Nierenschäden und neurologische Erkrankungen bei HEV Logo of esanum https://www.esanum.de

Extrahepatische Manifestationen von HEV: Nierenschäden und neurologische Erkrankungen

Das Hepatitis-E-Virus (HEV) kann nicht nur die Leber angreifen, sondern sich auch extrahepatisch manifestieren. Zahlreiche Studien weisen auf eine mögliche Verbindung zu renalen und neurologischen Erkrankungen hin.

Nierenschäden durch HEV

In Europa gehören neurologische, renale und immunologische Phänomene zu den häufigsten extrahepatischen Phänomenen, die mit dem Hepatits-E-Virus(HEV) assoziiert sind. Dass eine HEV-Infektion weit mehr als nur die Leber betrifft, belegen zahlreiche Forschungsarbeiten. PD Dr. Sven Pischke, Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, hat die wichtigsten Daten dazu in seinem Vortrag zusammengefasst.

Beispielsweise zeigte eine Forschungsarbeit von Brehm TT et al., dass bei einer akuten HEV-Infektion das Risiko einer eingeschränkten Nierenfunktion deutlich höher ist als bei einer Hepatitis-A-Virus-Infektion.1

Im Hinblick auf die renalen Auswirkungen scheint es eine Rolle zu spielen, ob die Betroffenen immunkompetent oder bereits vorerkrankt sind: Untersuchungen an Transplantationspatienten deuten darauf hin, dass eine HEV-Infektion zu glomerulären Schäden und damit zu Nierenfunktionsstörungen führen kann. Es zeigte sich aber auch, dass eine akute HEV-Infektion bei gesunden, immunkompetenten Personen nicht generell mit der späteren Entwicklung einer Glomerulonephritis assoziiert ist.

HEV und das Nervensystem

Dass HEV auch das Nervensystem befallen kann, wurde mehrfach nachgewiesen. In einer Fallstudie aus dem Jahr 2009 wurde erstmals über eine Polyneuropathie bei einem HIV-Patienten berichtet, bei welchem eine chronische HEV-Infektion mit Virusnachweis im Liquor nachgewiesen werden konnte. Weitere Berichte beschreiben HEV-assoziierte Meningitis und Enzephalitis. Darüber hinaus konnte die Replikation von HEV in experimentell infizierten neuronalen Zellen bestätigt werden.

Die genauen Pathomechanismen, die der Schädigung des Nervensystems durch HEV zugrunde liegen, sind noch unklar. Als mögliche Faktoren werden die Veränderung von Tight Junction Proteinen und die mitochondriale Apoptose diskutiert.

Guillain-Barré-Syndrom und die Neuralgische Amyotrophie: Assoziation mit HEV?

Besonders aussagekräftige Studien zu peripheren neurologischen Erkrankungen betreffen das Guillain-Barré-Syndrom und die Neuralgische Amyotrophie (NA). Eine Untersuchung von van den Berg B et al. an 202 Personen mit Guillain-Barré-Syndrom zeigte, dass die Betroffenen signifikant häufiger Anti-HEV-IgM-positiv waren als die Kontrollgruppe (5 Prozent vs. 0,5 Prozent).2 Dies könnte ein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen dem Guillain-Barré-Syndrom und der Viruserkrankung sein.

Noch deutlicher sind die Hinweise auf eine Assoziation zwischen NA und HEV: So waren in einer untersuchten Personengruppe mit NA 11 Prozent Anti-HEV-IgM- und IgG-positiv. Vier der Betroffenen waren sogar HEV-RNA-positiv. Auffallend ist, dass eine antivirale Therapie nicht in allen Fällen einen Schutz vor einer NA und einer Replikation des Virus im Zentralnervensystem bietet: In einer von Bannasch JH et al. durchgeführten Analyse erkrankte trotz Behandlung mit Ribavirin etwa 128 Tage nach Therapiebeginn ein herztransplantierter Patient mit chronischer HEV-Infektion an NA.3

In einer prospektiven multizentrischen Schweizer Studie4 wurde eine mögliche Verbindung zwischen dem HEV und dem Guillain-Barré-Syndrom, der Bell'schen Parese oder der NA untersucht. Die erhobenen Daten sprechen jedoch nicht für einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der viralen Erkrankung und dem Guillain-Barré-Syndrom oder der Bell'schen Parese. Einzig in der Kohorte mit neuralgischer Muskelatrophie konnte ein relevanter Trend nachgewiesen werden. Hier waren 10 Prozent der Erkrankten von einer akuten HEV-Infektion betroffen (in der Kontrollgruppe nur 1,1 Prozent).4 Diese Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass tatsächlich eine Assoziation zwischen NA und HEV besteht.

