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Optimierung der individualisierten Hämophiliebehandlung

Jeder Mensch mit Hämophilie ist anders – und benötigt daher eine individuell auf ihn zugeschnittene Behandlung: sowohl bei der Dosierung der zu substituierenden Faktorpräparate als auch bei der Vorbeugung bzw. Behandlung krankheitsbedingter Gelenkveränderungen.

Spezialisierte Physiotherapie und gewichtsadaptierte Faktorendosierung können individualisierte Hämophiliebehandlung optimieren

Jeder Mensch mit Hämophilie ist anders – und benötigt daher eine individuell auf ihn zugeschnittene Behandlung: sowohl bei der Dosierung der zu substituierenden Faktorpräparate als auch bei der Vorbeugung bzw. Behandlung krankheitsbedingter Gelenkveränderungen.

Über die Chancen einer individualisierten Hämophilietherapie diskutierten Experten während eines Satellitensymposiums von Novo Nordisk anlässlich der 61. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH). Dabei betonten sie den hohen Stellenwert einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit von Hämostaseologen, Orthopäden und Physiotherapeuten. Auch die gewichtsadaptierte Faktorendosierung kann zukünftig zur Optimierung der Hämophiliebehandlung beitragen. Erkenntnisse dazu erhoffen sich die Experten von einer Studie, die die Pharmakokinetik von Turoctocog alfa im Verhältnis zum Body-Mass-Index des Patienten mit Hämophilie A untersucht.1

"Menschen mit Hämophilie benötigen neben der medikamentösen Therapie ein optimales fachübergreifendes Behandlungskonzept mit kurativen und vorbeugenden Maßnahmen, die auch zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen", resümierten Dr. Susan Halimeh, Hämostaseologin in Duisburg, und Dr. Axel Seuser, Orthopäde in Bonn. Bei der Hämophilie kommt es häufig zu Einblutungen in die Gelenke, die mit der Zeit zu Arthropathien mit massiver körperlicher Behinderung und Beeinträchtigung der Lebensqualität führen können. Eine Situation, die unbedingt vermieden werden muss, so die Meinung der Experten. Drei Fachrichtungen sollten hierfür eng zusammenarbeiten: Die adäquate Substitution der Gerinnungsfaktoren zur Blutungsprophylaxe und -therapie erfolgt durch den Hämostaseologen, dazu kommt die Untersuchung der Gelenke und ihrer Funktionsfähigkeit durch den Orthopäden, der bei Bedarf eine gezielte Behandlung einleitet. Der Physiotherapeut kann zudem mit frühzeitig einsetzenden, regelmäßigen Maßnahmen nachweislich zur Erhaltung der Gelenkfunktionalität beitragen, Blutungshäufigkeit und Schmerzen reduzieren sowie Folgeschäden vorbeugen.2

Nach Ansicht der Experten ist die auf Menschen mit Hämophilie spezialisierte physiotherapeutische Versorgung hierzulande jedoch noch nicht dem Bedarf entsprechend gewährleistet. Um diese Bedarfslücke zu schließen, wurde 2013 die Haem-Academy für Physiotherapeuten ins Leben gerufen. Im Rahmen der Veranstaltungen haben interessierte Physiotherapeuten die Möglichkeit, sich auf dem Gebiet der Behandlung von Menschen mit Hämophilie in Theorie und Praxis weiterzubilden.

Die gewichtsadaptierte Dosierung der Faktorenpräparate könnte die Hämophiliebehandlung künftig weiter verbessern, so Dr. Georg Goldmann, Bonn. Aufschluss darüber soll die im Oktober 2016 gestartete multizentrische Open-Label-Studie GuardianTM9 geben.1 Sie untersucht die Pharmakokinetik von Turoctocog alfa im Verhältnis zu Body-Mass-Index (BMI) und Körperbau bei Menschen mit schwerer Hämophilie A. Heutzutage sind immer mehr Menschen mit Gerinnungsstörungen – genau wie die gesunde Bevölkerung – übergewichtig, erklärte Goldmann. Das Management einer Hämophilie bei Übergewicht (BMI 25–29,9 kg/m2) oder Adipositas (BMI ≥30 kg/m2) stellt eine große Herausforderung dar, so Goldmann weiter. Das Plasmavolumen pro Kilogramm Körpergewicht ist bei Adipösen kleiner als bei Nicht-Adipösen3 mit der Folge einer höheren Wiederauffindungsrate (Incremental Recovery) des substituierten Gerinnungsfaktors4. Faktor VIII (FVIII)-Präparate werden in der Regel nach Körpergewicht dosiert, was möglicherweise bei übergewichtigen bzw. adipösen Menschen nach der Injektion zu höheren FVIII-Aktivitätsspiegeln führt als bei Normalgewichtigen.4-6 Die GuardianTM9-Ergebnisse sollen weitere Erkenntnisse zur Dosisanpassung der Faktorenpräparate bei Übergewicht liefern. "Wir hoffen, dass aus den Daten letztlich ein praktikables Modell zur gewichtsadaptierten Faktorendosierung resultiert", schloss Goldmann.

Quellen:
1. Persson P et al. Poster presented at the European Association of Haemophilia and Allied Disorders (EAHAD) 10th Annual Congress, February 1-3, 2017, Paris, France. P144.
2. Halimeh S et al. Haemophilia 2013; 19(Suppl 2): 10–82.
3. Gibson JG, Evans WA. J Clin Invest 1937; 16(3): 317–328.
4. Henrard S et al. Haematologica 2013; 98(9): 1481–1486.
5. Wong TE et al. Am J Prev Med 2011; 41(6 Suppl 4): S369‒375.
6. Young G. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2012; 2012: 362‒368.