Diabetes Typ 1: Einfluss der Insulindosis auf das Krebsrisiko untersucht Logo of esanum https://www.esanum.de

Evidenz für Hyperinsulinämie als Risikofaktor für Krebs nimmt zu

Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass höhere tägliche Insulindosen für Menschen mit T1D mit einem höheren Krebsrisiko assoziiert sind.

Zusammenhang zwischen hoher Insulindosis und Krebs

Langzeitstudie mit Daten von mehr als 1.300 Patienten mit DT1

Daten von 1.303 Menschen mit Diabetes Typ 1 (T1D) aus dem 'Diabetes Control and Complications Trial' (DCCT) sowie der 'Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications' (EDIC)-Studie mit 28 Jahren Nachbeobachtungszeit deuten darauf hin, dass ein höherer täglicher Insulinbedarf bei Typ-1-Diabetes (T1D) mit einer erhöhten Krebsinzidenz assoziiert ist.3

Hier wurden viele potenzielle Krebsrisikofaktoren mit einbezogen, z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegung, Diabetes- und Blutdruckkontrolle. Auch nach Bereinigung um diese Faktoren blieb die Korrelation bestehen. Jede Erhöhung der täglichen Insulindosis um 1 Einheit/kg Körpergewicht war mit einem 5,93-fach erhöhten Krebsrisiko verknüpft. Anders ausgedrückt: die Krebsinzidenz pro 1.000 Personenjahre betrug bei niedrigen Tagesdosen (< 0,5 Einheiten/kg) 2,11, bei mittleren Tagesdosen (0,5 bis 0,8 Einheiten/kg) stieg sie auf 2,87 und bei hohen durchschnittlichen Tagesdosen (≥ 0,8 Einheiten/kg) auf 2,91.2,4

Effekt des Insulins schwer von anderen Kontextfaktoren zu trennen

Die Studie berichtet hier zunächst nur eine Assoziation, keine Kausalität. Ob und in welchem Maße Insulin eine Rolle für die Malignomentstehung spielt, sollte in zukünftigen Untersuchungen näher erforscht werden. Ein interessanter Ansatzpunkt wäre es, denn Insulin ist ein Wachstumssignal und Krebs ist unkontrolliertes Wachstum. Zudem ist die Hazard Ratio von über 5 zumindest als starker Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zu werten. Dennoch könnte es sich auch um einen indirekten Zusammenhang handeln: ein höherer Insulinbedarf könnte ein Marker der Insulinresistenz sein, die durch etwas anderes verursacht wird, meint Koautor Prof. Yuanjie Mao, PhD, Endokrinologe an der Universität Ohio.2

Insgesamt gibt es bislang zu Typ-1-Diabetes und Krebs wesentlich weniger Studiendaten als zu Typ-2-Diabetes. Doch die Evidenz, die vorhanden war, stellte zumindest ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und einem höheren Krebsrisiko her.2 So berichtete eine große Auswertung von Daten aus fünf nationalen Diabetesregistern von 2016, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, an bestimmten Krebsarten (Magen, Leber, Endometrium, Pankreas, Niere) zu erkranken als die Allgemeinbevölkerung.1 Für andere Tumorentitäten (Brust, Prostata) reduzierte sich das Risiko. Die Daten hierzu sind aber heterogen.

Ein Kommentar3 zur Studie betont, dass solche Korrelationsanalysen in der Regel durch potenzielle Störfaktoren beeinträchtigt werden. Wie maßgebend ist ein erhöhter täglicher Insulinbedarf im Vergleich zu BMI oder HbA1c? "Oder führten höherer BMI und HbA1c zuerst zu anderen Komorbiditäten?", fragt ein an dieser Arbeit nicht beteiligter Forscher, Andrew Koutnik, PhD, auf Twitter.5

Was wir wissen: chronische Entzündungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Karzinogenese. Der Kommentar führt weiter aus: "Ein zugrunde liegender Mechanismus, durch den T1D die Inflammation erhöht, ist eine sich selbst erneuernde stammzellenartige Autoimmunvorläufer-β-Zell-spezifische CD8+T-Population im pankreatischen drainierenden Lymphknoten (pLN), die pLN-Autoimmunmediatoren hervorbringt und β-Zell-spezifische CD8+T-Zellen weiter dabei unterhält, insulinproduzierende β-Zellen zu zerstören".3,6

Auswirkungen einer Hyperinsulinämie auf das Krebsrisiko sollten detaillierter erforscht werden

Im Gegensatz zu oben genannter Registerauswertung war in der aktuellen Studie die Stichprobe zu klein (insgesamt 7% der Untersuchten entwickelten ein Malignom), um Analysen für spezifische Krebsarten vorzunehmen und das Konfidenzintervall für die tägliche Insulindosis war hierdurch recht weit. Zudem wurden Insulinpflichtige nicht mit Personen verglichen, die kein Insulin verwenden. Die Studie deutet also zunächst nur darauf hin, dass eine sehr hohe Insulindosis das Krebsrisiko erhöhen könnte.2,4

Die mit prolongierter Hyperinsulinämie verbundenen kardiovaskulären Risiken auch für Nicht-Diabeteskranke mit Übergewicht sowie Menschen mit Diabetes Typ 2 hatten wir in einem früheren Beitrag diskutiert.

Quellen

  1. Carstensen, B. et al. Cancer incidence in persons with type 1 diabetes: a five-country study of 9,000 cancers in type 1 diabetic individuals. Diabetologia 59, 980–988 (2016).
  2. The Possible Link Between Insulin and Cancer in Type 1 Diabetes. Verywell Health https://www.verywellhealth.com/high-insulin-dose-by-people-with-type-1-diabetes-linked-to-increased-cancer-risk-6455560.
  3. Zhong, W. & Mao, Y. Daily Insulin Dose and Cancer Risk Among Patients With Type 1 Diabetes. JAMA Oncology (2022) doi:10.1001/jamaoncol.2022.2960.
  4. Daily insulin dose may be linked to cancer risk in type 1 diabetes. medwirenews.com https://www.medwirenews.com/diabetes/daily-dose-risk/23345240 (2022).
  5. Andrew Koutnik, Ph.D. (@AKoutnik) / Twitter. Twitter https://twitter.com/AKoutnik.
  6. Gearty, S. V. et al. An autoimmune stem-like CD8 T cell population drives type 1 diabetes. Nature 602, 156–161 (2022).

    letzter Zugriff auf Websites: 18.08.22