Psychedelika könnten einen neuen Behandlungsansatz in der Psychiatrie darstellen. Aber können Psychedelika die globale Gesundheitskrise bekämpfen? Auf der Insight 2021 hat Prof. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim diese Frage kritisch unter die Lupe genommen.
Gerhard Gründer ist Professor für Psychiatrie und Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und erforscht die Neurobiochemie psychischer Störungen und die klinische Psychopharmakologie. Außerdem leitet er eine Kooperationsstudie zur Behandlung von Depressionen mit Psilocybin. Zu Beginn seines Vortrages fragt Gründer im Publikum nach, wer Psychedelika für die Lösung hält? Etwas mehr als 50 Prozent sagen: Nein. Mit seinem Vortrag will Gründer die Befürworter vom Gegenteil überzeugen.
Anschließend zeigt er anhand von Google-Suchergebnissen und Zeitungsausschnitten, wie groß der Glaube in Psychedelika ist. Da wird die Frage gestellt, ob illegale Drogen eine Möglichkeit sind, das Problem der mentalen Gesundheitskrise zu lösen. In einem anderen Artikel wird gefragt, ob LSD die Gesundheitskrise als Folge der Pandemie bekämpfen könnte? Gründer stellt anschließend einige Folien vor, die Tabellen mit steigenden Zahlen von Selbstmordraten und Missbrauch von harten Drogen zeigen. Glaubt irgendjemand, dass wir diese Zahlen verkleinern, indem wir die Menschen mit Psychedelika füttern?, fragt er danach. Und dieses Spiel geht noch eine ganze Weile so weiter.
Für Gründer stehen diese Zahlen im Zusammenhang mit der Gesellschaft, mit dem Leben, Arbeiten und Kommunizieren. Das könne keine Droge lösen. Und wieder zeigt er einen Artikel, der Selbstmord von Jugendlichen mit Ketaminen verhindern will. Danach stellt Gründer die Selbstmordzahlen bei Kindern zwischen 10 und 14 vor. Vor allem immer mehr junge Mädchen begehen Selbstmord. Hier stellt Gründer einen Zusammenhang zwischen der Gründung von Facebook im Jahr 2004 und dem seitdem steigenden Anstieg von jugendlichen Selbstmordopfern her.
Auch der World Happiness Report 2019 zeigt mehrere Länder, in denen die Menschen ganz besonders unzufrieden sind. Und wieder stellt er die Frage, ob es etwas ändern würde, wenn man allen Afghanen Psychedelika verabreichen würde? Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildung seien die gründe für psychische Krankheiten wie Depressionen, nicht nur in unterentwickelten Ländern, sondern auch in Deutschland, den USA oder Skandinavien. Und nochmal fragt Gründer, ob Psychedelika dies lösen könnten?
Im letzten Teil seines Vortrages zeigt Gründer aber eine andere Herangehensweise. Experimente einer Kollegin mit Ratten hatten gezeigt, dass die Ratten, die ein Benzodiazepin bekommen hatten, weniger Empathie zeigten. Sie halfen den anderen Ratten nicht dabei, aus dem Käfig zu entkommen. Studien mit Antidepressiva bei Menschen zeigten ähnliche Ergebnisse. Gründer stellt die Vermutung auf, dass die Antidepressiva und die daraus folgende emotionale Abstumpfung ein Grund für die Krise der psychischen Gesundheit sein könnten. Hier bringt er seine Erfahrungen mit Psychedelika ins Spiel, denn Psilocybin hatte bei seinen Patienten durchaus für Emotionen gesorgt.
Die Behandlung mit Psychedelika sei also ein anderer Behandlungsansatz, bei dem negative Emotionen nicht unterdrückt, sondern zugelassen würden. "Ich weiß, dass das nicht alle Problem lösen wird. Psychedelika sind für mich eine Form von Metapher für eine veränderte Denkweise, Offenheit, Verbundenheit und Empathie. Das ist die Denkweise, die wir brauchen, wenn wir unseren Planeten retten wollen. Aber man kann den Planeten nicht retten, indem man Donald Trump oder Javier Bolsonario LSD verabreicht."
English Version: Are psychedelics a solution to the mental health crisis? (esanum.com)