauchschmerzen, veränderte Stuhlgewohnheiten und unerklärlicher Gewichtsverlust sollten auch bei jüngeren Erwachsenen zu weiteren diagnostischen Maßnahmen führen. Eine verstärkte Aufklärung über Risikofaktoren und Symptome kann dazu beitragen, Verzögerungen bei der Diagnose zu reduzieren.
Eine systematische Erhebung der Familienanamnese kann außerdem dazu beitragen, Hochrisikopatienten zu identifizieren. Studien deuten darauf hin, dass bis zu 50% der früh einsetzenden kolorektalen Karzinome früher diagnostiziert und bis zu 16% möglicherweise verhindert werden könnten, wenn Koloskopien gemäß den familienanamnestisch begründeten Leitlinien durchgeführt würden.
Eventuell gilt es auch, die Screening-Empfehlungen langfristig zu überdenken. In den USA hat die American Cancer Society bereits 2018 das empfohlene Einstiegsalter für das Darmkrebsscreening von 50 auf 45 Jahre gesenkt. In Australien wurde zum 1. Juli 2024 das Einstiegsalter für das nationale Darmkrebsscreening-Programm ebenfalls auf 45 Jahre herabgesetzt. Die Anpassung der Screening-Empfehlungen an die veränderte Epidemiologie des kolorektalen Karzinoms bleibt jedoch umstritten, insbesondere in Anbetracht begrenzter Ressourcen.
Langfristig sind weitere Forschungsanstrengungen erforderlich, um die Ursachen des früh einsetzenden kolorektalen Karzinoms besser zu verstehen und präventive Maßnahmen zu entwickeln, die den lokalen Ressourcen und kulturellen Gegebenheiten entsprechen.
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