Prof. Dr. Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Rostock, stellte auf dem Schmerzkongress in Mannheim Grundlagen und Anwendung der Biofeedbacktherapie bei Kopfschmerz vor. Ziel des Workshops war es, ärztliche und psychologische Schmerztherapeuten im Bereich der Kopfschmerztherapie anzusprechen und die aktuellen Möglichkeiten der Biofeedbackbehandlung darzustellen.
Eingangs betont Prof. Kropp, dass viele KopfschmerzpatientInnen durch Biofeedback profitieren können. Das Prinzip der Biofeedback-Behandlung ist, körperliche Prozesse über ein Messsystem zu erfassen, diese in akustische oder visuelle Signale umzuwandeln und der Person zurück zu melden, die diese körperlichen Prozesse erzeugt. Der Zweck dieser Rückmeldung besteht darin, das extern zugeführte Signal bewusst wahrzunehmen.
Bei bewusster Wahrnehmung lassen sich nämlich auch Körperfunktionen verändern, die normalerweise automatisch oder nicht vom Bewusstsein kontrolliert ablaufen. Damit wird über das Messsystem eine externe Rückmeldeschleife aufgebaut, die zur Kontrolle der gemessenen Körperfunktion eingesetzt werden kann. Die Biofeedbacktherapie nutzt diese externe Rückmeldeschleife aus, um eine im Krankheitsfall unkontrollierbare Körperfunktion mit einiger Übung bewusst steuern zu können. Die Patientin oder der Patient lernt, diejenigen Strategien zu erkennen und einzusetzen, die hilfreich zur Beeinflussung des gemessenen Signals sind.
Etabliert hat sich zur Migräne-Anfallsbewältigung das Vasokonstriktions-Training. Das Verfahren zielt auf eine willentlich herbeigeführte Tonisierung der arteria temporalis superficialis ab. Es ist bekannt, dass dieses Gefäßsystem im akuten Migräneanfall dilatiert ist. Die Tonisierung kann mit Hilfe von Biofeedback durch willentliche Verengung der arteria temporalis superficialis aufgebaut werden. Dieses Training findet im schmerzfreien Intervall statt. Durch unmittelbare Rückmeldung der Gefäßweite kann die Patientin oder der Patient Strategien zur Gefäßverengung trainieren. Wenn sie dann im Alltag spüren, dass ein Migräneanfall kommt, versuchen sie, die Gedanken und Vorstellungen einzusetzen, die sie beim Lernen auch eingesetzt haben. Zum Beispiel durch einen Tunnel fahren oder auch im kalten Wasser schwimmen. Es gibt tatsächlich Patientinnen, berichtet Prof. Kropp, die sagen, ihre Migräne lässt nach, wenn sie sich die Geburt ihrer Kinder noch einmal vorstellen. Das ergibt Sinn: Verengen sich unter der Geburt die Gefäße, lassen sowohl Schmerz als auch Blutungen nach. Jeder braucht also seine eigene entsprechende Kognition.
Beim Vasokonstriktionstraining gibt es einen spannenden Austausch mit den NeurologInnen, die davon zum Teil nicht überzeugt sind, weil sie sagen, die Temporalisarterie sei nicht so entscheidend für die Migräne. Doch stehe fest, sagt Prof. Kropp: Wenn wir es schaffen, die Temporalisarterie in der Migräne zu verengen, dann kann die Migräne weggehen. Nicht immer, aber etwa adäquat wie beim Einsatz von Medikamenten.
Möglich ist auch, die Herzratenvariabilität zurückmelden. Das ist ein Index für die Änderbarkeit zwischen geringer und hoher Herzfrequenz. Je höher die Variabilität, desto gesünder ist die Patientin oder der Patient und desto besser können diese schnell parasympathische Fasern aktivieren. Beim Herzraten-Variabilitäts-Biofeedback geht es um die willentliche Vergrößerung der HRV und die Aktivierung der parasympathischen Fasern durch eine geeignete Rückmeldung.
Eine Prophylaxe von Migräneanfällen kann durch Einsatz einer Handtemperatur-Biofeedbackbehandlung erreicht werden. Dabei soll im schmerzfreien Intervall eine Erhöhung der Temperatur der Handinnenflächen erfolgen. Mit dieser Temperaturerhöhung durch visuelle oder akustische Rückmeldung nimmt der allgemeine Sympatikustonus ab, wodurch eine größere Entspannung aufgebaut und die Anfallsentwicklung reduziert werden kann. Um die PatientInnen zu Beginn von der Wirksamkeit der Methode zu überzeugen, führt Prof. Kropp mit ihnen ein Temperaturfeedback mit einem Thermosensor durch. Dabei zeigt sich, dass im Laufe einer Entspannung die Hände deutlich wärmer werden. Das beeindruckt sie oft sehr.
