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Thromboserisiko: Wie gefährlich ist die Pille?

Kann man jungen Frauen heutzutage überhaupt noch guten Gewissens die Pille verschreiben? Was das Risiko von Thromboembolien anbelangt, kommt es auf die hormonelle Zusammensetzung an.

Was Sie zur Anwendung von Kontrazeptiva wissen sollten:

Fakt ist: Frauen haben gegenüber Männern ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE). Nach wie vor erkranken und versterben deutlich mehr junge Frauen daran als Männer. Dabei sind Frauen im reproduktiven Alter nicht grundsätzlich mehr gefährdet – mit Ausnahme von Schwangerschaft und Wochenbett. Der andere entscheidende Risikofaktor ist die Pille.

Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen. Denn zwischen den einzelnen Präparaten gibt es erhebliche Unterschiede. 

Wie hoch ist das Risiko bei Kombinationspräparaten?

Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva setzen sich aus Östrogen und Gestagen zusammen. Ältere KHK enthalten die Gestagene Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron, während in neueren u.a. Desogestrel, Gestoden, Drospirenon verwendet wird. Der Östrogenanteil besteht überwiegend aus dem synthetischen Ethinylestradiol (EE), neuere KHK verwenden auch natürliches Östradiol. 

Das Risiko für VTE ist unter den neueren Substanzen deutlich höher als unter den herkömmlichen. Im Vergleich zu älteren Präparaten mit dem Gestagen Levonorgestrel ist es mindestens doppelt so hoch. Gemäß Leitlinie sollten daher primär ältere KHK verordnet werden, neuere dagegen nur bei besonderen Indikationen.

Wie hoch ist das Risiko bei Gestagen-Monopräparaten?

Daneben gibt es die reinen Gestagene ohne Östrogenanteil, die deutlich seltener verwendet werden. Sie sind sehr variabel in der Anwendung und können sowohl oral als auch intramuskulär oder intrauterin verabreicht werden. Möglich ist auch ein Implantat im Oberarm.

Mit Ausnahme der 3-Monatsspritze mit Depot-Medroxyprogesteronacetat verstärken GM das VTE-Risiko nicht. Sie können daher bei Frauen mit erhöhtem Thromboserisiko ohne Einschränkung verordnet werden, wie auch die Leitlinie empfiehlt. Das Problem: In den Beipackzetteln bzw. Fachinformationen von GM werden VTE entgegen der Evidenz nach wie vor als Kontraindikation aufgeführt. 

Was ist bei der Verordnung von KHK zu beachten?

Bei der Erstverordnung sind ältere KHK grundsätzlich vorzuziehen, bei erhöhtem VTE-Risiko sind GM Mittel der Wahl. Eines ist in jedem Fall unerlässlich: Bevor einer jungen Frau die Pille verschrieben wird, muss zunächst das individuelle VTE-Risiko sorgfältig erhoben werden. Dazu gehört neben der Eigen- und Fremdanamnese für thrombembolische Ereignisse die Frage nach Komorbiditäten, Rauchen und BMI. Zudem sind die Betroffenen auf das Risiko und die typischen Symptome einer Thrombose hinzuweisen. Eine Thrombophiliediagnostik wird dagegen nicht bei jeder Frau empfohlen, sondern beschränkt sich auf Fälle mit positiver VTE-Eigen- oder Fremdanamnese.

Wie wichtig die richtige Auswahl und die Präferenz weniger risikoträchtiger KHK ist, zeigt sich bei unseren Nachbarn. In Frankreich werden KHK mit Desogestrel und Drospirenon seit 2013 nicht mehr durch die Krankenkassen erstattet, was die Verordnungszahlen um 45 % einbrechen ließ. Gleichzeitig wurden ältere KHK um 30 % häufiger verschrieben. Die Folge: deutlich weniger Hospitalisierungen junger Frauen aufgrund einer Lungenembolie. Inzwischen haben auch andere europäische Staaten mit nationalen Empfehlungen zur Verordnung von KHK mit Levonorgestrel bzw. Norethisteron als Mittel der ersten Wahl nachgezogen.

Fazit für die Praxis

Die meisten jungen Frauen hierzulande nehmen noch immer risikoreichere kombinierte hormonelle Kontrazeptiva ein. Das müsste nicht sein, denn es steht eine Auswahl weniger kritischer Präparate zur Verfügung. Gynäkologen sollten sich bei der Verordnung der Pille an die aktuellen Leitlinien-Empfehlungen halten.
 

Quelle:
  1. Rott H. Thrombose und hormonale Kontrazeption. Relevanz der verschiedenen Östrogene und Gestagene. Gynäkologie 2023; 56: 597–606. https://doi.org/10.1007/s00129-023-05128-3
  2. Hormonal Contraception. Guideline of the DGGG, SGGG and OEGGG (S3- Level, AWMF Registry No. 015 /015, November 2019). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/II/015-015.html