Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) waren früher ein sicheres Todesurteil für die Neugeborenen. Ein frühzeitiges Screening, wie es für Deutschland für 2019 erwartet wird, könnte helfen, die Defekte bereits kurz nach der Geburt zu entdecken. Betroffene Kinder sind damit erstens besser zu überwachen und zweitens auch früher zu behandeln. Die Stammzelltransplantation ist in der Regel die Therapie der Wahl. So wurde die Überlebenschance der Kinder in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert.
Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) gehen auf T-Zell-Defekte zurück, welche letztlich die Anfälligkeit für Viren (z. B. CMV), Pilzerkrankungen und andere opportunistische Krankheitserreger erhöhen. Hinzu kommen eine ganze Reihe weiterer Immundysregulationen, wie beispielsweise Autoimmunzytopenien, Ekzeme oder Granulome. Dazu treten nicht selten sekundäre B-Zell-Defekte, die einen Antikörpermangel verursachen, und dadurch das Risiko bakterieller Infektionen erhöhen.
Die frühzeitige Diagnose – bestenfalls bevor schwere Infektionskrankheiten das Leben der kleinen Patienten gefährden – ist überlebenswichtig für die betroffenen Kinder. Wie Studiendaten aus den USA zeigten, ist sowohl das Überleben als auch das allgemeine Outcome für die Kinder besser, je früher der Defekt entdeckt wird, idealerweise in einem Alter < 3,5 Monaten.
Beim geplanten Neugeborenen-Screening auf SCID geht es primär darum, die zugrundeliegende T-Zell-Lymphopenie mithilfe der qPCR zu bestimmen. Gesucht wird dabei nach den sogenannten "T cell receptor excision circles", kurz TREC. Dabei handelt es sich um kleine ringförmige DNA-Elemente, die entstehen, wenn T-Zellen im Thymus reifen, d. h. ihre T-Zell-Rezeptor-Gene neu arrangieren. Bei SCID finden sich geringere Mengen TREC als nomal. Natürlicherweise haben aber auch Menschen höheren Alters weniger TREC – eines der Zeichen der Immunseneszenz.
Fanden US-Mediziner in den vergangenen Jahrzehnten Neugeborene mit SCID vornehmlich über schwere Infektionsverläufe, so hat die Einführung eines entsprechenden SCID-Neugeborenen-Screenings in den USA dafür gesorgt, dass heute sehr viel mehr Kinder über das Screening gefunden werden und die Zahl derer mit schweren Infektionsverläufen infolge dessen abnimmt.
Wichtig ist darüber hinaus, dass ein positives Screening-Ergebnis bei einem Neugeborenen auch auf geeignete nachgeordnete Strukturen stößt, wie z. B. heimatnahe PID-Kliniken, welche klinische Immunologie und Immunphänotypisierungen anbieten. Überregional müsse die SCID-Diagnostik und Weiterbehandlung der Patienten schließlich in spezialisierten PID-Zentren erfolgen.
Bereits im Jahr 2013 erarbeitete eine eingesetzte Arbeitsgruppe einen ersten Screening-Algorithmus für ein allgemeines SCID-Screening. Ein Jahr später bereits erkannte die GKV den potenziellen Nutzen des Screenings an und bat den G-BA um Prüfung.
2015/2016 bescheinigt der G-BA im Zuge der Prüfung, dass das TREC-Screening potenziellen Nutzen habe. Im Juni 2018 sprach sich der Unterausschuss Methodenbewertung des G-BA nach der IQWiG-Empfehlung schließlich für das TREC-Screening aus. Derzeit wurde der Empfehlungsentwurf dem AWMF zur Stellungnahme vorgelegt. Am 27. September 2018 wird dann die abschließende Anhörung des G-BA zum SCID-Neugeborenen-Screening in Deutschland stattfinden. Mit einer Implementierung des Screenings in den diagnostischen Alltag ist jedoch nicht mehr vor 2019 zu rechnen.
Im Wortlaut vom 28.06.2018 könnte die Empfehlung für das SCID-Neugeborenen-Screening dann wie folgt lauten: "Das Screening auf SCID bei Neugeborenen wird als 14. Zielerkrankung für das erweiterte Neugeborenen-Screening empfohlen. Das IQWiG kommt zu dem Ergebnis, dass das Neugeborenen-Screening auf SCID in Kombination mit einer infektionsprophylaktischen Therapie, die in eine kurative Therapie mündet, einen Anhaltspunkt für einen Nutzen zeigt."
Quelle:
"Neugeborenen-Screening auf schwere kombinierte Immundefekt – ein Update" (C. Schütz, Ulm); DGKJ, Session "Immundefekte", 13.09.2018, Leipzig