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Psychedelische Therapie bei Alkoholkonsumstörung

Ein Team des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim hat molekulare Veränderungen bei Alkoholismus identifiziert, die sowohl für eine gestörte exekutive Kontrolle als auch für das Verlangen nach Alkohol verantwortlich sind.

Welche Rolle spielen molekulare Targets für die psychedelische Therapie von Alkoholabhängigkeit?

Alkoholabhängige Patient:innen zeigen häufig Probleme bei den exekutiven Funktionen, die das Verlangen nach Alkohol erleichtern und zu einem Rückfall führen können. Die molekularen Mechanismen, die zu einer Störung der Exekutivfunktionen bei Alkoholismus führen, sind jedoch nur unzureichend bekannt. Ein Team des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim hat molekulare Veränderungen bei Alkoholismus identifiziert, die sowohl für eine gestörte exekutive Kontrolle als auch für das Verlangen nach Alkohol verantwortlich sind. In präklinischen Untersuchungen konnten Psychedelika die molekularen Defizite ausgleichen und das Rückfallverhalten verringern.

Alkoholkonsum ist weit verbreitet, aber er ist auch eine wichtige Ursache für Morbidität und Mortalität weltweit. Die meisten Menschen können ihr Alkoholkonsumverhalten kontrollieren, aber einige werden zu exzessiven Trinkern und können schließlich eine problematische Alkoholkonsumstörung (Alcohol use disorder, AUD) entwickeln. Das klinische Erscheinungsbild dieser Störung ist sehr heterogen, geht aber häufig mit Defiziten bei den exekutiven Funktionen einher, d. h. mit Beeinträchtigungen höherer kognitiver Fähigkeiten, die mit Selbstkontrolle, Emotionsregulation, Motivation, Arbeitsgedächtnis, Entscheidungsfindung, Aufmerksamkeit und kognitiver Flexibilität zu tun haben.

Klinisch gesehen verursacht übermäßiger Alkoholkonsum beim Menschen Schäden im präfrontalen Kortex, die zu starkem Verlangen nach Alkohol sowie zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen führen. Metabotrope Glutamatrezeptoren der Gruppe II haben in jüngster Zeit großes Interesse in der Suchtforschung geweckt, da sie im Signalweg zwischen dem medialen präfrontalen Kortex (mPFC) und dem Nucleus accumbens (NAc), der das Verlangen nach einer Substanz und den Rückfall sowie die kognitive Flexibilität vermittelt, sehr häufig vorkommen.

mGluR2-Rezeptor spielt entscheidende Rolle bei drogeninduzierter Neuroadaption

Auf der Insight 2021 präsentierte Marcus Meinhardt vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim (ZI) präklinische Daten aus der Forschung seiner Gruppe zur Hypothese der Verwendung von Psychedelika zur Behandlung von problematischem Alkoholkonsum. Dr. Meinhardts Vortrag konzentrierte sich auf die Rolle des mGluR2-Rezeptors (metabotroper Glutamatrezeptor 2), der als besonders wichtiges Ziel drogeninduzierter Neuroadaptionen gilt, da berichtet wurde, dass eine langfristige Exposition gegenüber Drogenmissbrauch zu einer Herabregulierung dieses Rezeptors und zu Funktionsstörungen führt.

Die Daten zeigen, dass Alkoholabhängigkeit sowohl beim Menschen (es wurden Hirnschnitte von Verstorbenen mit AUD analysiert) als auch bei Ratten zu einer lang anhaltenden Herabregulierung der mGluR2-Expression führt, insbesondere in der infralimbischen Subregion des mPFC, was bei Ratten mit einem Verlust der Kontrolle über das alkoholabhängige Verhalten einhergeht. Außerdem kann mGluR2 die kognitive Flexibilität modulieren und seine Stimulation verbessert die kognitive Flexibilität bei Ratten.

Um die Hypothese zu testen, dass eine mGluR2-Dysfunktion im mPFC einen gemeinsamen molekularen Mechanismus für Defizite in verschiedenen Verhaltensbereichen darstellen könnte, untersuchte Meinhardts Team die kognitive Flexibilität bei alkoholabhängigen Ratten. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Defizit von mGluR2 im mPFC ein gemeinsamer pathologischer Mechanismus ist, der sowohl für ein erhöhtes Verlangen als auch für eine verringerte kognitive Flexibilität bei Ratten notwendig und ausreichend ist, wodurch die mGluR2-Aktivierung als potenzieller therapeutischer Mechanismus bei Alkoholabhängigkeit identifiziert wird.
Die Rolle von mGluR2 könnte die Tür für einen therapeutischen Einsatz von Psychedelika bei AUD-Patient:innen öffnen. Klassische Psychedelika wie LSD oder Psilocybin wirken nämlich durch die Stimulierung von Serotonin-2A-Rezeptoren (5-HT2AR) im Gehirn. Diese Rezeptoren sind in großer Zahl in der Hirnrinde vorhanden, insbesondere in den oberen Regionen der funktionellen Hierarchie des Gehirns.

Frühere Forschungen haben gezeigt, dass sich 5-HT2AR und mGluR2 zusammenschließen und einen einzigen funktionellen Komplex bilden können, der die Funktionen des jeweils anderen moduliert. Dieser heteromere Komplex wurde mit dem Wirkmechanismus von Psychedelika in Verbindung gebracht (veränderte Kopfkontraktionsreaktion in Gegenwart von mGluR2/3-Agonisten, -Antagonisten und mGluR-selektiven positiven allosterischen Modulatoren). Die Notwendigkeit von mGluR2 für die Auslösung der Kopfkontraktionsreaktion wurde bereits in zwei unabhängigen Studien an mGluR2-Knockout-Mäusen nachgewiesen.

Psilocybin kann Craving und Rückfälle vermindern

Präklinische Studien der Gruppe von Dr. Meinhardt deuten darauf hin, dass Psilocybin in der Lage ist, den mGluR2-Spiegel zu erhöhen, was zu einer Verringerung von Craving und Rückfällen führt. Meinhardt zufolge sprechen diese präklinischen Ergebnisse bereits dafür, mGluR2 als molekulares Target für die Behandlung der verminderten kognitiven Flexibilität, des Verlangens und der Rückfallreaktionen bei alkoholabhängigen Patient:innen zu betrachten, und legen die Möglichkeit einer klinischen Umsetzung nahe, zum Beispiel durch die Durchführung einer experimentellen medizinischen Studie bei alkoholabhängigen Patient:innen, um eine verbesserte kognitive Flexibilität als Reaktion auf eine einmalige Verabreichung eines allosterischen Modulators nachzuweisen.
 

Quelle: Meinhardt M, Psychedelics as a Treatment for Alcohol use Disorder: Insights from Preclinical Models, Insight 2021.
 

Versione italiana: Terapia psichedelica dell’alcolismo (esanum.it)