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Plötzlicher Kindstod - mehr Aufklärung tut not!

"SIDS Update" war eine Session auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin überschrieben. Referent Prof. Dr. Jan Peter Sperhake von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf zog aber eher ein Fazit aus Sicht der Rechtsmedizin.

  • Plötzliche Todesfälle von Neugeborenen sind weiterhin ein ernst zu nehmendes Problem – auch wenn die Fallzahlen zurückgegangen sind.
  • Bed-Sharing und Sofa-Sharing scheinen wichtige Risikofaktoren für SIDS zu sein – ganz besonders in der Neugeborenenperiode.
  • Mütter sollten nicht ausdrücklich dazu ermuntert werden, das Baby von Anfang an neben sich schlafen zu lassen.

"SIDS Update" war eine Session auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin überschrieben. Referent Prof. Dr. Jan Peter Sperhake von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf zog aber eher ein Fazit aus Sicht der Rechtsmedizin. 

Das "Sudden Infant Death Syndrome" (SIDS) ist ein Phänomen des schlafenden Kindes. Die Fälle von plötzlichem Kindstod sind seit den 1970er Jahren um 90 % zurückgegangen. Konkret in Hamburg gab es 1990 noch 35 Fälle, 2016 noch einen. "Das ist ein substanzieller Rückgang", freut sich der Rechtsmediziner. "Man könnte denken, das Problem habe sich erledigt."

Doch Prof. Sperhake befürchtet, dass es zu einem ähnlichen Phänomen kommen könnte wie bei der Impfmüdigkeit: Je höher die Impfrate wurde, desto seltener waren die Erkrankungen, desto mehr kommt es nun zur Impfmüdigkeit – und die Krankheiten kehren zurück. Da gibt es Wellenbewegungen. Sodass, bezogen auf SIDS, z.B. jetzt ab und an der bekannte Risikofaktor Schlafen in Bauchlage plötzlich wieder von manchen relativiert wird.

Eine alte Definition von SIDS besagt: "Der plötzliche Tod eines Kindes unter einem Lebensjahr, der nach sorgfältiger Untersuchung inklusive vollständiger Obduktion, Untersuchung der Auffindesituation und Auswertung der Krankengeschichte unerklärt bleibt." Porf. Sperhake legt hier Wert auf das Stichwort Obduktion. "In Hamburg haben wir eine hundertprozentige Obduktionsquote. Wir sehen alle diese Kinder bei uns, beobachten diese Fälle sehr genau."

Der Rückgang von SIDS ist kein Zufall, führt Prof. Sperhake aus. Die bekannten Risikofaktoren und die Empfehlungen, die man daraus ableitet, sind der Schlüssel zum Erfolg.

Was sind Ursachen für SIDS? Es gibt viele Vermutungen:

  • Zentrale Atemregulationsstörungen?
  • CO2-Rückatmung? "Eine interessante Theorie, dadurch, dass das Kind vielleicht in eine Unterlage atmet, kann ein Pendelvolumen entstehen."
  • Überwärmung?
  • Infektion?
  • Herzrhythmusstörungen? "Dann wären es gar keine SIDS-Fälle, sondern Fälle von Sudden unexpected death in Infancy (SUDI). SIDS kann man tatsächlich erst nach Obduktion feststellen."

Prof. Sperhake fasst zusammen: "Man ist nicht mehr so optimistisch, dass man die eine Ursache findet. Es ist auf jeden Fall ein multifaktorielles Geschehen." Da ist sich der Rechtsmediziner mit vielen Kinderärzten einig.

Die gesicherten Risikofaktoren sind:

  • Bauchlage als Schlafposition (auch Seitenlage). Noch 1973 wurde die Bauchlage empfohlen. Aber man hätte nach bestimmten Beobachtungen von Kriminalisten damals schon skeptisch sein können.
  • Rauchen während der Schwangerschaft und in der Umgebung des Kindes. Das Rauchen ist wesentlich und der Anteil der rauchenden Mütter ist sehr stark zurückgegangen. In den 1990er Jahren haben ungefähr ein Viertel der Mütter während der Schwangerschaft geraucht – die Zahl basiert auf freiwilligen Angaben. Jetzt scheinen es weniger als zehn Prozent zu sein. Das scheint auch ein Grund für den Rückgang der Säuglingstodesfälle zu sein.
  • isolierende Kleidung. "Das ist sicher ein multifaktorielles Geschehen, wenn das Kind zu stark bedeckt ist, zu warm wird."
  • Nicht-Stillen.
  • Bed-Sharing. Das hören Hebammen und viele Eltern nicht so gern. "Das Thema ist hochgradig ideologisiert," weiß Prif Sperhake aus eigener Erfahrung. Aber es ist statistisch relevant, dass mehr Kinder, die mit den Eltern im Bett schlafen, sterben als im eigenen Bett. "Dazu kommen gewiss weitere Faktoren. Und es wird sicher möglich sein, das Bed-Sharing sicherer zu machen."

Eine Statistik des Bundes zeigt, wie die Todesfälle von Säuglingen in den letzten zwanzig Jahren zurückgehen. Gleichzeitig zeigt die Statistik aber auch, dass das für die unter sieben Tage alten Säuglinge nicht zutrifft. Konkret: Der Anteil der Fälle von plötzlichem Tod im ersten Lebensjahr der unter sieben Tage alten Säuglinge stieg von zehn Prozent 1980 auf 20 Prozent 2009. Sperhake vermutet: "Die ganz jungen Kinder profitieren von den Aufklärungskampagnen offensichtlich nicht."

"In Hamburg haben wir eine konkrete Auswertung gemacht", berichtet Prof. Sperhake. "Die sieben Fälle von 2010 waren alles Bed- oder Sofa-Sharing-Situationen, vier davon in der Geburtsklinik. Die meisten werden in der zweiten Nachthälfte tot aufgefunden, zwischen null und sechs Uhr." Die Gründe dafür sind noch nicht geklärt. Weitere Forschung und Aufklärung ist angezeigt.