Eine weitere Möglichkeit ist das EMG-Biofeedback. Die Behandlung des Kopfschmerzes vom Spannungstyp mit Hilfe von Biofeedbackverfahren zielt darauf ab, eine erhöhte Muskelspannung zu reduzieren. PatientInnen sollen lernen, die aktuelle Muskelaktivität wahrzunehmen und zu variieren und gleichzeitig erkennen, welche Strategien kognitiver oder imaginativer Art am effektivsten die Muskelaktivität vermindern. Das EMG-Biofeedback als präventive Maßnahme bei Migräne wird häufig und effektiv angewandt.
Erfolgversprechend, jedoch bisher nur vereinzelt angewendet, ist die Rückmeldung langsamer kortikaler Gleichspannungspotenziale, die als "Go/NoGo-Aufgabe" im EEG bestimmt werden können. Mit diesem Potenzial, das auch „contingent negative variation“ (CNV) genannt wird, kann die kortikale Habituation gemessen und rückgemeldet werden, die bei MigränepatientInnen im schmerzfreien Intervall im Vergleich zu Gesunden deutlich vermindert ist. Wenn MigränepatientInnen lernen, dieses Signal zu reduzieren, erreichen sie damit eine Habituation. Dies wirkt sich klinisch als Verminderung der Anfallsfrequenz aus.
Die Evidenzen zeigen, dass alle Varianten wirken können. Alle haben eine Effektgröße zwischen 0,4 und 0,6. Das steht der medikamentösen Behandlung in nichts nach.
Eine Zusammenfassung und Bewertung der Evidenzen findet sich bei Kropp et al. (2017). Dabei kann für die Behandlung der Migräne gezeigt werden, dass sowohl im "prä-post"-Design als auch zwischen unterschiedlichen Bedingungen (Biofeedback vs. Plazebo, Biofeedback vs. Entspannung, Biofeedback vs. Wartegruppe) gute Effektstärken auftreten. Kombination der einzelnen Biofeedbackmodalitäten steigern die Effektstärken noch. Die stärkste Auswirkung hat die Biofeedbackbehandlung demnach auf
Für den Kopfschmerz vom Spannungstyp lassen sich für EMG-Biofeedback ähnliche Effektstärken ermitteln.
Die Leitlinie "nichtmedikamentöse Behandlung von Kopfschmerz" enthält die entsprechenden Indikationen. In der Regel sind es PatientInnen, die keine Medikamente haben möchten. Wenn MigränepatientInnen eine Reduzierung ihrer erhöhten Aufmerksamkeit schaffen, sind sie in der Lage, weniger Migräneanfälle zu bekommen.
Neuere Empfehlungen und Leitlinien zur Kopfschmerzbehandlung werten Verfahren der Verhaltenstherapie mittlerweile als Alternative zur medikamentösen Migräneprophylaxe (Kropp et al. 2017). Im Gegensatz zur Pharmakotherapie ermöglichen nicht-medikamentöse Verfahren eine größere Verantwortlichkeit der Patientin oder des Patienten bei der Bewältigung der Schmerzzustände. PatientInnen sind aktiv an der Behandlung beteiligt und erleben so eine größere Selbstwirksamkeit. Diese ermöglicht es im Gegensatz zur medikamentösen Behandlung, eine aktive Behandlungsstrategie aufzubauen.
Prof. Kropp ermutigt daher die MedizinInnen, die Methoden auszuprobieren, nur dann zeige sich, welche PatientInnen davon profitieren. Die Erfahrung zeigt: Zwei Drittel profitieren – dies entspricht auch den Erfahrungen bei Medikamenten. Es gibt keine Indikatoren, die voraussagen, wer profitiert. Und es gibt sehr wenige Kontraindikationen: die Behandlung ist dann nicht sinnvoll, wenn das Rückmeldesignal vom PatientInnne nicht interpretiert werden kann, z.B. bei einer Aphasie. Problematisch kann die Anwendung von Biofeedback bei einer akuten Psychose werden.
Erfahrungen deuten auch darauf hin, dass sehr zwanghafte Persönlichkeiten nicht gut profitieren. Möglicherweise haben sie nicht das Gefühl, dass sie selbst entspannen können, dass sie selbst etwas an ihrem Zustand ändern könnten. Dazu fehlen aber Studien.
Allerdings liegen Studien vor, die zeigen, dass auch PatientInnen mit geringer kognitiver Differenzierung profitieren, auch Kinder.
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