MOG-assoziierte Erkrankungen: Was ist wichtig? Logo of esanum https://www.esanum.de

MOGAD: Ein Überblick

MS stellt zwar die häufigste entzündliche ZNS-Erkrankung dar, jedoch gibt es auch weitere, eigenständige Krankheitsbilder, wie MOG-assoziierte Erkrankungen. Zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie.

Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper-assoziierte Erkrankungen (MOGAD) vs. MS

Die Multiple Sklerose wurde erstmals vom berühmten französischen Neurologen Jean Martin Charcot im Jahr 1868 beschrieben und stellt die häufigste entzündliche ZNS-Erkrankung dar. Seit etwa zehn Jahren entdecken Forschende nach und nach die entscheidenden Besonderheiten hinter “untypischen” MS-Fällen.  Einige dieser Autoimmunerkrankungen, die ebenfalls die Myelinschicht zerstören, erhielten andere Bezeichnungen, um sie besser von MS abzugrenzen. Darunter die Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper-assoziierte Erkrankungen (MOGAD). 

Pathophysiologie von MOGAD

Das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) ist ein Bestandteil der Myelinscheide, das die Nervenfasern im ZNS umgibt. Es wird vermutet, dass MOG eine Rolle als Adhäsionsmolekül spielt und so der Myelinscheide strukturelle Integrität vermittelt. Es entsteht erst spät auf dem Oligodendrozyten. Bei den MOG-assoziierten Erkrankungen werden Antikörper gegen das MOG sezerniert, was zu einer Inflammation und Demyelinisierung der Fasern führt. 

Antikörper gegen MOG wurden bis vor einigen Jahren vor allem bei Kindern mit demyelinisierenden ZNS-Erkrankungen festgestellt. Diese treten aber auch bei Erwachsenen mit Optikusneuritis (ON), NMOSD, Myelitis, MS, akuter disseminierter Enzephalomyelitis (ADEM), sowie bei atypischen demyelinisierenden Syndromen auf.1 Patienten mit Antikörpern gegen MOG scheinen sich in Klinik, Verlauf und Outcome von seronegativen Patienten mit derselben Krankheit zu unterscheiden.

Das mediane Alter bei Erstmanifestation einer Erkrankung mit MOG-AK liegt zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr, wobei die erste Lokalisation in den meisten Fällen eine Optikusneuritis ist, die gehäuft beidseitig auftritt.

Klinische Merkmale und Diagnostik

MOGAD präsentiert sich klinisch vielfältig, was die Diagnose erschwert. Häufige Symptome sind Sehstörungen, motorische Schwäche, Sensibilitätsverlust und bei ADEM auch enzephalopathische Symptome. Die Diagnose basiert auf der klinischen Präsentation, MRT-Befunden, dem Nachweis von MOG-Antikörpern im Serum und dem Ausschluss anderer Erkrankungen.

Im Rahmen der Diagnostik wird meist eine MRT-Bildgebung durchgeführt. Hier zeigen sich in fast der Hälfte der MOG-AK-positiven Fälle zerebrale oder spinale Läsionen oder Auffälligkeiten des Nervus opticus.2 Eine Liquoruntersuchung ergibt in einigen Fällen eine Liquor-Pleozytose, während oligoklonale Banden (OKB) seltener als bei der MS auftreten

Therapeutische Ansätze

Die Behandlung von akuten MOGAD-Episoden umfasst in der Regel hochdosierte Kortikosteroide. Bei unzureichendem Ansprechen können Plasmapherese oder intravenöse Immunglobuline (IVIG) eingesetzt werden.

Zu den Auswirkungen einer langfristigen immunmodulatorischen oder immunsuppressiven Therapie fehlt eine ausreichende Studienlage, erste Ergebnisse zeigen eine Wirksamkeit von Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Rituximab.3 Die Entscheidung für eine Langzeittherapie sollte individuell, basierend auf der klinischen Aktivität und dem Risikoprofil, getroffen werden.

