Götz Welsch ist seit der Saison 2014/15 Vereinsarzt beim Hamburger SV. Davor war er zwei Jahre Vereinsarzt bei Greuther Fürth. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Sportmedizin arbeitet am Ambulanzzentrum der UKE GmbH und am UKE Athleticum in Hamburg. Welsch wurde 2013 mit dem FIFA & ICRS Sports and Rehabilitation Award ausgezeichnet.
Die wissenschaftliche Evidenz für die Anwendung von Injektionen bei Muskelverletzungen ist begrenzt. Einige Studien zeigen aber, dass Injektionen bei Sportlern einen Zeitgewinn und eine bessere Genesung ermöglichen können. Sie ist jedoch keine zwingende Maßnahme, die Gabe der Injektion hängt darum vor allem von der individuellen Situation des Sportlers ab.
Vor der Injektionstherapie ist eine gründliche Diagnostik erforderlich, um die Art und Schwere der Verletzung festzustellen. Größere Verletzungen können bereits per Ultraschall genauer diagnostiziert werden, im Profisportbereich liefert das MRT die konkreten Ergebnisse. Bei der Wahl der Therapie gibt es zwei Möglichkeiten. Bei größeren Verletzungen mit Sehnenbeteiligung wird häufig die Eigenbluttherapie (PRP) angewendet. Dabei wird dem Sportler Blut entnommen, zentrifugiert und das plättchenreiche Plasma in die Verletzung injiziert. Eine alternative Methode ist die Injektion mit Actovegin, einem Wirkstoff aus Kälberblut. Die Injektionen werden oft in Kombination mit einem Lokalanästhetikum und Traumeel durchgeführt. Die Anzahl der Injektionen hängt von der Größe der Verletzung ab und erfolgt in der Regel im Abstand von drei bis fünf Tagen. Meist werden in dieser Zeit drei bis fünf Injektionen verabreicht.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Ernährung, die während der Verletzung angepasst werden sollte. Spezielle Protokolle schlagen vor, die Nahrungszufuhr zu optimieren, indem zusätzliche Proteine und Aminosäuren in angemessener Menge bereitgestellt werden. Eine erhöhte Säurebelastung sollte ebenfalls berücksichtigt werden, da Entzündungen bei Verletzungen üblich sind. Um Entzündungen zu modulieren, sollten jedoch gezielte Pflanzenstoffe wie Ananasenzym, Kurkuma, Boswellia, Weihrauch, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D eingesetzt werden. Eine breite Palette systemischer Ansätze steht zur Verfügung, um die Entzündungsreaktion zu unterstützen, anstatt sie zu unterdrücken.
Eine umfassende Behandlung von Muskelverletzungen erfordert nicht nur eine lokale Therapie, sondern auch die Untersuchung und Therapie anderer potenzieller Ursachen oder begleitender Verletzungen. Oftmals besteht eine klare Korrelation zwischen Muskelverletzungen und anderen Bereichen des Körpers. Zum Beispiel können Verletzungen im hinteren Oberschenkel mit Problemen im Iliosakralgelenk oder der unteren Wirbelsäule verbunden sein. Es können auch Fehlstellungen im Fuß oder Sprunggelenk vorliegen, die behandelt werden müssen. Eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert daher eine sorgfältige Untersuchung des gesamten Sportlers, um mögliche zugrunde liegende Ursachen zu identifizieren und angemessen zu therapieren.
Um Muskelverletzungen wirksam zu behandeln und den Athleten möglichst schnell und nachhaltig wieder in den Sport zurückzuführen, sollte nicht nur die akute Verletzung zu behandelt werden, sondern auch vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden. Studien haben gezeigt, dass bei etwa 20 Prozent der Muskelverletzungen eine erneute Verletzung an derselben Stelle auftritt. Durch eine ganzheitliche Behandlung, die den gesamten Athleten einbezieht, können die Chancen auf eine nachhaltige Genesung erhöht und das Risiko von Re-Verletzungen minimiert werden.
Gegen eine Injektionstherapie bei Muskelverletzungen spricht, dass es nur eine begrenzte Evidenz für ihre Wirksamkeit gibt. Insbesondere bei Sportlern, die eine antikoagulative Therapie erhalten oder an einer bekannten Blutgerinnungsstörung leiden, sollte man vorsichtig sein, da diese Faktoren das Risiko von Komplikationen erhöhen könnten. Einige Sportler lehnen auch generell Injektionen ab. Im Profisport gibt es jedoch aus Sicht Welschs keine starken Kontraindikationen gegen eine Injektionstherapie bei Muskelverletzungen.
Im Bereich der medizinischen Forschung gibt es ständig Fortschritte, die die Behandlung von Profisportlern verbessern können. Präventivmaßnahmen spielen eine wichtige Rolle, um Verletzungen zu vermeiden. Durch umfassende Gesundheitschecks zu Beginn der Saison können Schwachstellen identifiziert und angegangen werden. Neue Methoden wie Kamerasysteme zur Analyse der Motorik und Belastungssteuerung sowie die Messung der Schlafqualität durch das Erfassen der Herzfrequenzvariabilität können dazu beitragen, Verletzungen zu verhindern.
In Bezug auf neue Medikamente oder andere Wirkstoffe erwartet Welsch in naher Zukunft keine revolutionären Durchbrüche, die eine schnellere und bessere Heilung ermöglichen. Verschiedene Methoden zur Aufarbeitung von Eigenblut können möglicherweise spezifischere Substrate extrahieren, die die Heilung fördern. Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Stammzelltherapie. Allerdings ist derzeit noch unklar, welche Art von Zellen genau für die Heilung einer Muskelverletzung erforderlich sind.