Vorteile und Nachteile der intravenösen Eisentherapie Logo of esanum https://www.esanum.de

Update intravenöse Eisentherapie: Pro und Contra

Weltweit betrachtet ist Eisenmangel die häufigste Mangelerkrankung. Wenn die orale Substitution das Defizit nicht ausgleichen kann, ist die intravenöse Eisentherapie die nächste Option. Doch auch sie birgt Risikien. Ein Überblick über die wichtigsten Studien.

Auf die korrekte Definition des Eisenmangels kommt es an

Bei Eisenmangel wird zwischen einem absoluten und einem funktionalen Eisenmangel unterschieden. Bei einem absoluten Eisenmangel liegt der Serum-Ferritin-Wert bei < 15 ng/ml und das Gesamteisen im Körper ist reduziert. Der funktionale Eisenmangel ist durch eine inadäquate Eisenmobilisierung trotz normaler Eisenspeicher gekennzeichnet.

In den Leitlinien für Herzinsuffizienz werden TSAT und Ferritin zur Definition eines funktionalen Eisenmangels (Serum-Ferritin-Wert < 100 µg/l oder Serum-Ferritin-Wert 100-300 µg/l in Kombination mit einem TSAT-Wert von < 20%) herangezogen. Ardehali zufolge eignen sich in der Kardiologie weder der Serum-Ferritin-Wert noch der TSAT-Wert als Biomarker für einen funktionalen Eisenmangel.1

Die Schlüsselrolle von Hepcidin

Das Protein Hepcidin ist entscheidend am Eisenstoffwechsel beteiligt. Es wirkt hemmend auf die Eisenresorption im Darm und kann zu einem sog. Eisen-Trapping innerhalb der Makrophagen führen. Bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen kann es zu einer vermehrten Hepcidin-Produktion kommen. PhD Hossein Ardehali hob in seinem Vortrag hervor, dass bei Patienten mit Herzinsuffizienz in höheren Erkrankungsstadien hingegen verminderte Hepcidin-Werte messbar wären. Erhöhte Hepcidin-Werte bei Herzinsuffizienz seien seiner Meinung nach ein Mythos.1

Eisenmangel kann präventiv bei kardiovaskulären Erkrankungen wirken

Bei kardiovaskulären Erkrankungen können niedrige Eisenwerte von Vorteil sein. So konnte bei postmenopausalen Frauen ein geringeres Risiko für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen gemessen werden. Gleichzeitig lag bei dieser Patientengruppe ein Eisenmangel vor. Laut Ardehali steht fest, dass der Östrogenspiegel hierbei nicht die entscheidende Rolle spielt. Auch konnte eine positive Korrelation zwischen der Blutspende und einem verminderten Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen sowie einer verminderten Inzidenz für akuten Herzinfarkt gezeigt werden. Gleichzeitig sei Ferritin ein starker Indikator für die Erkrankung der Karotis. Auch konnte ein Zusammenhang zwischen den Eisenspeichern und der kardiovaskulären Mortalität beobachtet werden. All diese Daten lassen Ardehali zufolge den Nutzen einer Eisensubstitution bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen zweifelhaft erscheinen.1

Eisenmangel bei chronischen Erkrankungen

Bei Vorliegen von chronischen Erkrankungen kann ein Eisenmangel jedoch, selbst ohne Anämie, zu einer Schwächung des Körpers und Verschlimmerung der jeweiligen Komorbidität führen. Im klinischen Alltag wird bei dem komplexen Therapiemanagement chronischer Erkrankungen die Behandlung eines Eisenmangels häufig übersehen. Dies kann u.a. auf eine Heterogenität der klinischen Praxisleitlinien bei chronischer Herzinsuffizienz, chronischen Nierenerkrankungen und entzündlichen Darmerkrankungen zurückzuführen sein. Auch die Therapie entzündlicher Erkrankungen ist oft eine Herausforderung und bedarf eines überlegten multidisziplinären Ansatzes, bei der die Eisensubstitution nicht fehlen sollte. Eisenmangel kommt sehr häufig bei chronischen Erkrankungen vor. Der Anteil an Patienten mit Eisenmangel liegt bei:

Vor allem bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen können die Auswirkungen eines Eisenmangels immens sein. Sie können zu einer Beschleunigung der klinischen Verschlechterung des Krankheitsbildes führen.1,2