Prognose und Lebensqualität

Die Prognose von MOGAD kann variieren. Einige Patienten erfahren eine vollständige Erholung nach einer Episode, während andere rezidivierende Attacken und eine fortschreitende Behinderung erleben. Die Erhaltung der Lebensqualität erfordert eine individuell angepasste Therapie und unterstützende Maßnahmen, einschließlich Physiotherapie, Ergotherapie und psychologischer Unterstützung.

Fazit für die Praxis: bei Differentialdiagnose der MS an MOGAD denken 

MOGAD stellen eine eigenständige Kategorie von demyelinisierenden Erkrankungen des ZNS dar, die sich in klinischer Präsentation, Bildgebung, Immunpathologie und Therapieantwort von anderen demyelinisierenden Erkrankungen unterscheiden. Bei Patientinnen und Patienten mit Optikusneuritis und spinalen Symptomen sollte man neben der MS unbedingt an MOGAD denken und die monoklonalen Antikörper bestimmen lassen. Eine frühzeitige Diagnose sowie ein maßgeschneidertes therapeutisches Management sind entscheidend, um das Outcome der Patienten zu verbessern. 

Rare Disease Day

230124-Rare-Disease-Day-Bann..Seit 2008 findet jedes Jahr Ende Februar der weltweite Tag der seltenen Erkrankungen statt. esanum begleitet den Tag und berichtet nicht nur über aktuelle Themen, sondern auch über mögliche Symptomkomplexe, Diagnostik, Therapieansätze und Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Krankheiten. Weitere Beiträge finden Sie im Themenspecial zum Rare Disease Day.

Quelle:
  1. Sepúlveda M, Armangue T, Martinez-Hernandez E, Arrambide G, Sola-Valls N, Sabater L, Téllez N, Midaglia L, Ariño H, Peschl P, Reindl M, Rovira A, Montalban X, Blanco Y, Dalmau J, Graus F, Saiz A. Clinical spectrum associated with MOG autoimmunity in adults: significance of sharing rodent MOG epitopes. J Neurol. 2016 Jul;263(7):1349-60. doi: 10.1007/s00415-016-8147-7. Epub 2016 May 4. PMID: 27147513; PMCID: PMC5831396.
  2. Cobo-Calvo A, Ruiz A, Maillart E, Audoin B, Zephir H, Bourre B, Ciron J, Collongues N, Brassat D, Cotton F, Papeix C, Durand-Dubief F, Laplaud D, Deschamps R, Cohen M, Biotti D, Ayrignac X, Tilikete C, Thouvenot E, Brochet B, Dulau C, Moreau T, Tourbah A, Lebranchu P, Michel L, Lebrun-Frenay C, Montcuquet A, Mathey G, Debouverie M, Pelletier J, Labauge P, Derache N, Coustans M, Rollot F, De Seze J, Vukusic S, Marignier R; OFSEP and NOMADMUS Study Group. Clinical spectrum and prognostic value of CNS MOG autoimmunity in adults: The MOGADOR study. Neurology. 2018 May 22;90(21):e1858-e1869. doi: 10.1212/WNL.0000000000005560. Epub 2018 Apr 25. PMID: 29695592.
  3. Cobo-Calvo A, Sepúlveda M, Rollot F, Armangué T, Ruiz A, Maillart E, Papeix C, Audoin B, Zephir H, Biotti D, Ciron J, Durand-Dubief F, Collongues N, Ayrignac X, Labauge P, Thouvenot E, Bourre B, Montcuquet A, Cohen M, Deschamps R, Solà-Valls N, Llufriu S, De Seze J, Blanco Y, Vukusic S, Saiz A, Marignier R. Evaluation of treatment response in adults with relapsing MOG-Ab-associated disease. J Neuroinflammation. 2019 Jul 2;16(1):134. doi: 10.1186/s12974-019-1525-1. PMID: 31266527; PMCID: PMC6607517.