Das erste Medikament, das gezielt gegen die Östrogenwirkung eingesetzt wurde, war Tamoxifen. Es wurde viel an der Entwicklung neuer Medikamente gearbeitet, die einen anderen Wirkungsmechanismus als Tamoxifen und seine Verwandten haben. Neu zugelassen ist das Antiöstrogen Elacestrant, wenn eine aktivierende Mutation im Östrogenrezeptor-Gen vorliegt (ESR1-Mutation). Dies ist ein wichtiger Fortschritt für die Behandlung von Frauen mit Metastasen. Andere Medikamente mit ähnlichem Wirkungsmechanismus sind in der Entwicklung.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Hemmung von bestimmten Signalen zur Zellteilung. Das Wachstum von Krebszellen beruht auf einer übermäßigen Zellteilung und diese wird sehr komplex reguliert. Eine solche "Stellschraube" sind sogenannte Cyclin-abhängige Kinasen, abgekürzt CDK. Medikamente, die CDK 4 und 6 angreifen, haben in großen Studien eine deutliche Verbesserung der Wirksamkeit einer Antihormontherapie gezeigt. Mittlerweile sind drei Therapien (Abemaciclib, Palbociclib, Ribociclib) für die Behandlung von Metastasen zugelassen und eine in der Therapie des frühen Mammakarzinoms. Diese Substanzen verursachen zwar ebenfalls spezifische Nebenwirkungen, sind aber für die Frauen subjektiv gut verträglich.
Trastuzumab wurde dann bei Frauen mit Metastasen eines HER2-positiven Brustkrebses zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt. Es war die erste Therapie, die nachweisbar das Leben von Frauen mit Metastasen verlängert hat. In der Folge haben große Studien den Einsatz in der adjuvanten Begleittherapie bei einer Ersterkrankung ohne Metastasen untersucht und gefunden, dass die Heilungsrate durch die Gabe zusätzlich zur Chemotherapie deutlich verbessert werden kann. Innovativ ist der Ansatz, Trastuzumab mit einem Chemotherapie-Medikament zu koppeln, sogenannte Antibody-Drug Konjugate. Die aktuellste Neuzulassung ist das Medikament Trastuzumab Deruxtecan, das neben der Situation einer HER2-Überexpression auch bei niedriger HER2-Expression deutlich besser als die bisherige Standardtherapie wirkt.
Ein weiterer Ansatzpunkt gegen HER2 ist die Blockade des Signalweges innerhalb der Zelle. Dies ist mit sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren möglich. Tucatinib ist hier in der Therapie von Metastasen zugelassen, und Neratinib in bestimmten Fällen des HER2-positiven frühen Mammakarzinoms.
Tumoren, die weder Östrogen- noch Progesteronrezeptoren haben und auch nicht HER2-positiv sind, werden triple-negativ genannt. Es ist schon länger bekannt, dass sich Krebszellen vor dem Immunsystem "verstecken", indem sie Signale aussenden, die Immunzellen bremsen. Diese Signale sind im Körper wichtig, damit das Immunsystem nicht körpereigene Zellen angreift. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren heben nun diese Blockade auf und machen Krebszellen wieder für das Immunsystem „sichtbar“. Zwei Medikamente (Atezolizumab und Pembrolizumab) sind in Kombination mit Chemotherapie für die Behandlung von Metastasen und eine (Pembrolizumab) auch beim frühen Mammakarzinom. Auch hier gibt eine Zulassung eines neuen ADC (Sacituzumab Govitecan), das neben dem triple-negativen Mammakarzinom nun auch beim hormonrezeptor-positiven metastasierten Mammakarzinom zugelassen ist.
Vision für die Zukunft ist sicher eine noch individuellere Therapie. Wir werden besser verstehen, wer für welche Therapie in Frage kommt und dadurch hoffentlich auch unnötige Therapien vermeiden. Ohne Frage ist eine Spezialisierung der Behandlungsteams notwendig, um die neuen Medikamente mit optimaler Erfahrung einsetzen zu können. Dies ist eine Herausforderung. Besser informierte Patientinnen sind sicher ein Teil des Fortschritts und ich denke, auch "Apps auf Rezept" wie PINK! Coach, tragen hierzu bei.
Prof. Dr. Volkmar Müller ist stellvertretender Direktor der Klinik für Gynäkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Neben einer Reihe von Positionen in Fachgesellschaften ist er Co-Vorsitzender der klinischen Studiengruppe AGO-B und stellvertretender Sprecher der AGO Organgruppe Mammakarzinom. Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit sind Brustkrebs und Hirnmetastasen, er hat über viele klinische Studien zu Brustkrebs koordiniert und über 350 Pubmed-gelistete Publikationen veröffentlicht.