Anti-HEV-IgG bei vielen Personen mit Myasthenia Gravis

Ob es auch einen Zusammenhang zwischen HEV und Myasthenia Gravis gibt, wurde von einer Studiengruppe aus China überprüft. Dabei zeigte sich, dass von 188 Patientinnen und Patienten, bei denen initial eine Myasthenia Gravis diagnostiziert worden war, viele Personen Immunglobuline gegen das HEV aufwiesen: Anti-HEV-IgG war bei 34 Prozent und Anti-HEV-IgM bei 5 Prozent der Probanden vorhanden. Vier Personen, bei denen Anti-HEV-IgM nachgewiesen wurde, waren positiv im PCR-Test und es konnte der Genotyp 4 des Virus identifiziert werden.4

Zusammenhang zwischen HEV und CIDP vermutet

Auch eine mögliche Assoziation zwischen HEV und der chronisch inflammatorisch demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) wurde in den letzten Monaten in mehreren Studien aufgezeigt, wie etwa in einer aktuellen Analyse des Referenten Dr. Pischke und seiner Kollegen. Ihre Auswertung der Daten von Patienten mit der Erstdiagnose CIDP, die noch keine Immunglobulin- oder Transfusionstherapie erhalten hatten, ergab eine Anti-HEV-IgG-Seroprävalenz von 57 Prozent. In der Kontrollgruppe lag die Positivität nur bei 28 Prozent. Diese Zahlen legen nahe, dass die Entwicklung von CIDP mit einer früheren HEV-Exposition in Zusammenhang stehen könnte.

Fazit: HEV – ein Virus, das nicht nur die Leber befällt

Die Untersuchung der extrahepatischen Manifestationen des HEV zeigt: Die Folgen der Infektion gehen manchmal weit über die Leber hinaus. Besonders betroffen sind die Nieren und das Nervensystem, wobei glomeruläre Schäden und neurologische Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom und die NA im Vordergrund stehen. Weitere Forschung ist notwendig, um die genauen Mechanismen zu verstehen und gezielte Therapien zu entwickeln.
 

Quellen:
  • Pischke, Sven (Hamburg). Vortrag: Extrahepatic manifestations - renal and neurological. Sitzung: Management of hepatitis E - ACLF-trigger, chronic infection and extrahepatic manifestations. EASL Congress 2024, Mailand, Italien, 05.-08.06.2024.

Vom Referenten vorgestellte Studien:

  1. Brehm TT, Mazaheri O, Horvatits T et al. Lower Levels of Transaminases but Higher Levels of Serum Creatinine in Patients with Acute Hepatitis E in Comparison to Patients with Hepatitis A. Pathogens. 2021; 10(1):60. https://doi.org/10.3390/pathogens10010060

  2. van den Berg B, van der Eijk AA, Pas SD et al. Guillain-Barré syndrome associated with preceding hepatitis E virus infection. Neurology. 2014 Feb 11;82(6):491-7. doi: 10.1212/WNL.0000000000000111. Epub 2014 Jan 10. PMID: 24415572.

  3. Bannasch JH, Berger B, Schwartkop C-P. et al. HEV-Associated Neuralgic Amyotrophy: A Multicentric Case Series. Pathogens. 2021; 10(6):672. https://doi.org/10.3390/pathogens10060672

  4. Ripellino P, Lascano AM, Scheidegger O et al. Neuropathies related to hepatitis E virus infection: A prospective, matched case-control study. Eur J Neurol. 2024 Jan;31(1):e16030. doi: 10.1111/ene.16030. Epub 2023 Aug 25. PMID: 37548584.

  5. Wang L, Gao F, Lin G et al. Association of hepatitis E virus infection and myasthenia gravis: A pilot study. J Hepatol. 2018 Jun;68(6):1318-1320. doi: 10.1016/j.jhep.2018.01.040. Epub 2018 Apr 19. PMID: 29681394.