Neuere Formulierungen haben die intravenöse Eisentherapie revolutioniert

Die intravenöse Eisentherapie galt jahrzehntelang als gefährlich. Die neuesten intravenösen Eisenpräparate weisen gegenüber ihren Vorgängern ein verbessertes Sicherheitsprofil auf und ermöglichen die schnelle Verabreichung relativ hoher Dosen. Durch die neueren Formulierungen mittels komplexer Kohlenhydratverbindungen ist ein vollständiger Eisenersatz innerhalb von 15-60 Minuten möglich. Dabei ist die intravenöse Eisentherapie mittlerweile weniger toxisch als orales Eisen geworden. Diese Therapieform ist für Patienten indiziert, die die orale Eisensubstitution nicht vertragen bzw. bei denen die Substitution den Bedarf nicht ausreichend decken kann.1,3

Prof. Michael Auerbach ist ein Verfechter der intravenösen Eisentherapie und betonte, dass es viele Erkrankungen gibt, die auf diese Therapiemodalität angewiesen sind.1

Risiken der modernen intravenösen Eisentherapie

Trotz einer Verbesserung der Sicherheit moderner Eiseninfusionen gibt es weiterhin wichtige Risiken, die nicht zu unterschätzen sind. Hierzu zählen die unmittelbare Infusionsreaktionen und die Entwicklung einer Hypophosphatämie. In den meisten Fällen handelt es sich um leichte unmittelbare Infusionsreaktionen. Nur in extrem seltenen Fällen kommt es zur Anaphylaxie. Im klinischen Alltag ist daher das Wissen über ein adäquates Management dieser Komplikationen unerlässlich. Der Kliniker sollte auch die Risikofaktoren für eine Hypophosphatämie kennen. Diese umfassen:

Eine Überwachung des Phosphatspiegels ist bei allen Patienten vor und nach der Behandlung ratsam, um die Sicherheit einer intravenösen Eisentherapie gewährleisten zu können.1,4

Risiko einer iatrogenen Eisenüberladung bei intravenöser Eisentherapie

Eine Eisenüberladung kann in Organschäden resultieren. Die Leber als Hauptort der Eisenspeicherung ist hiervon besonders betroffen. Mittels quantitativer Magnetresonanztomographie konnte ein enger Zusammenhang zwischen dem Risiko einer Eisenüberladung und der intravenösen Eisenpräparate gezeigt werden. Überhöhte intravenöse Eisendosen sind bei Hämodialysepatienten mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Tod verbunden. Im klinischen Alltag sollte das Risiko für eine iatrogene Eisenüberladung immer im Hinterkopf behalten werden.1,5

Auf dem Gebiet der intravenösen Eisentherapie besteht weiterhin reger Diskussionsbedarf. Wichtig ist es zu klären, welche Erkrankungen von einer Eisentherapie profitieren. Auch sollten für jede Erkrankung unterschiedliche Biomarker für die Definition eines Eisenmangels bestimmt werden. Das ohnehin komplexe Therapiemanagement multimorbider Patienten gestaltet sich dadurch noch um einiges komplexer.
 

Referenzen:
  1. Cabantchik Yoav Prof., Auerbach Michael Prof., Ardehali Hossein PhD, Is IV iron good for anyone? 28. Jahrestagung der European Hematology Association (EHA) in Frankfurt, 8-15 Juni 2023.
  2. Cappellini MD. et al. (2017). Iron deficiency across chronic inflammatory conditions: International expert opinion on definition, diagnosis, and management. Am J Hematol. 2017 Oct;92(10):1068-1078.
  3. Auerbach M. et al. (2020). Intravenous iron: a framework for changing the management of iron deficiency. Lancet Haematol. 2020 Apr;7(4):e342-e350. 
  4. Blumenstein I. et al. (2021). Newer formulations of intravenous iron: a review of their chemistry and key safety aspects - hypersensitivity, hypophosphatemia, and cardiovascular safety. Expert Opin Drug Saf. 2021 Jul;20(7):757-769. 
  5. Rostoker G. et al. (2016). Iatrogenic Iron Overload in Dialysis Patients at the Beginning of the 21st Century. Drugs. 2016 May;76(7):741-57.